Menschen

Glühweinverkäuferinnen erzählen von ihren schlimmsten Erfahrungen

"Einmal habe ich während der Arbeit so viel getrunken, dass ich einfach umgefallen bin." – Sonja
Eine Glühweinverkäuferin in ihrem Stand

Weihnachtsmärkte sind die Korianderblättchen in deiner Schüssel voller vorweihnachtlicher Besinnlichkeit. Man kann sie lieben, man kann aber auch beim Gedanken daran innerlich Lebkuchen kotzen.

Allein in Berlin gibt es knapp 90 Weihnachts- und Adventsmärkte. Und das bedeutet: jede Menge Menschen, die sich im Dezember bei zwei Grad den Arsch abfrieren, während sie "Last Christmas" auf Dauerschleife hören, nur damit du dir zwölf Tassen Glühwein auf die Portion Grünkohl mit Mettwürstchen in deinem Bauch kippen kannst.

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Wir haben einige Glühwein-Verkäufer und -Verkäuferinnen nach den schlimmsten – OK, und den lustigsten – Erfahrungen gefragt, die sie bei ihrer Arbeit auf dem Weihnachtsmarkt gemacht haben.

Dominik, 30

Dominik am Glühweinstand

"Es passiert oft, dass Leute Gläser von den Tischen klauen. Wenn wir das mitkriegen, geben wir das Pfand nicht raus. Das siehst du den Leuten schon an. Die haben ihr ganzes Zeug dabei. Du siehst, dass die auf der Straße leben. Guck dir doch mal die Preise an. Nicht mal ich leiste mir hier 'nen Glühwein. Vor ein paar Tagen hatte ich hier einen Familienvater mit mindestens zwei Promille. Der hat angefangen zu weinen, weil ihm der Becher geklaut wurde. Der hatte seine kleine Tochter an der Hand. Schlimm genug, dass er hier mit seiner Tochter saufen geht. Ich hab der Kleinen dann noch 'nen Kinderpunsch gegeben und den Typen nach Hause geschickt. Der hat nichts mehr gekriegt. Eigentlich müsste man wegen der Gäste nach sieben Stunden Feierabend haben.

Gestern hatte ich aber selber gut zu tun, um nach Hause zu kommen. Man muss trinken. Es ist kalt hier drin." [Lacht]

Leon*, 24

"Manchmal schließen sich Gäste auf dem Klo ein und kommen dann nicht mehr raus, weil sie zu viel Glühwein getrunken haben. Außerdem geht mir die Musik hier richtig krass auf den Sack. Die CD hat nur fünf Lieder und wir hören sie seit drei Wochen. Manchmal hängt die CD und dann läuft ein Lied siebenmal hintereinander."

Maren, 53

Maren am Glühweinstand

"Wir haben ein Getränk namens 'Glühfick' auf der Karte. Die Gäste bestellen aber oft 'das dritte Getränk von oben', weil sie sich schämen. Oder sie sagen: 'Ich würde gerne ficken.' Wir nehmen das aber mit Humor. Manche Männer fragen auch, was sie denn bekommen, wenn sie den 'Glühfick' bestellen. Ich sag dann immer: Den gibt's nur dienstags, weil Susi ist nur dienstags da."

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Jonathan, 21

Jonathan am Glühweinstand

"Mich nerven die saudummen und besoffenen Menschen hier. Wenn ich frage, ob sie ihr Glas zurückgeben wollen, nicken sie immer erst mal. Dann sagen sie Nein und nicken wieder. Dann frage ich, ob sie noch einen Glühwein möchten und sie sagen Ja. Irgendwann dreht man durch. Und die Musik ist sau anstrengend. Irgendwie spielen die hier jeden Tag die gleiche Playlist und ich arbeite sieben Tage die Woche. Auf Weihnachten freue ich mich trotzdem. Zum einen sehe ich dann meine Familie und zum anderen habe ich Ruhe vor den Leuten auf dem Weihnachtsmarkt.

Ich find's krass, dass viele Leute am Wochenende schon um zwölf Uhr herkommen und sich einen Glühwein mit Schuss bestellen. Die kommen dann innerhalb einer Stunde fünfmal. Hier sind viele Alkoholiker unterwegs. Wenn ich Alkoholiker wär, würde ich mich zu Hause betrinken und nicht auf dem Weihnachtsmarkt, wo mich jeder sehen kann. Zumal es hier voll teuer ist. Die Gäste wissen manchmal einfach nicht, wann genug ist. Einer hat mal besoffen sein Bier über die Theke und voll auf meine Kollegin gekippt.

Das Problem ist, dass man hier eigentlich immer freundlich bleiben muss. Mir geht es aber auf die Eier, wenn Leute nicht 'Danke' oder 'Bitte' sagen können. Dann bediene ich sie manchmal nicht. Wenn jemand nur 'Bier!' sagt, gehe ich halt zum Nächsten."

Emil, 36

"Besonders freitags und samstags ist es lustig. Dann kommen die Leute nicht, um eine Bratwurst zu essen und einen Glühwein zu trinken, sondern um vorzutrinken. Um 21 Uhr ist Ausschankstopp, das wollen die meisten natürlich nicht wahrhaben. Eine Frau sagte mal: 'Du kannst auch noch mit zu mir kommen nachher, wenn du mir jetzt noch einen Glühwein machst.' Da kommen die unmoralischsten Angebote. Manche Leute reagieren aber auch sauer und beleidigend. Einer meinte mal: 'Für deine Mutter muss man sich schämen.'

Manchmal versuchen Gäste, Tassen zu klauen, wenn ich mich umdrehe, um das Pfand zurückzubekommen. Die Leute denken immer, dass man als Glühweinverkäufer jede Stunde selbst einen Glühwein trinkt. Man muss sich aber sehr konzentrieren. Wenn man einmal falsch rausgibt, ist der Deutsche sehr schnell beleidigt."

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Sonja, 32

Sonja am Glühweinstand

"Letztens hat ein Typ damit gedroht, uns die ganze Hütte auseinanderzureißen, weil wir uns um einen Euro verrechnet hatten. Er ist total ausgerastet. Später bin ich dann aus der Hütte gegangen, um eine zu rauchen, und habe gesehen, dass er viel kleiner als ich war. Der sah aus wie ein Kind – der Aggro-Stöpsel.

Es kommen oft Studenten, die zwischen den Vorlesungen Glühwein trinken – der schnelle Mittagssnack. Ein Kunde kommt jeden morgen und ext einen Glühwein. Wir fragen uns immer, wie hitzeresistent eine Zunge sein kann. Ich glaube, der Mann ist ein fleißig arbeitender Trinker.

Einmal habe ich während der Arbeit so viel getrunken, dass ich einfach umgefallen bin, nachdem ich die Tür abgeschlossen hatte. Das war aber an einem anderen Stand. Der Boden war vereist und ich bin nicht mehr hochgekommen. Wie in so einem Comic. Es waren noch ein paar Menschen auf dem Weihnachtsmarkt und die haben dann gesagt: 'Guckt mal, da liegt das Glühwein-Mädchen.' [Lacht]. Besonders Engländer laden oft auf Shots ein – und an dem Tag waren es echt viele Shots.

Ich wurde mal von einem verheirateten Mann, der hier auf Dienstreise war, gefragt, ob ich nach Feierabend in sein Hotel kommen würde. Als ich gesagt habe, dass ich verheiratet bin, hat er gesagt, dass ich meinen Mann ja mitbringen könne. Aber im Club ist es trotzdem schlimmer als am Glühweinstand."

Marvin, 19

Marvin am Glühweinstand

"Am nervigsten sind eigentlich Leute, die alles besser wissen oder das Pfandsystem nicht verstehen."

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Elisa, 26

Elisa am Glühweinstand

"Das Schlimmste an unserem Job ist, dass man sich ständig wiederholen muss. Wir sind jetzt schon die vierte Woche hier und sagen immer noch das Gleiche wie in der ersten.

Man wird auch mal angemacht. Wenn mir aber jemand seine Nummer gibt, landet die direkt im Müll. Je frecher man ist, desto mehr Trinkgeld bekommt man."

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