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Videospiele machen intelligent, oder: Warum diese Behauptung dumm ist

Durch manche Games lernt man sein Gehirn auf eine komplett neue Weise kennen—bei anderen fühlt man sich einfach wie der größte Idiot.
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Wir haben in der Vergangenheit schon davon gesprochen, dass Videospiele besser als Sex sein können, wie Antidepressiva wirken, einen komplett wahnsinnig machen und sogar für Gamer manchmal der größte Scheiß sind. Und dann gibt es da auch noch die vielgerühmten intelligenzfördernden Eigenschaften unseres liebsten interaktiven Zeitvertreibs, der von Fans gerne heran zitiert werden, um das Gamen vor sich, ihren Lebenspartnern, dem God of War und ihrer Mama zu rechtfertigen.

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Spiele trainieren das Gehirn, fördern die kognitiven Fähigkeiten und verschlauen mehr als sie verdummen. Das stimmt wahrscheinlich. Zumindest für einige Spiele. Als jemand, der von Berufs wegen (ähem) ziemlich viel Zeit mit Zocken verbringt, bin ich mir aber ehrlich gesagt immer unsicherer, was diese Lobhudelei angeht.

The Witness, das ich sehr viel und vor kurzem auch durchgespielt habe, ist an diesem ganzen Kopfzerbrechen mitschuldig. Dieses Spiel hat mich mit einer Insel und hunderten einzelnen darauf verstreuten Monitoren konfrontiert, die immer gleich nach einem Irrgarten-Prinzip funktionieren, aber deren Bedienungsfelder jeweils auf abstrakten Bild- und Methodikrätseln voller Farben, Formen und unter Einbezug von Elementen der Spielwelt basieren.

Aber bevor ihr mit dem Kommentar-Hatey loslegt, packt eure Nerd-Knüppel wieder ein—The Witness ist echt genial. Jedes Mal, wenn man eine etwas komplexere Rätselreihe gelöst hat, fühlt man sich wie der intelligenteste Mofo dieses Planeten—inklusive Freudenausbrüchen, die bei meiner Freundin gigantisches Augenrollen zur Folge haben. Zu Recht, denn der wirklich intelligenteste Mofo ist wohl Entwickler Jonathan Blow, der nahezu im Alleingang über sieben Jahre hinweg diese Puzzles und Zusammenhänge gebastelt hat.

Nur weil man sich nach der Lösung eines Spielrätsels intelligent fühlt, muss das noch lange nicht heißen, dass das auch wirklich der Fall ist. Es ist ein bisschen wie wenn man den Ausführungen eines Genies in einem Hollywood-Film folgt und sich dabei sehr schlau fühlt—alleine der Umstand, dass man ihm so problemlos folgen kann, ist ein guter Indikator dafür, dass seine Ausführungen wahrscheinlich weniger genial und eher zielgruppengerecht auf meinen Lustgewinn beim Schauen angelegt sind.

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Dopamin-Ausschüttung ja, Stein der Weisen wohl eher nicht. Man löst schließlich nur ein vorab fertigkonzipiertes Problem, das einem in Kombination mit Regelsystemen vorgelegt wurde. Auf dieser Basis funktionieren eigentlich alle Spiele, obwohl das Ganze zugegeben auch zu viel mehr führen kann.

Bei The Witness gibt es noch einen zusätzlichen Twist, der die Gehirnwindungen zum Krafttraining animiert: Ich meine das Prinzip, dass der Spieler sich erst gewisse Denkmuster und allgemeines Verständnis, wie die Welt und die einzelnen Puzzles eigentlich funktionieren, durch Rätsel auf anderen Teilen der Insel aneignen muss.

Man muss die Regeln des Spiels herausfinden und strategisch vorgehen, und das ist wie jede Form von Problemlösung gut für den Kopf.

Man steht vor manche der quadratischen Monitore und hat nicht einmal einen annähernden Schimmer, wie die jeweilige Aufgabe zu lösen ist—auch nach mehreren Stunden des Spielens kommen diese Momente oft vor. Wenn man dann nach anderen Abenteuern zurückkehrt, sind diese unmöglich erscheinenden Konstrukte plötzlich kein Problem mehr.

Man kann sich selbst dabei beobachten, wie man immer kreativer und auch tatsächlich intelligenter mit den komplexer werdenden Aufgabenstellungen umgeht. Das ist doch eigentlich ein messbarer Zugewinn an Denkleistung—oder an paranoider Schizophrenie, wenn ich mein für das Spiel verbrauchtes Notizbuch, die Zeichnungen und ausgeschnittenen Denkhilfen so ansehe.

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Nach einigen Wochen The Witness—irgendwo zwischen Tetris und paranoider Schizophrenie

Der US-amerikanische Professor für Linguistik und Psychosoziologie, James Paul Gee, nennt das Ganze „fluide Intelligenz" und sagt: „Man muss die Regeln des Spiels herausfinden und strategisch vorgehen—das ist wie jede Form von Problemlösung gut für den Kopf."

Ich glaube ja fest daran, dass philosophisch angehauchte Puzzle-Games wie The Witness oder auch The Talos Principle helfen könnten, kommende Generationen zu superintelligenten Telekinetikern mit riesigen pulsierenden Gehirnen zu machen. Realistisch betrachtet interessieren Kids solche Spiele natürlich nicht wirklich und sie werden alle auf Snapchat verkümmern.

Aber wenigstens die älteren Millenials kommen in den Genuss, abstraktes Raumverständnis, logisches Denken und Fähigkeiten zur Problemlösung zu erweitern. Auch die Geschichte—die ich selber immer ein bisschen für ein PR-Märchen der Studios gehalten habe—, dass Videospieler bessere Hand-Augen-Koordination und motorische Fähigkeiten besitzen, ist durch mehrere Studien belegt.

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Das oberflächlich als Ego-Shooter getarnte Superhot würde ich auch als eines dieser Rätselspiele—für eine bessere Welt—einstufen. Einzelne bildschirmfüllende Worte schreien dir in All Caps und stilistisch-epileptisch wie ein Gaspar Noé-Film die einfachen Regeln der Spielwelt und deren Physik ins Gesicht: Die Zeit bewegt sich nur voran, wenn du dich bewegst!

So wird in den Levels, die optisch einen wunderbaren Cocktail aus Rasenmähermann, Matrix und Tron ergeben, aus der simplen Aufgabe, eine Pistole aufzuheben, plötzlich ein hakenschlagendes, taktisches Töten in kurzen, wohl überlegten Bewegungsimpulsen. Jede kleine Kopfbewegung kann schon zu viel sein! So plant man also jedes Level Schritt für Schritt durch, wie zuhause den Weg zum Klo, mitten in der Nacht, wenn man verschlafen die Augen nicht aufmachen will, aber am Tag davor Möbel umgestellt wurden.

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Das ganze Umfeld in Superhot und jedes Objekt in Reichweite werden Teil des Schnell-langsam-Tanzes, in dem ich alle roten Kristallgegner in gesprengte Scherbenwolken aufgehen lassen möchte. Hier gibt es hunderte Lösungswege und Szenarien, wie man ein Level bewältigen kann. Die Herausforderung der „Raumrätsel" ist also viel flexibler und dynamischer.

Dieses unmittelbare und dadurch verdammt immersive Gameplay hat oft zur Folge, dass ich bei einem Treffer der Gegner komplett von der Tastatur weg schrecke, den Kopf zur Seite werfend. Ich versuche auszuweichen. Das hatte ich seit ungefähr 20 Jahren nicht mehr, als ich mich als Knirps beim ersten Doom vor Feuerbällen geduckt habe.

Mich hat Superhot letztens sogar nach nur ein oder zwei Stunden geistig so sehr eingenommen, dass ich ernsthaft in Slow-Motion-Pausen gedacht und geschrieben habe. Ich merkte, dass ich in der selben Rhythmik des Spiels konditioniert den Atem anhielt: „Wenn ich mich nicht bewege, ist die ganze Welt im Stillstand." Sakra, zum Glück ist mir das nicht geblieben.

Manchen ging es auch bei The Witness ähnlich: Nach der 50. Spiel-Session erkennt man plötzlich am Weg zum Bus die vom Spiel vertrauten Vektoren und geometrischen Zusammenhänge in den Verkehrszeichen—und auch sonst überall. Vereinfacht gesagt: Es ist, wie wenn sich die GTA-Minimap in die Netzhaut einbrennt, dass man sie noch bei geschlossenen Augen sieht—nur in Bezug auf Denkstrukturen. Ich gebe es zu, ich habe auch von den verzwickten Labyrinthen und den leuchtenden Linien aus The Witness geträumt.

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Es ist, wie wenn sich die GTA-Minimap in die Netzhaut einbrennt, sodass man sie noch bei geschlossen Augen sieht.

Spiele wie Superhot können also ziemlichen Eindruck auf den menschlichen Geist hinterlassen. Das Um-die-Ecke-Denken, das Vorausberechnen und die ganzen hypothetischen Bewegungsabläufe gehen über ins Alltagshirn.

Da stellt sich jetzt natürlich die leicht konservativ klingende Frage: Wo hört der Spaß denn auf? Noch so eine vermeintliche urbane Legende, der Realitätsverlust bei zu viel Videospielkonsum, ist in China ein ziemlich großes und immer öfter diagnostiziertes Problem bei Jungendlichen. Auch in Amerika und Europa verbringen durchschnittliche Zehnjährige 6 bis 8 Stunden vor Bildschirmen. Das ist natürlich kein bloßes Problem von Gamern oder eines, das nur Kinder betrifft.

Probiert mal, einfach über den Daumen zu rechnen, wie viel Zeit ihr letzte Woche vor dem Bildschirm verbracht habt und wie viel in einem Park—und das Instagram-Bild von dem lieben Eichhörnchen zählt auch als Bildschirmzeit!

Motherboard: Ein Tag in Chinas härtester Entzugsklinik für Internetsüchtige

Das neue Tom Clancy's The Division ist im Vergleich relativ schwierig zu bewerten, was seinen „intellektuellen Anspruch" betrifft. Im Namen des bereits zweieinhalb Jahre toten Tom Clancy kommen immer noch ziemlich geile Videospiel-Blockbuster heraus. Zu Lebenszeiten hatte der als ein rechter Militärschädel abgeschriebene Autor einmal gesagt: „The difference between fiction and reality? Fiction has to make sense."

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The Division hat diesen Leitgedanken in Form von Detailliebe bei der fiktiven Weltbildung optisch auf jeden Fall umgesetzt. Grafik, so dermaßen schön, dass man sich beim Schusswechsel schon mal im hypnotischen Flügelschlag einer vorbei gleitenden Taube verlieren kann—was deinen Stats nicht unbedingt zuträglich ist.

Nach einiger Zeit mit dem Spiel scheint es, als ob sich die erzkonservativen Ideologien von Tom Clancy in den Plünderern manifestiert haben, die ausschließlich in Hoodies vermummt sind und ungeschickt Gang-Gewalt repräsentieren sollen. Vielleicht ist es nur mein zynisches Gehirn, aber das weckt schon unschöne Assoziationen zum Fall von Trayvon Martin. Egal, es ist wunderschön!

Bisschen komisch war es auch, dass wirklich niemand bis zur Veröffentlichung Testmuster des Spiels bekommen hat, aber sehen wir das einfach mal ganz blauäugig als einen Tech-Umstand oder als Strategie zur Spannungserhöhung.

The Division ist eigentlich wie ein besseres Destiny—„The Endless Grind"— und diesen Vergleich haben die Entwickler sogar selber aufgebracht. Der Spieler trifft auf ein vertrautes postapokalyptisches Setting, dieses Mal in New York, das aufgrund von virenverseuchtem Geld, das direkt am fettesten Einkaufstag Black Friday nach Thanksgiving in Umlauf gebracht wurde, abgeriegelt wurde.

Nur die Spezialeinheit „Division" kann Manhattan retten; die Stadt, in der niemals ein Auto fährt. In Form von Multiplayer-Cliquen kämpfst du um jeden Meter des waffennärrischen Survival-Spielplatzes. Und das ist wahrscheinlich der Ansatz, der The Division in der Frage „Machen Spiele intelligent?" relevant macht.

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Junge Menschen, die vermehrt Videospiele spielen, weisen bessere soziale und intellektuelle Fähigkeiten auf als Nichtspieler.

Eine wissenschaftliche Studie aus 2016, veröffentlicht in der Februar-Ausgabe von Social Psychiatry and Psychiatric Epidemiology, macht eine ziemlich klare Ansage, die eingefleischter Kritik an Gaming widerspricht: „Junge Menschen, die vermehrt Videospiele spielen, weisen bessere soziale und intellektuelle Fähigkeiten auf als Nichtspieler."

Es wäre übereilt, diese Studie nun der Mama als Totschlagargument um die Ohren zu hauen: „Oida, Minecraft macht mich zum Supergenie!" Man könnte bei dieser Statistik auch von einem Trugschluss ausgehen —vielleicht fühlen sich begabte, intelligente Menschen einfach eher zu Videospielen hingezogen, als dass die Spiele selbst zu erhöhter Intelligenz führen. Aber ich lege mich sicher nicht mit psychiatrischen Statistikern an.

Der Punkt ist, dass gerade soziale Intelligenz in einem Spiel wie The Division zum Ausdruck kommen kann und gefördert wird. Es ist sicherlich herausfordernd, fließend zwischen kleinen Koops aus realen Menschengruppen zu wechseln, mit Personen aus Ländern, deren Sprache man nicht annähernd kennt, in interaktiven Arenen strategisch zu arbeiten und einander dabei zu unterstützen.

The Division wird sicherlich eines dieser Spiele, in dem sich die Fans komplett verlieren und, auch wenn es das Teamspeak mit cholerischen Fuck-Schreiern vielleicht nicht immer möglich erscheinen lässt, auf dem Multiplayer-Spielplatz Manhattans soziale Skills lernen werden—und wie eine AK-47 in ihren Einzelteilen aussieht.

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Wenn ich meiner Paranoia freien Lauf lasse—oder meiner Liebe für 80er-Filme wie WarGames—, stelle ich mir vor, wie militärische Institutionen unsere ganzen taktischen Spielinformationen farmen. Wir programmieren quasi die Kriegsmaschinerie von morgen, ohne es zu merken!!!EINS11!!

Manchmal frage ich mich, was sich mein Vater damals gedacht haben muss, als ich ihm das programmierte Venedig von Assassin's Creed II gezeigt habe. Und wie würde meine Oma heute auf South Parks RPG-Battles mit Nazikühen reagieren—oder auf die Unterwäschezwerge samt Randys schwingenden Hoden?

Überhaupt, die Unmengen an blutigen Massakern, unheiligen Nintendo-Kreaturen, und absurden Weltkriegsszenarien müssen auf Menschen ohne eine Ahnung von Videospielen unglaublich befremdlich wirken—wie eine völlig neue Realitätsebene. Genauso ist es mir bei Plants vs. Zombies: Garden Warfare 2 gegangen—und ich hatte eigentlich schon das eine oder andere Game vor mir.

Was ist aus dem lieben Mobilspiel mit dem Tower Defense-Twist geworden, das tagtäglich tausende Kinder auf Autorück- und Flugzeugsitzen hinter mir ruhig gestellt hat?! Wie bei einem alten Eremiten werden meine Augen langsam zu skeptischen Schlitzen, wenn ein als Pirat verkleideter Zombie von einer muskulösen Orange mit Sonnenbrillen, Ziegenbärtchen und Laserkanone in Zeitlupe erschossen wird.

PVYGW2 ist nichts für mich und es ist schön zu sehen, dass man Entwicklungen im Videospielsektor komplett verpassen kann und das auch komplett in Ordnung ist. Für mich ist dieses Spiel ein gutes Beispiel für dumme Videospiele—genau wie es ein engstirniger Mensch gegenüber Dingen, die er nicht kennt, immer behaupten wird.

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Wenn man nämlich objektiv bleibt und die breiten Möglichkeiten des überreizenden Gameplays betrachtet, erkennt man einige strukturiertes Denken fördernde Elemente. Man kann die Figuren nach eigenen Vorstellungen ausstatten, mit gewissen Fähigkeiten, Waffen oder auch rein kosmetischen Attributen.

Das Prinzip ist ein sogenannter Skill Tree, der bei Spielen wie Diablo noch viel komplexer aussieht. Da ohnehin hauptsächlich Kinder das neueste Plants vs. Zombies besitzen, passt das auch. Was sie bei der Aufteilung von Fähigkeitspunkten auf die Charaktere lernen, ist ein Gefühl und ein Auge für Zahlen, gutes Schätzen, kleinteiliges Kopfrechnen und wie man mathematisch strukturierte Balance hält. So werden die Kleinen perfekt auf die Excel-Spreadsheets der Zukunft vorbereitet—klingt nicht wirklich nach „schlau", aber auch nicht unpraktisch.

Das Problem bei dem Pflanzenzombie-Schwachsinn und vielen anderen Videospielen, ist die oft eintretende Monotonie der Missionen, die sich in ihren Abläufen wiederholen. Die Herausforderung besteht dann mehr darin, nach dem hundertsten gleichen Bewegungsablauf samt der selben Belohnungsanimation nicht den Controller zu zerbeißen. Monotonie? Wieso muss ich da jetzt plötzlich an Far Cry Primal denken?

Das Spiel hatte einen sehr coolen Grundgedanken. Da fällt mir der Zugang von Mad Max: Fury Road ein, der ja extrem genial war: Wir nehmen einfach die besten Elemente der Vorgängerfilme und implementieren sie neu in Reinform—das hieß, viele verrückte Vehikel-Pimpereien, mit Haushaltsgeräten geschmückte Krieger und Verfolgungsjagden.

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Das gleiche Prinzip trifft bei Far Cry Primal zu. In Teil 3 und Teil 4 habe ich eine verbotene Liebe zu dem Pfeil und Bogen mit dem Laservisier entwickelt. Und ich gebe zu, für das eine oder andere Tierfell in der abgelegenen Region gerne mal die Hauptmissionen hinten angestellt zu haben. Genau das ist so ziemlich alles, was man in Primal tut!

Was in diesem Spiel vielmehr trainiert wird, sind Empathie und eine Form von moralischer Intelligenz. Die Ubisoft-Storylines gehen auf ihre saubrutale Art und Weise mit den ganzen psychotischen Gegnern oft ziemlich nahe. Und bei wem hat das Treffen auf Sayla am Anfang von Primal nicht einen Beschützerinstinkt aktiviert?

Gaming kann einem Menschen Humanismus und ein gewisses ethisches Denken näher bringen, wie dieser Artikel des Independent beschreibt. Besonders der bereits erwähnte Mehrspieler-Modus fördert schließlich sozial-empathisches Denken—der Sprung vom Gildenanführer zum Klassensprecher oder Team-Leader ist ja im Prinzip nicht weit.

Ich persönlich fand das Spiel dann doch leider ein wenig langweilig und eine verpasste Chance, gerade wenn man an Far Cry: Blood Dragon vom wahnsinnigen Dean Evans denkt, der Erzählungen von Kollegen nach seinen Flatulenzen immer gerne freien Lauf ließ. Bei Primal wäre noch mehr gegangen oder besser, mehr Neues.

Wenn der menschliche Geist wirklich anspruchslose Unterhaltung bevorzugen würde, dann hätten Videospiele über die letzten 30 Jahre hinweg immer simpler werden müssen.

Normalerweise liebe ich Ubisofts repetitive Aufgabenstellungen und die Tatsache, dass ich nebenbei ganze Staffeln 2000er Serien schauen kann, aber dieses Mal bin ich nicht in das sich wiederholende Gameplay-Mantra reingekippt. Gut, ich habe ein wenig das Verlangen entwickelt, auf indogermanisch zu fluchen, während ich ein Mammut durch ein Menschenfresserdorf reite.

Ob wirklich neue Bereiche des Gehirns aufflackern, wenn du zum 1.000 Mal im Tunnelblick jemandem einen Speer in die Nieren wirfst, ist fraglich. Aber: Wenig Innovation in den Spielabläufen heißt ja nicht zwingend dumm. Monotonie kann ja in seiner Bewältigung auch herausfordernd sein. Dumm ist was anderes.

In seinem Buch Everything Bad is Good for You: How Today's Popular Culture Is Actually Making Us Smarter bringt Steven Johnson es wunderschön auf den Punkt: „Wenn der menschliche Geist wirklich anspruchslose Unterhaltung bevorzugen würde, dann hätten Videospiele über die letzten 30 Jahre hinweg immer simpler werden müssen. Wie ein Halbgott würden wir ohne komplexe Herausforderungen einfach durch die Welten fliegen."

Sicher, es gibt Videospiele mit Fasttravel, erwerbbaren Spielständen, Tipps-Systemen und Microtransactions. Der moderne Mensch spielt und will gleichzeitig weniger Zeit mit Spielen verbringen. Aber eben, The Witness, Dark Souls und tausende abstrakte Indie-Games auf Steam erzählen zum Glück eine ganz andere Geschichte.

Ehrlich gesagt, wenn man wie ich Sudoku oder höhere Arithmetik nicht checkt, wird auch das tollste Rätselspiel oder das komplexeste RPG daran nichts ändern. Auch die Gedächtnislücken werden durch das beste Erfolgserlebnis bei einem schweren Puzzle nicht weniger.

Keiner sollte sich durch die Informationen und Aussagen in diesem Artikel bestätigt fühlen, dass der 3-Tage-Marathon mit WoW oder DOTA II völlig OK ist, weil super Hirn-Training und so. Das wäre wirklich sehr, sehr dumm.

Geistige Fitness ist wahrscheinlich wie die körperliche. Bleib in Bewegung und konzentrier dich nicht nur auf den einen Bizeps. Kümmern wir uns auch um den Rest. Das Game mit den süchtig machenden Raumrätseln ist super, aber so ein Standard-Kreuzworträtsel gibt es ja auch noch—oder das betrunkene Prüfen der hohen Barrechnung, die erste Steuererklärung oder das Buch von diesem alten Russen. Dazwischen geht auch mal ein Michael Bay-Film zur intellektuellen Entspannung.

Josef auf Twitter: @theZeffo