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Bis so guet

Wie man einen Hund zum Kotzen bringt

Dass ein Vormittag beim Tierarzt deutlich mehr als abgeschnittene Krallen von Meerschweinchen mit sich bringen kann, hat dieser Besuch mehr als bestätigt.

Foto von Nils G

Neulich fand ich mich beim Tierarzt wieder. Zwischen den Damen und Herren, die heiss über Hundeaquatraining und Geflügelanteile in Katzenfutter debattierten, sass eine junge Frau mit zwei Hunden. Sie wirkte ziemlich nervös, was mich verwunderte, da ihre Vierbeiner eigentlich sehr gesund wirkten.

Also sprach ich sie an und erkundigte mich, weshalb die drei denn vor Ort seien. „Eigentlich nur zur Kontrolle“, antwortete sie. Der eine Hund, Pepper, ein Golden Retriever, sei schon etwas älter und habe leichte Herzprobleme. Allerdings, gestand sie mir, habe ihr Zweithund, ein Cockerpudel namens Amie (Cockerpudel sind Allergikerhunde) heute Morgen eine ganze Tüte Schokobons samt Papier verdrückt. Das sei allerdings kein Problem für Amie, immerhin habe sie auch Ostern überstanden.

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Die junge Dame, die im übrigen Luisa heisst, hatte Sorge, dass sie am Ende vor dem Tierarzt als RTL 2-Messie-Hundemutter dastehen könnte. Deshalb beschloss sie, dem Tierarzt dieses nahrhafte Mahl von Amie, dem Allergikerhund, zu verschweigen.

Jens Olaf Walter

Schließlich waren Luisa und ihre Vierbeiner an der Reihe. Eine Viertelstunde später kamen die drei aus dem Behandlungszimmer und wirkten sichtlich erleichtert. Luisa nickte mir noch einmal zu, dann verliess das Trio die Praxis. Ich konzentrierte mich wieder auf die Gespräche über Wellensittich-Physiotherapie.

Nach kaum fünf Minuten stand Luisa mit hochrotem Kopf und Amie-Allergikerhund im Arm wieder in der Praxis.„Hilfe, ein Notfall!“ plärrte sie. „Amie hat fünf Herztabletten von Pepper gegessen“. Oh, dachte ich mir da. Wenn mein 10-Kilo-Hund fünf Herztabletten, die für einen Golden Retriever dosiert sind, gegessen hätte, würde auch ich sämtliche RTL 2-Klischee-Ängste ablegen.

Foto von Aih

Zum Glück waren alle anderen Tierbesitzer kulant und liessen Luisa und ihren Notfall vor. Nach wenigen Minuten ging die Tür zum Behandlungszimmer wieder auf. Der Tierarzt, Luisa und Amie verliessen den Raum gemeinsam. Amie allerdings schien leicht wackelig auf den Beinen zu sein.

Sie torkelte. „Und wie steht es um Amie? Wird sie überleben?“, fragte eine ältere Dame mit einem Bastkorb auf dem Schoss, in dem eine fette Katze schlief. „Ich denke, ja“, antwortete der Tierarzt. „Und wieso torkelt Amie dann so?“, entgegnete die Katzenfrau. Da grinste der Tierarzt schadenfroh und erklärte, dass er Amie gerade Augentropfen verabreicht habe, die dafür sorgen würden, dass dem Hund schwindelig werde, was wiederum einen ungemeinen Brechreiz zur Folge habe. Deshalb müsse man jetzt auch schnell vor die Tür gehen, damit Amie nicht die ganze Bude vollreiert.

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Foto von Olivia Petzold

Während der Tierarzt sprach, schaute Luisa beschämt auf den Boden. Da war ja noch was in Amies Magen… Doch für Erklärungen blieb keine Zeit mehr, Amie hielt sich quasi schon die Pfote vors Maul. Also wankten Luisa und Amie in Richtung Ausgang, der Tierarzt und ich hinterher. Das Spektakel wollten wir uns nicht entgehen lassen. Kaum standen wir vor der Tür, ging es auch schon los.

Allergiker-Amie kotzte braune Sauce, fünf Tabletten und jede Menge Schokobon-Papier. Ich musste jetzt lachen, Luisa sprach Amie Mut zu und der Tierarzt schaute irritiert auf Amies Erbrochenes.  „Was sind Sie eigentlich für ein Hundehalter?“ Die glotzte ihn nur peinlich berührt an.

Auf diese Frage, mit einem Hund, der rund 20 Schokobon-Hüllen und fünf stark dosierte Herztabletten im Magen hat, gibt es einfach keine gute Antwort. Nach fünf Minuten war die Party zu Ende und Amie ging es sichtlich besser. Der Tierarzt ging wieder in seine Praxis, um eine Rechnung über wahrscheinlich 500 Euro für einmal Kotzen zu schreiben. Luisa und Amie gingen zum Auto. Und ich freute mich, dass Amie kein chinesisches Essen erwischt hatte. Wir wissen ja alle, wie das mit Reis ist.

Kotzen oder auch nicht können wir selbstverständlich wieder dieses Wochenende:

Heute starten wir in den dunkeln Tiefen von Belarus mit A Belarusian Dream im Kino Reitschule. Dann geben wir uns richtig brachialen Oldschool Punk direkt aus Brasilien: Os Replicantes im Hirscheneck. Und zum Schluss gehen wir ans Saisonfinale von Kurz und Knapp im Royal Baden.

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Morgen gibt es ganz kaputte elektronische Musik oder wie man das auch immer nennen mag von Sudden Infant im Bad Bonn. Oder ganz kaputten Casino Carneval im Wifag. Bevor wir total kaputt gehen, tanken wir ein wenig unlimitert jovialen Jugendaktionismus mit Tankstelle Theater im Südpol. Und Ohne Achtsamkeit beachte ich alles. Robert Walser und die bildende Kunst im Kunstmuseum Aarau. Ganz unten angekommen, bereit loszulassen und alles zu vergessen, lassen wir alles raus, was noch da ist und geben uns Wankelmut im Salzhaus, [10 Years Icarus Records](http:// http://www.kraftfeld.ch/programm.htm) im Kraftfeld und Flimmerschimmer im La Catrina.

Am Samstag, kurz vor dem dem grellen, zermartenden Erwachen, bleibt uns nichts, als zu träumen: Dream Machine im Co-Labor. Oder Bruchstücke. Fragmente im Kauzig. Ganz ganz ganz kaputt, das Schlimmste, Schlechteste, was man sich an diesem Punkt noch vorstellen kann: Worst Case Szenarios im Palace, eine Liste der schlechtesten Literatur der Gegenwart. Wir brauchen Halt, wollen Stabilität, sehnen uns nach Sicherheit, nach unerschütterlichen Grundfesten. [Grundton](http:// http://www.hiveclub.ch/programm/programmdetails/index.html?id=23645) im Hive. Und einen kleinen Lichtblick am Horizont. Einen Gegenvorschlag zur Degeneration, ein Experiment zum Anderssein, eine Schaubühne der Selbstverständigung: Das Eröffnungsfest Oh Markt, No Markt im Theater Neumarkt.

Sonntags machen wir nicht viel. Oder wir gehen an die Ausstellung Polaroid im Museum für Gestaltung.

Montags üben wir etwas Feinmotorik und gehen zu Frau Ping in die Rampe.

Am Dienstag starten wir multimedial (aber geiler) in der Grabenhalle, farbenfroh am Kleiderdienstag im Nordbrüggli oder versoffen pessimistisch im Cabaret Voltaire beim Am I sick of my brain and my ideas; Neuroscience and Self-Knowledge.

Und den Mittwoch nehmen wir uns, um unsere Grossmütter, Tanten und Cousinen anzurufen oder ihnen ein nettes Postkärtchen zu schreiben, ihr faulen Säcke!