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Ist die katholische Kirche mittlerweile ein reines Satireprojekt?

Frauen, die abgetrieben haben, können nun doch Absolution erhalten—allerdings nur bis Ende nächsten Jahres. Will uns der Vatikan eigentlich komplett verarschen?
Foto: imago/ZUMA Press

Abtreibung ist eine unverzeihliche Sünde, zumindest im Katholizismus. Nicht mal durch erbittertes Beichten konnten sich Frauen bisher die Absolution Gottes erhoffen; eine Sache, die Papst Franziskus, der für Vatikanverhältnisse sowieso ziemlich weltoffen und proaktiv agiert, nun ändern möchte. Alle Priester sollen die Erlaubnis erhalten, reuige Christinnen von ihrer ehemals unverzeihlichen Sünde freizusprechen%E2%80%94allerdings)—allerdings nur zwischen dem 8. Dezember 2015 und dem 20. November 2016, dem „heiligen Jahr", dem „Jubiläum der Barmherzigkeit". Solltet ihr, liebe Frauen, also ungestraft abtreiben wollen, legt eure ungewollten Schwangerschaften und Vergewaltigungen doch einfach in dieses Zeitfenster.

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Lassen wir kurz die wirklich offensichtlichen Fragen beiseite wie „Warum beginnt das Jahr der Barmherzigkeit Anfang Dezember?" oder „Mit wem genau muss Papst Franziskus sich kurzschließen, um so was beschließen zu können?" (wahrscheinlich Gott). Fragen wir uns: Gibt es auf Seiten der Kirche irgendjemanden—und sei es die heilige Putzkraft im Petersdom—, der ab und an innehält und sagt: Moment mal, das ergibt doch jetzt gar keinen Sinn?

Religionen im Allgemeinen neigen dazu, den Bullshit-Radar gerne mal ordentlich ausschlagen zu lassen. Das Christentum ist da mit jungfräulicher Empfängnis, Wiederauferstehungsstorys und sprechenden Schlangen keine Ausnahme—wenngleich natürlich immer wieder bekräftigt wird, dass es sich bei der Bibel primär um eine Sammlung von Bildern und Vergleichen handelt, die die moralischen und religiösen Grundsätze verdeutlichen sollen. Fair enough. Nun ist die Veröffentlichung des wohl bekanntesten Buches der Welt schon etwas länger her und seit Jahrhunderten nicht mehr zeitgemäß. Deswegen könnte man sagen: Wenn insbesondere der Katholizismus im Jahr 2015 noch irgendeine gesellschaftliche Relevanz haben möchte, muss er sich auch an die aktuellen gesellschaftlichen Umstände anpassen.

Damit tut sich insbesondere die katholische Kirche unfassbar schwer, die sich in den letzten Jahren nicht zu schade war, sich auch in Regionen, in denen AIDS große Teile der Bevölkerung tötet, gegen die Benutzung von Kondomen auszusprechen oder nach wie vor der festen Überzeugung ist, dass es sich bei Homosexualität um etwas Abartiges, nicht Gottgewolltes handelt. Das ist falsch, nicht zeitgemäß und je nachdem, wer diese Weltanschauung übernimmt, auch ziemlich gefährlich. Immerhin war die Kirche in ihrer stetigen Rückgewandheit und der absoluten Weigerung, im 21. Jahrhundert angekommen, konsequent. „Die machen das ja nicht mutwillig, weil sie Leute abfucken möchten", konnte man sich da irgendwie noch sagen. „Die wissen es einfach nicht besser, weil sie sich sklavisch an ihre Interpretation von irgendetwas halten, was vor Tausenden von Jahren aufgeschrieben wurde."

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Munchies: Auch irgendwie ein religiöses Erlebnis–dieser Salat aus Halloumi, Minze, Wassermelonen und Absinth.

Wenn der Vatikan seine Keine-Abtreibung-Politik jetzt allerdings für die Dauer von einem Jahr lockert, zeigt er, dass er sehr wohl weiß, was richtig ist. Papst Franziskus selbst äußerte in einer offiziellen Mitteilung, dass er sich durchaus bewusst sei, dass viele Frauen eine solche Entscheidung nicht leichtfertig treffen würden und es sich dabei um ein „existentielles und moralisches Drama" handle. Warum göttliche Vergebung dann nur für einen exakt bestimmten Zeitraum erlangt werden darf, bleibt wohl das Geheimnis der wohl pompösesten Sekte der Welt.

Wer Nächstenliebe predigt, kann nicht gleichzeitig jeden verdammen, der nicht dem christlichen Wunschbild des heterosexuellen, kinderreichen Ehepaars entspricht. Sonst muss er sich nämlich nicht wundern, dass jede neue Kundgebung aus dem Vatikan klingt, als hätte sie sich der Postillon ausgedacht.


Titelfoto: imago/ZUMA Press