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Kalifornien brennt—und wie Gefängnisinsassen versuchen, es zu retten

Das Naturschutz-Camp-Programm beschäftigt etwa 4.200 Straftäter aus Kaliforniens notorisch überfüllten und gefährlichen Gefängnissen, die in 42 Camps in ländlichen Gebieten gegen Waldbrände kämpfen.

Fotos by James Pogue, Kollagen von Winston Smith

Justin hat auf schuldig plädiert und hatte noch nie vom Naturschutz-Camp-Programm gehört, als er und seine Frau Kelly in Fresno in Kalifornien wegen großangelegten Hypothekenbetrugs verurteilt wurden.

„Sie kamen in Straßenkleidung in den Gerichtssaal“, hieß es im lokalen Tochtersender von ABC über die Anhörung, in der Justin zu fast zehn Jahren Gefängnis verurteilt wurde. „Aber sie verließen den Saal in Handschellen.“

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Als ich ihn im August traf, trug Justin—der mich bat, seinen Nachnamen nicht zu nennen—einen orangefarbenen Sträflingsanzug, obwohl wir fünfzig Kilometer vom nächsten Gefängnis entfernt waren. Er saß an einem langen Plastikesstisch in der Einsatzleitung der Feuerwehrbasis von Tuolumne, in dem es hoch herging. Die Station liegt in einem Park im Zentrum der kleinen Stadt am Rande des Stanislaus National Forest in der westlichen Sierra von Kalifornien.

Ein Drittel des Platzes der Basis nahmen die weißen Zelte ein, die nicht größer als Traktorschuppen waren und jeweils 32 Männer beherbergten. Die restliche Basis diente als Einsatzzentrum und Unterkunft für Tausende von Feuerwehrmännern und Hilfspersonal, die versuchten, das Rim Fire in Schach zu halten, das nur wenige Kilometer von unserem Standpunkt entfernt sein Unwesen in den Wipfeln des Stanislaus National Forest und im Yosemite Nationalpark trieb. Auf der schmalen Straße parkten fünf Feuerwehrwagen—eine Vorsichtsmaßnahme für den Ernstfall, falls das Feuer einen nahegelegenen Canyon überwinden und in die Stadt gerollt kommen sollte. Der Rauch war so dicht, dass er mir in den Augen brannte. „Meine Töchter wissen, dass ihre Eltern im Gefängnis sind“, sagte Justin. „Aber wenn du sie fragst, sagen sie: ‚Daddy ist Feuerwehrmann.‘“

Justin macht beim kalifornischen Naturschutz-Camp-Programm mit, einem großangelegten, aber wenig bekannten Gemeinschaftsprojekt des kalifornischen Ministeriums für Besserung und Wiedereingliederung einerseits und Cal Fire, der staatlichen Agentur zur Feuerbekämpfung, andererseits. Das Programm wurde bereits 1946 ins Leben gerufen und beschäftigt etwa 4.200 Straftäter aus Kaliforniens notorisch überfüllten und gefährlichen Gefängnissen, die auf 42 Camps in ländlichen, von Feuer bedrohten Gebieten von der Grenze zu Oregon bis San Diego verteilt werden. Da Cal Fire nur etwa 4.700 Vollzeitangestellte beschäftigt, machen Teams wie das, in dem Justin arbeitet, einen Großteil der staatlichen Feuerwehrbelegschaft aus. Die Häftlinge leisten ihre Haftstrafe die meiste Zeit des Jahres über in den Camps ab, bauen Parks und verrichten andere sinnvolle Arbeiten. Doch wenn ein Feuer ausbricht, werden sie abgezogen und wohnen in einer Einsatzzentrale, bis die Feuersbrunst unter Kontrolle ist.

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Don Camp betrachtet eine Gruppe von brennenden Zuckerkiefern.

Der Großteil der sogenannten Hand Crews—Teams, die den schwersten und gefährlichsten Teil der Feuerwehrarbeit übernehmen—rekrutiert sich aus Häftlingen: Sie gehen tief in die brennenden Wälder hinein, in die Feuerwehrwagen und Bulldozer nicht vordringen können. Dort schlagen sie mithilfe von Kettensägen und Handwerkzeugen eine sogenannte Brandschneise, einen Graben, vor dem das Feuer im günstigsten Fall Halt macht. Teams, die solche Arbeit für die Bundesregierung verrichten, werden auch „Hotshots“ genannt und als Helden verehrt.

Große Wildfeuer kommen im Westen immer häufiger vor. Besonders in Kaliforniens Wäldern und Wüstengebieten, wo viele Menschen in ländlichen Gegenden und außerhalb der Städte leben, sind sie ein Problem. Diese Kombination kann leicht zu Katastrophen führen, wie der in Cal Fire-Kreisen als „Feuersturm von 2003“ bekannten Feuerkatastrophe in Südkalifornien: 14 Wildfeuer, 3.000 km² verbranntes Land, 3710 zerstörte Wohnhäuser, eine Milliarde Dollar Schaden und 24 Tote, in einem einzigen Sommer.

Auf der anderen Seite haben Haushaltskürzungen das staatliche Strafvollzugssystem an den Rand der steuerlichen und moralischen Zumutbarkeit gebracht. Die Ausgaben für Gefängnisse sind seit 1980 um 486 Prozent gestiegen und inzwischen steht das System unter staatlicher Zwangsverwaltung, nachdem mehrfach gerichtlich befunden wurde, dass die Überfüllung der Gefängnisse eine grausame und unangemessene Bestrafung darstellt. Doch Kalifornien war schon immer für seinen Erfindungsreichtum und seine schnellen Lösungen bekannt. Als ich zum ersten Mal von dem Naturschutz-Camp-Programm hörte, war ich ziemlich angetan von dem typisch kalifornischen Ansatz, zwei Probleme des Bundesstaates, die charakteristisch für das 21. Jahrhundert sind, gemeinsam anzugehen: Es bedient sich eines Übermaßes an Gefangenen, um die übermäßigen Wildfeuer in Schach zu halten.

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Kürzlich bin ich, um mich neu zu orientieren, nach Kalifornien gezogen, und entwickelte ein—zugegebenermaßen wenig verbreitetes—Interesse dafür, wie der Staat seine diversen politischen und ökologischen Katastrophen angeht. Und als das Rim Fire an einem der schönsten Plätze der Welt ausbrach, wurde dieses Interesse zur wahren Obsession. Es wurde nach dem Aussichtspunkt „Rim of the World“ abseits des Highway 120 benannt, in dessen Nähe das illegale Lagerfeuer eines Jägers im August außer Kontrolle geraten war. Ohne auf einen Auftrag von einer Zeitschrift zu warten und ohne auch nur die Bestätigung zu haben, dass ich mit den Häftlingen würde sprechen und das Feuer würde sehen dürfen, lud ich meinen Transporter voll und fuhr in die Sierra.

Als ich in Tuolumne City ankam, hatte sich das Feuer bereits in atemberaubendem Tempo ausgebreitet und in 120- bis 200-km²-Sprüngen über die Baumkronen fortgepflanzt—Wellen aus Flammen, die durch das Blätterdach rissen. Ein Feuer auf einer 200 km² großen Fläche allein wird vom amerikanischen Forstdienst schon als „Großschadensereignis“ bezeichnet. Beim Rim Fire sind schließlich insgesamt mehr als 1.000 km² verbrannt, was es zum drittgrößten Feuer in der gesamten Geschichte Kaliforniens macht. Ökologen, die diesen Bereich der westlichen Sierra überwachen, bezeichnen es bereits als den „Großen Brand“.

Ein Häftling bekommt in der Einsatzleitung von Tuolumne City Zöpfe geflochten.

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Ich war von Los Angeles hergefahren und telefonierte von einem LKW-Rastplatz in Modesto aus mit einem Lieutenant des Ministeriums für Besserung und Wiedereingliederung namens Dave Fish, dem Commander von Baseline, einem Wohncamp für Häftlinge. Er murmelte vor sich hin, erlaubte mir aber, vorbeizukommen.

Als ich dort ankam, kämpften gerade 623 Häftlinge gegen das Feuer. Die meisten von ihnen übernachteten in den weißen Zelten auf der Basis der Einsatzzentrale, aber Leutnant Fish hatte mehrere Teams von je 17 Mann im Baseline-Camp, nur 30 Kilometer von Tuolumne City entfernt, untergebracht.

Zwar hatte ich keine konkrete Vorstellung, wie Besserungsanstalten auszusehen haben, aber bei meiner Ankunft in Baseline war ich doch mehr als überrascht. Ich fuhr ungehindert durch das Tor zu dem Camp, das weniger wie ein Gefängnis als vielmehr wie eine Gruppe von Bauernhäusern wirkte. Das Gelände war nicht abgezäunt, und es gab nur einen unbemannten Kontrollpunkt, an dem mich niemand durchsuchte.

Hinter dem Tor lag ein Karpfenteich, den die Häftlinge, die in den Schlafbaracken rund um die große Wiese übernachteten, selbst angelegt hatten und pflegten. Die 17 Mann, die zu einem Team gehören, schlafen immer zusammen, um die Kameradschaft zu befördern. Lieutenant Fish, von mittlerer Größe und unglaublich eifrig, kam mir auf der Wiese entgegen.

Fish, wie ich ihn nennen sollte, führte mich herum und stellte mich einem Häftling namens Washington vor, einem außerordentlich bescheidenen schwarzen Mann aus San Diego von 32 Jahren, dem nur noch Monate zur Absolvierung seiner 12-jährigen Haftstrafe wegen bewaffneten Raubüberfalls fehlten. Er sprach so leise, dass mein Aufnahmegerät kaum etwas von ihm registrierte, und erzählte mir, dass es ihn anfangs wunderte, wie viel Freiheit man in dem Camp hat.

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„Als ich herkam, dachte ich: ‚Wo sind die Mauern?‘“, sagte Washington.

Er musste sich, wie jeder andere Insasse auch, zunächst für das Camp qualifizieren, und dabei wurde die Schwere seines Vergehens und seine Führung im Gefängnis berücksichtigt. Mörder, Vergewaltiger und—natürlich—Brandstifter werden ausgeschlossen. Die meisten Häftlinge bekommen für jeden Tag, den sie im Camp verbringen, zwei Tage von ihrer Haftstrafe abgezogen, wobei der Richter in Washingtons Fall darauf bestand, dass er 80 Prozent seiner Haftstrafe absitzt. „Camp oder nicht, Mann—Ich habe mein gesamtes bisheriges Erwachsenenleben im Gefängnis verbracht“, sagte er. „Ich war noch nie in einem Club, in den man erst ab 21 reinkommt.“

Das südliche Ende des Rim Fire.

Ein Problem sei das Schmuggeln, erklärte Fish. „Ihre Kumpel können einfach vorbeikommen und ein Handy, Zigaretten oder Drogen in den Büschen verstecken. Und mit dem Handy können sie einen Ausbruch organisieren oder einen Überfall auf einen wachhabenden Offizier. Aber wer im Camp mit Handy aufgegriffen wird, ist weg vom Fenster. Das passiert recht häufig.“

 „Einmal wurde ein Typ erwischt, der ein Handy unter dem Bettzeug versteckte. Ein Beamter sah es leuchten. Da ist der Typ aufgesprungen, schlug dem Beamten mit dem Ellbogen ins Gesicht und suchte das Weite. Aber sie haben ihn wieder eingefangen. Jetzt sitzt er wieder im Gefängnis und hat noch zusätzlich was aufgebrummt bekommen wegen Ausbruchs und Angriff auf einen Beamten. Wenn man nicht die Regeln befolgt, bleibt man nicht lange hier.“

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Washingtons Team machte sich fertig, um zum Feuer zu fahren, also fuhren Fish und ich zurück zur Einsatzzentrale in Tuolumne City, wo wir—zusammen mit einem anderen Lieutenant, dem Commander des Mount Bullion Camp—frühstücken gingen. Er vertrat das Ministerium für Besserung und Wiedereingliederung und war sozusagen der Ansprechpartner für die verschiedenen Camp-Commander und ihre Teams im Einsatz gegen das Feuer. Sein echter Name lautete Chris Dean, aber seine Häftlinge nannten ihn alle nur „The Loo“. Er war korpulent, hatte einen rasierten Kopf, trug den ganzen Tag über eine Sonnenbrille und hatte einen Hufeisen-Schnurrbart. Hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich ihn für einen kriminellen Biker gehalten.

„Du kannst jeden bei der Bundespolizei fragen“, sagte Fish, während wir Kartoffelpuffer, Eier und eine Schüssel mit frischen Beeren verspeisten, die die Häftlinge in der Küche für das Camp zubereitet hatten. „Und die werden dir sagen, dass unsere Jungs die gleiche Arbeit machen wie die Hotshots.“

„Aber wenn es dann darum geht, die Wäsche zu waschen“, fügte Loo hinzu, „und die Leute von Cal Fire warten müssen, weil die Klamotten der Häftlinge auch gereinigt werden müssen, dann gibt es manchmal Ärger. Da müssen wir aufpassen. Deshalb lass ich unsere Jungs immer früher essen, damit sie den Profis nicht ins Gehege kommen.“

Fish erzählte mir dann, dass ein Häftling in Südkalifornien ums Leben gekommen sei, als ein Teamtransporter von einem Subaru angefahren wurde, der die Mittellinie überquert hatte. „Der Wagen überschlug sich, fiel einen Abhang hinunter, und einer der Jungs brach sich den Schädel“, sagte er. „Ein professioneller Feuerwehrmann, der so stirbt, ist ein Held. Das ist dann in Ausübung seiner Pflicht geschehen. Nach diesem Typ, der gestorben ist, kräht kein Hahn. Trotzdem hat auch er eine Mutter, die informiert werden muss.“

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Feuer schafft ein Gefühl von Intimität, ähnlich wie ein Jungeninternat—die Männer schließen schnell Freundschaften, geraten aber auch schnell aneinander. Während ich dort war, hat sich mindestens ein Häftling mit seinem Captain überworfen und wurde zurück ins Gefängnis geschickt, und ein Hotshot-Team aus Oregon wurde komplett nach Hause geschickt, nachdem einer von ihnen die Beherrschung verloren und seinem Vorgesetzten ins Gesicht gespuckt hatte. Das war die harmlose Variante, aber es waren noch andere Versionen der Geschichte im Umlauf. „Es sind nicht nur die Häftlinge, die in Streitereien verwickelt werden“, sagte Loo, als wir mit dem Frühstück fertig waren. „Obwohl man schon sagen muss, dass sie viel streiten.“

Da warf Fish ein: „Es sind eben alles Männer, die auf engem Raum zusammen sind. Da sind Streitereien unvermeidbar.“

Loo, der scheinbar eine gute Intuition hatte, fand, dass ich mich eventuell für Justin interessieren könnte, den Häftling, der wegen Hypothekenbetrugs verurteilt worden war und den ich am selben Nachmittag im Einsatzzentrum kennen lernte. Er hatte eine Glatze und war recht schüchtern, jemand, der in seiner Jugend in Clovis, der Zwillingsstadt von Fresno, sicher oft als „lieb“ bezeichnet wurde. Seine Eltern unterrichteten an der dortigen Highschool. Er zog nach Fresno und fing an, die Mittelstufe zu unterrichten. Er wohnte allein in einem vorstädtischen Wohnkomplex und arbeitete als Coach der Baseball-Jugendmannschaft.

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Justin führte ein in seinen Augen nichtssagendes Leben, bis er Kelly kennenlernte—die später seine Frau und Mitangeklagte werden sollte. Er war 28, sie 23 und wohnte im gleichen Wohnblock wie er. Sie scheint etwas in ihm ausgelöst zu haben, das er auch in den nächsten zwei Tagen, in denen wir Kontakt hatten, nicht imstande war zu erklären. „Sie war umwerfend“, sagte er. „Und es ging alles total schnell. Zwei Monate, nachdem wir uns kennengelernt hatten, zog sie bei mir ein. Und zwei Monate danach kauften wir gemeinsam ein Haus.“ Kelly arbeitete als Hypotheken-Sachbearbeiterin. „Zwei weitere Monate später stellte sie mir ein paar Leute vor, mit denen sie zusammenarbeitete.“ Diese Männer waren anscheinend Kolumbianer; mehr bekam ich über sie nicht heraus. Sie sagten ihnen, sie sollten nach Temecula ziehen, das zwischen San Diego und Orange County liegt, und dort ein Büro aufmachen. „Wir wurden komplett andere Menschen“, sagte er. „Wir kauften Autos und Häuser.“ Was für Autos, wollte ich wissen. „Ach, weißt du, Lincoln Navigators und so.“ Ich schrieb das auf. Er dachte einen Augenblick nach und sagte dann: „Ich hatte auch mal einen Lamborghini Gallardo. Und einen 1957er Porsche Speedster. Wenn man Geld hat, kann man so was machen.“

Nach ein paar Jahren zogen Justin und Kelly nach Fresno zurück, um ihre eigene Operation zu starten. Sie betrieben eine Immobilienfirma und nahmen Kredite im Namen von Leuten auf, die sich das gar nicht leisten konnten oder nicht mal was davon wussten. Einmal nahmen sie im Namen einer Unbekannten einen Kredit für einen leerstehenden Parkplatz auf, indem sie ihre Unterschrift fälschten, wie es in den Nachrichten hieß. Ihre Rechnung betrug eine Million Dollar.

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Es war eine widersprüchliche Existenz: Sie gingen regelmäßig zur Kirche, und er fing wieder an, Baseball zu trainieren. „Es war verrückt“, sagte Justin. „In unsere Geschäfte waren Maklerbüros, Rechtstitelversicherungen und Banken verwickelt.“ Auf dem Höhepunkt ihrer Tätigkeit hatten sie fünfzig Angestellte. Er suchte immer Leute, die fließend Spanisch sprachen. „Ich wollte, dass sie Angst vor mir haben“, sagte er. „Wir haben oft mehrere Kredite gleichzeitig im Namen einer einzigen Person aufgenommen. Als sie uns auf die Schliche kamen, sagten sie, wir würden die spanisch sprechende Gemeinde anvisieren. Und das war der Aufhänger ihrer Strafverfolgung.“ Ihre Anklage bestand aus 180 Punkten, die alle Aspekte ihrer Tätigkeit umfassten. Schließlich plädierten sie auf schweren Diebstahl und Betrug.

Man bot ihnen einen Deal an, durch den die ursprünglich 16 Jahre betragende Haftstrafe für Justin auf zehn Jahre reduziert werden konnte, mit Aussicht auf fünfzig prozentigen Straferlass bei guter Führung, wobei Kelly sich schuldig bekennen und mindestens zweieinhalb Jahre absitzen musste. Grund dafür war die Überfüllung des Gefängnisses von Fresno County. Er musste sie dazu überreden, aber schließlich willigte sie ein, und heute kommunizieren sie einmal im Monat per Post. „Wenn ich ihr schreibe, wo ich bin“, sagte er, „dass ich Hirsche sehe und schöne Landschaften, dann schreibt sie zurück: ‚Hast du eine Ahnung, was für eine Hölle ich hier durchlebe?‘ Also behalte ich es meistens für mich.“

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Justin an vorderster Linie mit einem anderen Häftling, Jonathan Portillo

Wir haben uns stundenlang unterhalten, während Loo dabeisaß, gutmütig durch seine Sonnenbrille schaute und dann und wann ein paar erhellende Einzelheiten aus dem Gefängnisalltag zum Besten gab. Loo sagte, er könne sich an die Briefe erinnern, als ich ihn danach fragte. Er verstellte seine Stimme, so dass er wie eine Frau klang: „Bitte, Lieutenant Dean, bitte, bitte, darf ich in Ihr Camp?‘ So was hat er geschrieben.“

Nach unserem Gespräch an diesem Tag fuhr ich nach Sonora, der nächstgrößten Stadt im Umkreis. Ich trank jeden Abend höchstens sechs Flaschen Coors in Zane’s Iron Horse Tavern, wo mich inzwischen alle Stammgäste kannten, wenn nicht mit Namen, so doch als den Typen aus L.A. mit den schwulen Klamotten und den Cowboystiefeln. Gegen Mitternacht verließ ich Zane’s und fuhr—an der Einsatzzentrale vorbei—zum Black Oak Indian Casino, wo ich spielte, um das Geld zurückzugewinnen, das ich für das Bier ausgegeben hatte. Und da ich nur noch 239 Dollar auf dem Konto hatte und ein Hotel nicht in Frage kam—die Preise waren durch den Ansturm von Feuerwehrmännern extrem in die Höhe geschossen—fuhr ich in den Stanislaus-Wald, suchte mir einen unbefestigten Weg, fuhr noch ein Stück nur so zum Spaß, und schlief dann im Wald. Ich versuchte, meine Lebensweise vor Fish und Loo zu verbergen, denn sie waren ernsthafte Männer mit einem ernsthaften Feuerproblem, aber inzwischen begann ich zu stinken und hatte Probleme, meinen Kater zu verstecken. Doch sie waren nachsichtig.

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Am nächsten Tag arrangierten es Fish und Loo, dass ich mitkommen und Justin dabei zusehen konnte, wie er das Feuer bekämpft, bzw. wie er ein Feuer macht, um ein anderes zu löschen—eine nur auf den ersten Blick widersinnig erscheinende Methode, die Wildfeuer zu kontrollieren, indem man das Feuer mit seinen eigenen Waffen schlägt.

Ein Hotshot aus Arizona mit einem Tropfbrenner, um Büsche anzuzünden

Ich kam um zehn Uhr morgens an der Einsatzleitung an und traf dort auf einen kräftigen, ernsthaften Cal Fire-Beamten namens Don Camp, dem sie aufgetragen hatten, mit mir Justins Team zu suchen, das schon bei der Arbeit war. Wir fuhren in seinem Chevy Silverado schon bald querfeldein, um das Team zu finden, wobei wir einer Schneise folgten, die ein Bulldozer in den Mischwald geschlagen hatte, der die tieferen Gebirgsausläufe der westlichen Sierra prägt. Wir passierten Ponderosa-Kiefern, Weihrauchzedern, Schwarz-Eichen und Bärentrauben, während wir uns durch den Wald kämpften.

Wir fuhren drei Stunden lang und waren über weite Strecken nicht in der Lage, uns mithilfe der Karten zurechtzufinden, die jeden Tag neu von der Kommandozentrale ausgegeben werden. Unser Einsatzplan, der ebenfalls jeden Tag neu aufgesetzt und verteilt wurde, enthielt die Warnung, dass ein Auflodern des einige Kilometer entfernte Hauptfeuers Funken oder kleine Flammen durch die Luft jagen und die Büsche um uns herum entzünden könnte, die wiederum kleinere Feuer auslösen könnten. Wenn dies geschähe, würden diese kleineren, lokalen Feuer und das Hauptfeuer sich auf der Suche nach Brennstoff und Hitze zu verbinden suchen und alles niederbrennen, was zwischen ihnen liegt. Und das würde—mit den Worten der Feuerwehrmänner, die stets zu Untertreibungen neigen—„Probleme bereiten“.

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Schließlich fanden wir, Kilometer entfernt von der nächsten Straße, Justins Trupp, der gerade dabei war, eine sogenannte Brand-Aktion durchzuführen. Mit anderen Worten, sie entzündeten selbst ein Feuer, um das Hauptfeuer zurückzutreiben. Das Ziel sollte sein, den trockenen Brennstoff, der zwischen uns und dem Hauptfeuer lag, zu verbrennen, damit das Rim Fire—wenn es diesen Punkt erreichte—keine Bäume und Büsche mehr haben würde, um sich aufzuheizen.

Dieser Waldstreifen war inzwischen die kritische Front. Die Feuerwehrleitung fürchtete, dass die Brandschneise—der Streifen kahlen Bodens, der von den Häftlingstrupps und Bulldozern durch den Wald geschlagen worden war—das Feuer nicht würde aufhalten können, und dass die nahegelegenen Städte in Flammen aufgehen würden. Aber was noch schlimmer war: Der Einsatzplan warnte außerdem davor, dass der Feuchtigkeitsgehalt der sogenannten Tausend-Stunden-Brennstoffe—alte Bäume, die theoretisch wochenlang brennen können—auf beunruhigende sechs Prozent gesunken war. Das bedeutet, dass ausgewachsene immergrüne Bäume plötzlich explodieren können wie ein Haufen trockener Büsche.

Ein Hotshot läuft an einem verbrannten Abschnitt des Stanislaus National Forest vorbei.

Justin führte ein Team von Häftlingen an, das sich entlang der Brandschneise verteilt hatte. Er war gerade erst zum „Mann für die Drecksarbeit“ ernannt worden, ein sehr begehrter Job. Das hieß, dass er die Befehle des Captains an das Team weiterleiten und dafür sorgen musste, dass seine Mithäftlinge alles richtig machten. Wir begrüßten uns, und als ich meine Kamera herausholte und anfing, Fotos zu machen, entwickelte sich die Situation zu einem großen Spaß: Er und sein Team alberten herum und posierten eitel, während hinter uns ganze Gruppen von Bärentrauben in Flammen aufgingen und explodierten. Im Team waren ein paar junge Gangster aus Echo Park und Boyle Heights, was nicht weit weg von meiner Wohnung in Los Angeles ist. Mit ihnen diskutierte ich darüber, welche Chancen die Dodgers bei den Playoffs hatten. Don und der Teamchef, ein Cal Fire-Captain namens Barajas, brüllten Justin und mich an, wir sollten nicht die Arbeit behindern.

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Barajas, ein eigentlich eher ruhiger Typ aus Monterey Park in Los Angeles, Justin und zwei andere Cal Fire-Captains, die die Brand-Aktion leiteten, waren die einzige Aufsicht, die das Team hatte. Es gab keine Wachen, und Fish und Loo waren in der Einsatzzentrale geblieben.

„Wenn jemand Ärger macht“, sagte Barajas, „brauche ich meistens gar nichts zu unternehmen. Das würde ich auch gar nicht schaffen. Immerhin haben die Jungs Waffen.“

Zum Beweis ließ Barajas die Häftlinge, die sich inzwischen hinter Justin aufgestellt hatten, wie Soldaten marschieren und ihre Werkzeuge schwingen, die höchstens bei einer Bauernrevolte als wirkungsvolle Waffen gedient hätten. Es war schwer zu sagen, ob diese Darstellung ein wunderbares Beispiel für menschlichen Humor war oder vielmehr das Produkt jahrelanger Unterdrückung durch das System. Wahrscheinlich ein wenig von beidem.

Um an diese Stelle zu gelangen, hatte sich das Team über ein paar steile Waldwege der nördlichen Seite des Feuers von Highway 108 her genähert. Als ihr Transporter nicht mehr weiter kam, mussten sie zu Fuß weiterlaufen, wobei jeder einen 22 Kilo schweren Rucksack tragen musste sowie den knall-orangenen Nomex-Feuerschutzanzug. Sie arbeiten in 24-Stunden-Schichten—was für Feuerwehrmänner die Regel ist—ohne eine Garantie, dass sie nachts schlafen können. Manchmal müssen Teams drei Tage durcharbeiten, ohne nur einmal den Arbeitsplatz zu verlassen. „Nach drei Tagen“, sagte Barajas, „müssen sie allerdings duschen.“

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Captains wie Barajas haben theoretisch nichts mit dem Strafvollzug zu tun. Wenn ein Häftling sagt, er muss pinkeln gehen, und dann abhaut, gibt es keinen, der ihn aufhält, bzw. der die Verantwortung hätte, es zu versuchen. Ich fragte Don und Barajas danach. Da zeigten sie fast synchron auf den Wald und sagten: „Sieh dich um! Wo sollten sie hier wohl hin?“

Zwei Häftlinge bei der Arbeit

Dann erzählte mir Don eine Geschichte. „Einmal kam ich ins Camp“, sagte er, „und da lag ein Schwarzbär mitten auf dem Hof. Die Jungs hier sind aus der Stadt, die haben keine Ahnung, was man in so einem Fall macht. Ich sah also nach, was da los war, und es stellte sich heraus, dass der Bär eine Abfalltüte mit ,Pruno‘ geklaut hatte.“ Pruno ist verbotener Gefängniswein. „Der Bär war total besoffen und mitten im Camp einfach umgefallen. Die Jungs waren total in Panik. Die harten Gangster aus der Stadt. Die hatten noch nie einen Bären von Nahem gesehen.“

Neben Don und Barajas gab es noch einen hochgewachsenen und eindrucksvoll aussehenden Cal Fire-Captain namens Loren, der die Aktion beaufsichtigte. Er war der Einzige aus dem Camp-Programm, der den Häftlingen mit Verachtung begegnete. Zunächst konnte ich es nicht recht einordnen, doch dann war es offensichtlich.

Als er ein paar Männer brauchte, um einen toten Baum zu fällen, rief er Justin, der wiederum ein Holzfällerteam zu sich rief. Jeder, den ich bisher bei dieser Aktion gesehen hatte, war in normalem Tempo gegangen. Es wäre auch schwer gewesen, mit den 22 Kilo auf dem Rücken und der Kettensäge in der Hand zu rennen. Also gingen sie. Da lachte Loren auf. „Bewegt euch, Jungs, los. Was soll das Gewatschel?“, sagte er. Da verfielen sie ein einen leichten Trab. Er lachte wieder und sagte: „Besser.“

Inzwischen bewegten wir uns recht schnell vorwärts. Wir liefen die Brandschneise entlang, blieben stehen und zündeten Büsche mit gießkannenartigen Gefäßen an, aus denen eine brennende Mixtur aus Benzin und Motoröl tropfte. Wir liefen, schnitten und verbrannten, immer wieder. Beim Laufen versuchte ich, in Justins Nähe zu bleiben, dem die Hitze, seine Last auf dem Rücken und die Tatsache, dass er seit sechs Stunden auf den Beinen war, nichts auszumachen schien. Da ging eine Kiefer in Flammen auf, mit dem typischen Rauschen und Knistern eines Baumes, der innerhalb von einer halben Sekunde komplett vom Feuer verschlungen wird. Die Jungs fingen an zu jubeln und feuerten die Flammen an, so verrückt das klingt.

„Verdammt“, sagte Barajas. „Ich liebe dieses Geräusch.“

Langsam wurde es dunkel, und Don und ich mussten überlegen, wie wir zurück zum Transporter und aus dem Wald kommen würden. Loren machte eine Kopfbewegung Richtung Justin. „Legt euch doch da vorne hin“, sagte er. „Er und die dreißig anderen werden euch schon warm halten.“ Justin reagierte gar nicht darauf, falls er die Bemerkung überhaupt gehört hatte, und weder Don noch Barajas fanden den Witz lustig—ebenso wenig wie Loo oder Fish, wenn sie dabei gewesen wären. Das sollte eigentlich ausreichen als Lob für die Leute—oder zumindest die meisten von ihnen—die an dem Programm beteiligt waren. Justin und ich verabschiedeten uns recht förmlich per Handschlag. Ich fragte ihn, ob er in dieser Nacht wohl noch ein bisschen Schlaf bekommen würde. Aber das schien ihm keine Sorgen zu bereiten.

Don und ich fuhren zurück zum Einsatzzentrum, und ich schlief noch ein paar weitere Nächte im Wald, besuchte das Baseline Camp und fuhr abends nach Sonora, einer kleinen Bergstadt mit Menschen, die alle gerne in den Bergen lebten, und was gäbe es daran auszusetzen?

Während ich diesen Artikel schreibe, brennt das Rim Fire noch immer, aber es ist weitgehend unter Kontrolle, und die Männer, die ich getroffen habe, sind wahrscheinlich ins Camp zurückgekehrt oder wurden zu einem neuen Feuer gerufen. Ich war so angetan von dem Programm als Sinnbild für die großen Träume und das kleine Versagen Kaliforniens, von Justins Geschichte und seinem neuen Leben in der Wildnis, dass mich erst die Fragen der verschrumpelten Stammgäste bei Zane’s darüber nachdenken ließen, was mir diese Erfahrung eigentlich gebracht hatte.

Das Naturschutz-Camp-Programm wirft offensichtliche Fragen bezüglich sozialer Kontrolle, des menschlichen Geistes und des Zustandes der modernen Gefängnisse auf. Das Erste, was Leute fragen, wenn sie hören, dass Häftlinge ihr Leben riskieren, um Wildfeuer zu bekämpfen, ist meistens: „Ist das nicht barbarisch?“, das Zweite ist: „Warum laufen sie nicht einfach weg?“

Die Antwort auf die erste Frage lautet eindeutig „nein“. Denn die Antwort auf die zweite Frage lautet: „Die meisten der Jungs tun das gerne.“ In den Camps findet man keine unverbesserlichen Gesetzesbrecher, denn um in das Programm aufgenommen zu werden, muss man lernen zu kooperieren. Außerdem sind die Zustände in den kalifornischen Gefängnissen wirklich erschreckend: Messerstechereien, sexuelle Übergriffe, Rassenhass, der tiefer geht als in jedem anderen System des Landes.

Jedenfalls war sich jeder, den ich getroffen habe, der Gefahren und physischen Anforderungen dieser Art von Feuerbekämpfung sehr wohl bewusst. Sie waren froh, dabei zu sein, und wer es nicht war, wurde zurück ins Gefängnis gesteckt. Und die meisten von ihnen waren Diebe, wiederholte Drogentäter, Männer, die den Großteil ihres Lebens im Gefängnis verbracht hatten.

Die Wiedereingliederung dagegen war nicht so ermutigend, denn der Drang aufzubegehren war durch die Arbeit und die Identifikation mit verständnisvollen Autoritätsfiguren zwar unterdrückt worden, aber dieser Effekt hielt, wenn man Loo und Fish glauben durfte, selten an, nachdem die Häftlinge entlassen worden waren.

Aus Gründen, die das Ministerium für Besserung und Wiedereingliederung nicht ausführlich erklären konnte, ist das Naturschutz-Camp-Programm zurzeit nicht ausgelastet und hätte theoretisch Raum für ein paar Hundert weitere Häftlinge. Eine besser bekannte Methode, die Überfüllung von Gefängnissen zu vermeiden, ist, aufgrund leichterer Vergehen Verurteilte in Bundesgefängnisse zu stecken. Der Bundesstaat experimentiert gerade damit, Häftlinge in privaten Einrichtungen jenseits der Staatsgrenzen unterzubringen, wodurch sie eine große Gelegenheit verpassen. „Ich habe immer noch gewisse Ambitionen“, sagte mir Justin, als er über die finsteren Impulse in sich sprach, durch die er überhaupt erst im Camp gelandet war. „Aber sie sind abgemildert. Wenn ich rauskomme, werde ich mich bei Cal Fire bewerben.“