Schwule Männer erklären, warum sie Norbert Hofer wählen
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Die längste Wahl der Welt

Schwule Männer erklären, warum sie Norbert Hofer wählen

Norbert Hofer fährt eine klare Linie gegen die Rechte von Homosexuellen. Was bringt schwule Männer dazu, ihn trotzdem zu wählen?

"Twinks for Trump" hört sich vielleicht an wie eine astreine Polit-Porno-Parodie, ist aber tatsächlich ein konservativer Verein für schwule Unterstützer von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der von seinen homosexuellen Fans liebevoll "Daddy" gerufen wird. Das klingt anfangs etwas absurd, aber so weit hergeholt ist es eigentlich gar nicht—Trump ist zwar Republikaner, jedoch kein klassischer Wertkonservativer und setzt sich offen für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen ein. Weniger nachvollziehbar wäre da für viele wohl eine österreichische Variante—etwa "Hunks for Hofer".

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Bereits im Vorfeld der ersten Stichwahl hatte das Rechtskomitee Lambda in einer Aussendung die diesjährige Bundespräsidentschaftswahl zu einer "Richtungsentscheidung für die Lesben, Schwulen und Bisexuellen in Österreich" erklärt. In erster Linie geht es dabei um die Ehe für alle und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare. Letzteres gilt in Österreich seit 2016; Heiraten ist auch weiterhin nicht erlaubt. Die eingetragene Partnerschaft kann währenddessen hierzulande seit 2010 geschlossen werden—sie ist jedoch ausschließlich gleichgeschlechtlichen Paaren zugänglich und der klassischen, heterosexuellen Ehe immer noch in vielerlei Hinsicht untergeordnet.

Beide Präsidentschaftskandidaten haben sich in ihrer bisherigen politischen Laufbahn deutlich für oder gegen die queere Gemeinde positioniert. Alexander Van der Bellen ist—ebenso wie Bundeskanzler Christian Kern—Mitglied im Kuratorium des Rechtskomitees Lambda und jahrzehntelanger Unterstützer der LGBTIQ-Community. So setzte er sich während seiner Zeit im Parlament für die Abschaffung des antihomosexuellen Sonderstrafgesetzes ein, sprach sich bereits 2005 für das gleichgeschlechtliche Adoptionsrecht aus und befürwortet die BürgerInnen-Inititavie "Ehe gleich". Seine Positionierung ist deutlich: "Bei Grundrechten dürfen wir niemals danach unterscheiden, wer wen liebt. Menschenrechte sind unteilbar."

Ebenso deutlich wie auch konträr dazu sind die Ansichten von Norbert Hofer. In seiner Ansprache zum Wahlauftakt in Kapfenberg kommentiert er Programmpunkte seiner damaligen Konkurrentin Irmgard Griss wie folgt: "(…) Sie ist auch dafür, dass Homosexuelle Kinder adoptieren dürfen—das will ich nicht! Ich will, dass nur Paare aus Männern und Frauen das Recht haben, in Österreich Kinder zu adoptieren!"

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Das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ist in Österreich, wie bereits erwähnt, seit diesem Jahr in Kraft. Ein Recht, über das er sich einen Tag später während einer Ansprache in Eisenstadt lustig macht: "Wie heißt der Papa? Franz. Und wie heißt die Mama? Karli. Das kommt … nicht so … gut an." Hätte Hofer die Möglichkeit, würde er demnach wohl versuchen, das bestehende Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare wieder aufzuheben.

Das Parteiprogramm der FPÖ, für das Hofer maßgeblich mitverantwortlich ist, besagt darüber hinaus: "Ein eigenes Rechtsinstitut für gleichgeschlechtliche Beziehungen lehnen wir ab." Ginge es also nach Norbert Hofer, würde er nicht nur versuchen, die Eheöffnung zu verhindern, sondern auch die seit 2010 in Österreich geltende eingetragene Partnerschaft wieder abzuschaffen. Und sollte die FPÖ vielleicht irgendwann mal Kanzlerpartei werden, ist das alles gar nicht mehr so unrealistisch.

Berücksichtigt man diese Positionen, dürfte die Entscheidung für Wähler aus der LGBTIQ-Community eine leichte sein. Umso bizarrer, wenn man von schwulen und lesbischen Bekannten erfährt, die Norbert Hofer schon bei der ersten Stichwahl ihre Stimme gegeben haben und das auch bei der Wiederholung am 2. Oktober tun möchten. Warum würde man als sich als homosexueller Mensch für jemanden entscheiden, der die Rechte von Homosexuellen öffentlich ablehnt, abwertet und verspottet? Warum würde man in einer Persönlichkeitswahl jemanden unterstützen wollen, der einen selbst als Mensch zweiter Klasse betrachtet? Warum würde man sich dermaßen ins eigene Fleisch schneiden wollen?

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Jetzt ist es natürlich nicht so, dass es in Österreich haufenweise queere Hofer-Unterstützer gibt—im Gegenteil, man trifft sie nur selten. Das erleichtert, weil es Sinn ergibt. Geben tut es sie aber trotzdem. Ein offenes Interview lehnen alle ab. "Warum ich jemanden wähle, möchte ich nicht breittreten", ist der Tenor. Auch nachdem ich auf der schwulen Dating-Plattform PlanetRomeo nach Hofer-Wählern suche, bleiben die Antworten größtenteils abweisend. Lediglich im anonymen Chat springen ein paar der User auf meine Fragen an—ihre Namen werden an dieser Stelle nicht bekanntgegeben.

User 1, 45

Warum wählst du Hofer?
Weil er zu unserem Land steht.

Und wie empfindest du seine Einstellung gegenüber Homosexualität?
In Österreich herrscht immerhin Meinungsfreiheit. Ich empfinde ja auch keinen Groll gegen reine Heteros.

Wie meinst du das?
Jeder soll so leben, wie er es für sich selbst richtig findet. Hauptsache, man respektiert einander und verletzt andere nicht durch die eigene Lebensweise. Moralisch, ethisch—wie auch immer.

Aber Hofer sagt ja, er möchte nicht, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten dürfen. Das widerspricht sich dann ja ein bisschen.
Dass Schwule heiraten dürfen sollen, finde ich auch nicht richtig. Genauso wie dass Schwule Kinder erziehen sollen dürfen.

Gerade hast du noch gesagt, dass jeder so leben soll, wie er es für richtig hält.
Richtig—solange dabei niemand moralisch oder emotional verletzt wird.

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Inwiefern verletzt dich eine Ehe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen?
Mich nicht. Wäre ich damals nicht so feige gewesen, hätte ich meine Frau wohl auch nicht geheiratet und eher darauf gewartet, dass sich noch ein schnuckeliger Kerl findet—aber ich wollte dem gesellschaftlichen Ideal entsprechen. Ich wäre nicht verletzt, ich denke da mehr an die Angehörigen.

Du meinst, die Angehörigen von schwul-lesbischen Pärchen könnten sich moralisch oder emotional verletzt fühlen, wenn diese heiraten dürfen?
Könnte sein, ja.

User 2, 39

Warum wählst du Hofer?
Schon klar—die FPÖ ist gegen Homosexuelle. Aber bitte, dieses Amt ist eine rein repräsentative Funktion. Daher ist es eine Persönlichkeitswahl. Und hier ist mir der Hofer weit lieber als Van der Bellen. Ich finde es skandalös, dass VdB jetzt schon sagt, dass er niemals einen Kanzler Strache angeloben würde. Und ob der Hofer jetzt gegen Homosexuelle ist oder nicht, spielt in diesem Amt keine Rolle—er hat realpolitisch nichts zu melden.

Gerade weil es eine Persönlichkeitswahl ist, scheint es ja auch so abwegig, dass Homosexuelle ihre Stimme an Norbert Hofer geben würden.
Aber auch der Herr Hofer hat seine Meinung, und die darf er in Österreich öffentlich äußern. Daher hab ich damit kein Problem. Jeder Mensch hat eben seine eigenen Ansichten—und das ist auch gut so.

User 3, 44

Wählst du Hofer?
Willst du mich etwa davon abhalten, ihn zu wählen? Wie? Sag's mir! Oder wie willst du mich zu Rot oder Grün ziehen? Hm?

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Nein—ich möchte nur herausfinden, was einen Homosexuellen dazu bewegt, einen Mann zu wählen, der sich gegen Homosexuellen-Rechte ausspricht.
Aber ficken und Sex ist ja nicht alles, oder?

Nein. Aber Hofer ist gegen gleichgeschlechtliche Ehe und das Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare.
Stimmt.

Und wirst du ihn wählen?
Mal sehen.

User 4, 47

Wählst du Hofer?
Ja, ich bin ein Hofer-Wähler. Mindestsicherung nur für Staatsbürger, olé.

Und seine Postionen zu Homosexualität sind dir wurscht?
Na, du bist ja auch da, sind dir die wurscht? Es lebe Strache, der neue Kanzler.

Nein, mir sind die nicht wurscht. Aber ich will nachvollziehen, warum du als homosexueller Mann jemanden wählst, der dir vorschreiben möchte, ob du einen Mann heiraten oder Kinder mit ihm großziehen darfst.
Ah, aber es sind ja sowieso schon alle dafür. Ist nur Kabarett, die Politik. Man muss nicht alles ernst nehmen. Die verarschen sich doch alle gegenseitig in der Politik. Was soll da noch alles kommen? Bitte, das ist doch nur Verarschung. Siehe Schwarz-Blau unter Schüssel, da wurde auch viel geredet und was ist dabei rausgekommen? Hm?

Ich möchte wirklich nur nachvollziehen können, warum ein schwuler Mann sich für Norbert Hofer entscheiden würde.
Es kann nichts mehr abgesprochen werden. Wir sind in der EU. Das, was die wollen, geht nur österreichweit, nicht EU-weit. Und da sind die Homosexuellen-Rechte drinnen, da können die nichts machen.

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Sollte die FPÖ eines Tages Kanzlerpartei werden, können die da durchaus was machen.
Nein, da werden sich SPÖ, Grüne und NEOS dagegen stellen.

Es geht mir immer noch darum, nachvollziehen zu können, warum man jemanden wählen möchte, der sich ganz klar gegen die eigenen Rechte ausspricht.
So ein Blödsinn.

User 5, 28

Kannst du mir kurz erklären, warum du als schwuler Mann Norbert Hofer wählst?
Damit mich Hofer-Wähler nicht noch brutaler ficken.


Kann man Teil der LGBTIQ-Gemeinde sein und trotzdem Hofer wählen? Sagt uns eure Meinung unter dem Hashtag #HoferHunk.

Franz auf Twitter: @FranzLicht