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Glück

So fühlt es sich an, Leuten zu sagen, dass sie Millionäre sind

Matt Hart informiert Lottogewinner über ihr Glück. Seine Anrufe sind sehr emotional, manchmal aber auch ziemlich komisch.
Das ist Matt | Foto: privat

Alle Lottounternehmen dieser Welt haben eins gemeinsam: Bei jedem arbeitet mindestens eine Person, die die ganz großen Gewinner und Gewinnerinnen über ihr Glück informiert. Bei Australiens größtem Lottoanbieter ist diese Person Matt Hart.

Im Laufe seiner Karriere hat Hart laut eigener Schätzung über 400 Glückspilze angerufen und dabei immer ganz unterschiedliche Reaktionen erlebt. Uns erzählt er, wie sein Arbeitsalltag aussieht, welche Anrufe ihm besonders stark im Gedächtnis hängengeblieben sind und wofür die Leute ihr Geld ausgegeben haben.

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VICE: Wie fühlt es sich an, so viel Geld zu verteilen?
Matt Hart: Ich komme mir vor wie eine Mischung aus dem Weihnachtsmann, der Zahnfee und dem Osterhasen. Es ist schon ziemlich surreal, wie wir von einem Moment auf den anderen das Leben eines Menschen komplett auf den Kopf stellen. Wir bekommen auch einen kleinen Einblick in das Leben der frischgebackenen Millionenschweren. Sie erzählen uns von ihren Hoffnungen und Träumen – und davon, was sie schon immer mit so viel Geld anstellen wollten.


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Welche Gewinn-Geschichte war die schönste?
Letztes Jahr wurde mir durch einen meiner Anrufe klar, was ein Lottogewinn wirklich bewirken kann. Ich informierte eine Frau über ihren Gewinn von einer Million australischer Dollar und sie fing daraufhin an, richtig intensiv zu weinen. Und das waren nicht nur die üblichen Glückstränen. Im Laufe des Gesprächs erfuhr ich dann, dass sie an Krebs litt und nicht mehr lange zu leben hatte. Sie hatte vor Erleichterung geweint, weil ihr Ehemann jetzt endlich Urlaub machen konnte. Die beiden hatten durch den Lottogewinn endlich die Möglichkeit, wirklich Zeit miteinander zu verbringen und die Dinge zu unternehmen, die sie noch gemeinsam unternehmen wollten. Ich bin selbst heute noch total bewegt, wenn ich an diesen Anruf zurückdenke.

Gibt es bei deinen Anrufen auch so etwas wie eine übertrieben freudige Reaktion?
Oft melde ich mich bei Spielgemeinschaften – Menschen, die befreundet sind oder zusammen arbeiten, die zusammen einen Lottoschein ausgefüllt haben. Da ist es immer schön zu hören, wie sie sich gemeinsam über den Gewinn freuen. Einmal rief ich bei einer Gruppe junger Typen aus dem Bundesstaat South Australia an. Die sind richtig ausgeflippt, haben sich vor Freude die Lunge aus dem Leib geschrien und sind wie wild durch die Wohnung gesprungen. Ich wette, das hat die komplette Nachbarschaft mitbekommen.

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"Bei meinem allerersten Anruf dachte mein Gesprächspartner, ich würde ihn verarschen, und sagte: 'Wenn du mich noch mal anrufst, schalte ich die Polizei ein!'"

Glauben dir die Leute immer sofort, dass du wirklich im Auftrag eines Lotto-Unternehmens anrufst?
Nein, manchmal ist es zuerst sogar richtig unangenehm. Viele Leute sind erstmal misstrauisch, weil sie in ihrem Leben noch nie etwas gewonnen haben – wieso sollten sie also plötzlich den Lotto-Jackpot knacken? Sie glauben uns erst, wenn das Geld auf ihrem Konto ist.

Bei meinem allerersten Anruf dachte mein Gesprächspartner, ich würde ihn verarschen, und sagte: "Wenn du mich noch mal anrufst, schalte ich die Polizei ein!" Als wir ihn schließlich überzeugt und das Geld überwiesen hatten, entschuldigte er sich bei mir.

Verprassen viele ihren Gewinn in kurzer Zeit?
Das ist etwas, das man oft fälschlicherweise annimmt. Wenn wir uns nach einigen Jahren wieder bei ehemaligen Gewinnern oder Gewinnerinnen melden, dann stellt sich meistens heraus, dass sie sehr vernünftig mit dem Geld umgegangen sind. Ich glaube, das liegt an dieser Angst davor, das Geld nicht klug auszugeben. Eine Frau hat sich nach ihrem Lottogewinn zum Beispiel eine neue Autotür gekauft. Ihr Kommentar dazu: "Mein Auto läuft ja noch, ich brauche nur eine neue Tür."

"Es wird wirklich nicht langweilig, Leuten mitzuteilen, dass sie jetzt sehr viel Geld besitzen."

Manche Leute geben ihren Gewinn bestimmt für außergewöhnliche Dinge aus, oder?
Oh ja, wir hatten schon einige skurrile Gewinner und Gewinnerinnen. Einer wollte zum Beispiel ein buddhistischer Mönch werden. Eine andere kaufte ihrem Hund ein diamantenes Halsband, weil sie ihren Lottoschein beim Hundefutterkauf abgegeben hatte. Für sie war ihr Hund deswegen ein Glücksbringer.

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Einmal fragte ich einen Gewinner, was er mit dem Geld vorhabe, und er antwortete: "Ach, ich gehe erstmal zum Zahnarzt." Ein anderer gönnte sich als Erstes einen Friseurbesuch. Solche Sachen wirken alltäglich, aber weil die Leute vorher nicht das nötige Geld hatten, wollten sie sie eben direkt aus dem Weg haben.

Schleicht sich bei deinem Job irgendwann Routine ein?
Nein, nie. Es wird wirklich nicht langweilig, Leuten mitzuteilen, dass sie jetzt sehr viel Geld besitzen. Man weiß ja auch nie, wer am anderen Ende der Leitung ist. Das macht meinen Job extrem spannend.

Erzählst du bei Partys direkt, als was du arbeitest?
Ja, normalerweise mache ich keinen Hehl daraus. Meine Gegenüber achten dann immer sehr genau darauf, dass ich ihre Nummer auch ja richtig eingespeichert habe. Außerdem interessieren sie sich oft dafür, wie es bei uns hinter den Kulissen abläuft – mit den Kugeln, mit der Ziehungsmaschine und so weiter. Ich glaube, dass uns Lotto so fasziniert, weil wir alle schon mal davon geträumt haben, Millionen zu haben.

Denkst du wegen deines Jobs jetzt anders über Geld und Glück?
So etwas wie Glück existiert meiner Meinung nach nicht. Es gibt immer eine gewisse Wahrscheinlichkeit, Dinge passieren oder eben nicht. Alle, die einen Lottoschein abgeben, können gewinnen. Zusammen mit der Tatsache, dass ich ständig mit hohen Geldgewinnen zu tun habe, führt diese Denkweise manchmal dazu, dass ich ein wenig gleichgültig werde – so nach dem Motto "Ach, ich gebe ja nur 600.000 Dollar weiter". Aber eigentlich das ist verdammt viel Geld.

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