drogenpolitik

Die Dealer-Stehplätze im Görlitzer Park beweisen: Es ist Zeit für die Legalisierung

Sonst machen wir uns langsam wirklich lächerlich, allesamt.
Das auf den Weg gemalte pinke Rechteck
Foto: Shirin Siebert

Man muss den Tatsachen ins Auge sehen: Die Idee ist wirklich vollkommen absurd.

Kurz zusammengefasst: An den Eingängen zum Görlitzer Park in Berlin-Kreuzberg stehen oft so viele Dealer, dass einige Parkbesucher sich kaum noch trauen, in den Park zu gehen. Andere kommen nur deshalb. Um das Problem zu lösen, hat sich der Parkmanager Cengiz Demirci Folgendes ausgedacht: Er hat pinke Rechtecke auf den Boden gesprüht, in denen höchstens zwei Leute Platz haben, und bittet die Dealer, nur in diesen Rechtecken zu stehen. So möchte er erreichen, dass zumindest ein bisschen Abstand zwischen die Männer kommt, damit "die hier nicht Spalier stehen", erzählt er dem RBB.

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Auf den ersten Blick ist das eine bescheuerte Idee. Auf den zweiten vielleicht auch – aber gerade deshalb bringt sie die ganze Ratlosigkeit, Inkonsequenz und Dummheit der Drogenpolitik ziemlich gut auf den Punkt. Und zwar nicht nur in Kreuzberg, sondern in ganz Deutschland.

Bis jetzt hat noch niemand eine Lösung für das "Görli"-Problem gefunden

Denn auch wenn die Idee nicht besonders gut ist – sie ist zumindest aus Pragmatismus geboren. Wenn man die Dealer schon nicht wegkriegt, hat Demirci sich gesagt, ordnet man sie halt wenigstens so an, dass sie den Leuten keine Angst machen. Und was soll er auch tun? An dem grundsätzlichen "Görli-Problem" kann er ja wirklich nichts ändern – daran sind schon ganz andere gescheitert.

Das Görli-Problem kann man so zusammenfassen: Nach Berlin kommen jeden Monat Heerscharen von Menschen, die gerne irgendwo Gras kaufen würden. Um diese Nachfrage zu bedienen, haben die Großdealer die perfekten Verkäufer rekrutiert: Geflüchtete, die wenig Aussicht auf Asyl haben, arbeits-, perspektiv- und teilweise auch obdachlos in Berlin herumhängen und mittlerweile so verzweifelt sind, dass es ihnen eigentlich ziemlich egal ist, was mit ihnen passiert. All das macht es der Polizei schwer, sie mit normalen Methoden vom Dealen abzuhalten.


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Alle Versuche, dem Problem mit mehr Härte beizukommen, sind kläglich gescheitert. Am berühmtesten die "Null-Toleranz-Politik" des ehemaligen CDU-Innensenators Frank Henkel: Sie kostete die Stadt extrem viel Geld, überlastete Polizei und Justiz und hatte null erkennbaren Effekt auf das Geschäft mit dem Gras.

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Die heutige rot-rot-grüne Berliner Regierung sah das Ganze realistischer und schaffte die Null-Toleranz wieder ab. Was jetzt der Stadt Geld spart, an der Situation im "Görli" selbst aber auch nichts ändert: Die Dealer dealen weiter.

Das Problem ist größer als Kreuzberg, oder Berlin

Die Lage im Görlitzer Park ist ein Abbild davon, wie ganz Deutschland mit seinen Drogen umgeht: Die Konservativen versuchen, durch Repression und Strafverfolgung die Gesellschaft drogenfrei zu bekommen – was genauso gut funktioniert, wie es sich anhört: nämlich gar nicht. Die SPD und Teile der Linken glauben zwar nicht, dass man die Gesellschaft drogenfrei bekommen kann, trauen sich aber nicht so richtig, das Zeug zu legalisieren, und machen deshalb gar nichts.

Und deshalb ist – wer schonmal VICE gelesen hat, wird jetzt nicht super überrascht sein – die Legalisierung die einzige Lösung. Die Grünen, Teile der Hauptstadt-SPD und der FDP haben das mittlerweile verstanden und sagen es auch immer wieder. Sogar in der Jungen Union gibt es erste, zaghafte Vorstöße in die Richtung. Klar ist: Den Geflüchteten im Park ist damit nicht geholfen, solange sie dann immer noch nicht legal arbeiten dürfen. Aber für die Anwohner und die Konsumenten wäre das Problem erstmal gelöst – und es gäbe sogar noch einen riesigen Batzen extra Steuereinnahmen.

Trotzdem wird es wohl noch dauern, bis das im Rest der Gesellschaft angekommen ist. Bis dahin wird Leuten, die mit dem illegalen Schwarzmarkt in ihrer Nachbarschaft umgehen müssen, wohl auch nichts mehr übrig bleiben, als pinke Linien auf den Boden zu malen und die Dealer höflich zu bitten, sich da reinzustellen.

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