Drei Screenshots der Insta-Story, um die es in diesem Artikel geht
Screenshot vom Instagram der Polizei Berlin

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Cop Watch

Ist die Berliner Polizei mit ihrer Instagram-Kontaktanzeige zu weit gegangen?

Auf dem offiziellen Behördenaccount sucht ein Beamter nach einer Frau. Der Polizei ist das auch einen Tag später nicht peinlich.

Dass Polizisten auch nur Menschen sind, wissen wir natürlich schon länger – allerdings haben sie das bis vor ein paar Jahren ganz gut hinter der Beamten-Fassade versteckt. Seit sie in den sozialen Medien aktiv sind, ist das vorbei: Plötzlich werden wir überschwemmt von Polizisten, die Amateur-Rap-Videos drehen, zu viele Emojis benutzen und vor allem sehr viele Kalauer auf Twitter machen.

Und während wir noch überlegen, ob wir so viel Nähe eigentlich wollen, kommt er uns plötzlich noch viel näher: ein Polizist, der die Liebe sucht – über den offiziellen Instagram-Kanal der Polizei Berlin.

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"Bitte melde Dich", steht da in schnörkeliger Schrift, im Hintergrund die Silhouette eines Frauengesichts. "Du warst gestern 16.30 Uhr am U-Bahnhof Hallesches Tor und hast unseren Kollegen nach dem Weg gefragt?" Garniert ist das ganze mit einem kleinen Herz mit Pfeil. Im zweiten Teil der Story geht es weiter mit: "Dein Lächeln hat ihn verzaubert. Wenn Das Du warst, melde dich bitte per DM." Und ganz am Ende: "Du hast ihm zum Abschied ein Lächeln geschenkt. Jetzt sucht er dich – wir helfen."

Die Reaktionen auf diese innovative Dating-Hilfe: extrem unterschiedlich.

"Die Reaktionen auf Instagram sind bisher nur positiv", sagt Jörn Iffländer von der Social-Media-Abteilung der Berliner Polizei. "Alle wünschen uns viel Erfolg und wollen hören, ob die Betroffene sich meldet."

Auf Twitter sieht das ein bisschen anders aus. "Ich kann ja verstehen, dass ihr auf euren Social Media Accounts 'Bürgernähe' und so demonstrieren wollt, das ist lieb von euch", schreibt eine Userin, "aber könntet ihr euch vielleicht etwas mehr verhalten wie … die Polizei?" Ein anderer urteilt noch knapper: "Mein Freund und Stalker?"

"Wer sich mal den Tatbestand Stalking durchliest, der weiß, dass das haltlos ist", entgegnet Iffländer von der Polizei. "Aber dass es negative Stimmen geben würde, haben wir kalkuliert. Peinlich ist uns das trotzdem nicht, wir stehen dazu."


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Auf die Idee mit dem Hilferuf auf Instagram kamen die Beamten auch, weil sie ständig ähnliche Anfragen aus der Bevölkerung erhielten, erklärt Iffländer. "Wir werden auf unseren Kanälen ganz häufig angeschrieben von Bürgern, die nach Kollegen oder Kolleginnen von uns suchen, weil sie sich verliebt haben", sagt er. "Wir leiten das dann an die entsprechende Dienststelle weiter, und die Kollegen können sich dann melden – oder nicht." Das bemerke die Öffentlichkeit natürlich nicht. Und jetzt haben sie das Prinzip eben umgedreht: "Das ist jetzt das erste Mal, dass ein Kollege sich bei uns gemeldet hat", sagt Iffländer. "Und nach langer Diskussion haben wir gesagt, dass wir ihn unterstützen."

"Dass es negative Stimmen geben würde, haben wir kalkuliert. Peinlich ist uns das trotzdem nicht, wir stehen dazu." – Jörn Iffländer, Social-Media-Abteilung der Berliner Polizei

Auch auf Twitter gibt es Nutzer, die das Ganze harmlos finden – immerhin hat die Frau die Wahl, die Botschaft einfach zu ignorieren.

Andere – vor allem Frauen – fühlen sich jedoch an Situationen erinnert, in denen Polizisten ihre Macht und vor allem ihren Zugang zu persönlichen Daten klar missbraucht haben. So berichtet eine Frau von einem Strafzettel wegen Falschparkens, der für sie damit endete, dass ein Beamter sie stalkte: "Der Polizist klemmte ihn hinter den Scheibenwischer, als ich gerade zum Auto kam. Was soll ich sagen: Der Mann hatte meine Daten und rief mich wochenlang mehrmals am Tag an."

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Diese Art von Missbrauch ist in diesem Fall natürlich nicht gegeben – hier geht es eigentlich nur darum, ob ein offizieller Polizei-Account für so etwas benutzt werden sollte.

Auch hier scheinen Twitter- und Instagram-Nutzer das unterschiedlich zu sehen. Auf Instagram waren nämlich nicht nur die Reaktionen auf diese Aktion sehr positiv, sagt der Beamte Iffländer. Sondern die Leute wollten vor allem eines: Unbedingt informiert werden, wenn die Gesuchte sich gemeldet hat. Und das, verspricht er, wird auch passieren – natürlich auf Instagram.

Und das ist natürlich auch das geniale daran: Ob die Frau sich meldet oder nicht – für die Instagram-Power der Berliner Polizei ist das Ganze jetzt schon ein Riesenerfolg. Und je mehr Follower die Polizei hat, desto direkter kann sie in den öffentlichen Diskurs eingreifen – und ihn damit auch verändern. Super, wenn sie den Einfluss nutzt, um während Notlagen mit Gerüchten aufzuräumen. Nicht so doll, wenn sie zum Beispiel das Bild der G20-Demos in der Öffentlichkeit durch Falschmeldungen beeinflusst.

Die Frage ist also immer noch ungeklärt: War das eine gute Idee, die Polizei auf Social Media mitspielen zu lassen?

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