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Finanzielle Armut

Wir haben Hartz-IV-Empfänger gefragt, wie sie das Monatsende überstehen

"Meistens habe ich überhaupt nichts mehr übrig – höchstens mal fünf bis zehn Euro."
Eine Hartz-IV-Empfängerin
Alle Fotos von Grey Hutton

Wer mit wenig Geld studiert hat, kennt das: dieses unangenehme Gefühl, das sich in der Magengrube breit macht, wenn man seine GiroCard in den Geldautomaten steckt, die Pin eingibt und auf einmal eine sehr niedrige Zahl auf dem Bildschirm auftaucht. Für Menschen, die Hartz IV beziehen, ist das permanente Realität.

Der Hartz-IV-Regelsatz, der gerade maximal um sparsame acht Euro im Monat gestiegen ist, soll eigentlich den Bedarf für "Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat und Strom" decken, aber er ist so niedrig, dass das Geld gezwungenermaßen irgendwann knapp wird. Wir haben Hartz-IV-Empfänger gefragt, wie viel Geld sie am Ende des Monats noch übrig haben – und wie sie die harten Tage überstehen.

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Jörk, 52: "Zu Weihnachten schenke ich höchstens Sachen zurück, die ich vorher zu meinem Geburtstag bekommen habe"

Hartz-IV-Bezieher Jörk raucht und trinkt nicht – so reiche das Geld, sagt er

"Wenn man nicht raucht, keinen Alkohol trinkt oder sein Geld sonst für irgendwelche unnötigen Dinge ausgibt, reicht das Geld eigentlich immer den ganzen Monat über. Aber auch nur, weil ich zusätzlich noch einen Nebenjob habe, sonst würde es gerade zum Monatsende hin schon knapp werden. Ich bin jetzt schon 25 Jahre arbeitslos und habe mich daran gewöhnt, nicht viel Geld zu haben. Deshalb weiß ich, dass ich im Monat zum Beispiel nur 50 bis 100 Euro für Lebensmittel ausgeben darf.

Wenn besondere Ereignisse anstehen, wie Geburtstage oder Weihnachten, gibt es meistens keine Geschenke, das kann ich mir nicht leisten. Da schenke ich dann höchstens Sachen zurück, die ich vorher zu meinem Geburtstag bekommen habe – es bleibt ja dann in der Familie."

Kathleen, 34: "An erster Stelle stehen die Kinder – da stecke ich lieber zurück"

Mutter und Hartz-IV-Empfängerin Kathleen verzichtet für ihre Kinder

"Meistens habe ich überhaupt nichts mehr übrig – höchstens mal fünf bis zehn Euro. Ich versuche mir, das Geld so gut es geht den Monat über einzuteilen, damit ich am Ende des Monats nicht dastehe und kein Essen im Kühlschrank habe. An erste Stelle stehen für mich und meinen Mann aber immer die Kinder. Die müssen erstmal versorgt sein, bevor wir uns Gedanken darüber machen, was wir uns leisten können. Wir wollen unseren Kindern schließlich auch was bieten – da stecke ich lieber zurück. Wenn eins meiner Kinder Geburtstag hat, verkaufe ich vorher meistens ein paar Sachen im Internet, die ich nicht mehr brauche. Es ärgert mich aber schon sehr, dass ich nur so wenig Geld zur Verfügung habe und jeden Cent erstmal umdrehen muss, wenn ich meinen Kindern eine Freude machen möchte."

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Hans-Hermann, 64: "Im Vergleich zu meiner Rente war ich mit Hartz IV eigentlich richtig reich"

Rentner Hans-Hermann sagt, er bekomme jetzt weniger als mit Hartz IV

"Wenn man gut haushalten kann, kommt man mit Hartz IV ganz gut hin und muss sich auch keine Sorgen machen zu verhungern. Aber es ist eben so kalkuliert, dass man Ende des Monats nichts mehr übrig ist. Das Geld reicht gerade so für das Nötigste, aber wenn man zum Beispiel mal ins Kino oder in den Tierpark möchte, wird es schon schwieriger. Kleidung kaufe ich eigentlich immer nur im Sommer- oder Winterschlussverkauf. Da sind die meisten Sachen ganz gut runtergesetzt. Man muss eben vorausschauend kaufen und nicht erst dann, wenn man etwas dringend braucht.

Im Winter kaufen sich zum Beispiel alle dicke Jacken, aber dann sind sie auch am teuersten – das gleiche mit Weihnachtsgeschenken. Beim Lebensmittelkauf ist das nicht anders: Da gucke ich immer ganz genau, was gerade runtergesetzt ist und dann kaufe ich das. Auch wenn ich vielleicht eigentlich Lust auf etwas anderes zum Essen hätte. Nur so kann man sich manchmal auch noch etwas anderes gönnen, ohne das man schon vor Monatsende pleite ist. Vor kurzem wurde ich zwangsverrentet, das heißt, ich bekomme jetzt noch weniger und bin ein Fall für das Sozialamt geworden. Für 40 Arbeitsjahre bekomme ich so wenig Rente, dass ich zusätzlich eine Aufstockung beantragen muss. Im Vergleich zu dem, was ich jetzt bekomme, war ich mit Hartz IV eigentlich richtig reich. Aber in meinem Alter stellt mich auch niemand mehr ein, deshalb muss ich damit irgendwie auskommen."

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Frank, 58: "Ich habe noch 400 Euro – aber bei mir gibt es nur kaltes Essen"

Hartz-IV-Empfänger Frank hat zu Hause keinen Strom

"Momentan habe ich noch 400 Euro in der Tasche – also eigentlich ziemlich viel. Aber so viel Geld habe ich auch nur deshalb übrig, weil ich keinen Stromanschluss habe und somit keine Nebenkosten. Bei mir gibt es deshalb nur kaltes Essen. Aber ich habe seit Kurzem eine Betreuerin, die war gestern bei mir und meinte, dass der Strom die Tage eingeschaltet werden soll. Einerseits ist das natürlich schön, endlich Strom zu haben, andererseits muss ich dann umdenken, weil ich deutlich mehr Ausgaben haben werde.

Aber das wird sich dann ergeben – ich plane eigentlich nie wirklich im Voraus, wie viel ich ausgeben kann. Meistens hebe ich mir eine bestimmte Summe von meinem Konto ab und versuche dann, damit auszukommen. Wenn ich direkt alles abheben würde, wäre das Geld schnell weg. Vor allem für Tabak gebe ich ziemlich viel aus, weil ich sehr stark rauche. Im Sommer ist es noch extremer, da bin ich viel draußen und rauche eine nach der anderen."

Julia, 27: "Mein Sohn und ich haben einen kleinen Flohmarkt organisiert, für seine neuen Turnschuhe"

Die junge Mutter möchte sich nicht fotografieren lassen.

"Meistens habe ich zum Ende des Monats nur noch etwa 40 Euro übrig. Aber da ich mein Geld eigentlich kaum für irgendwelchen Schnickschnack ausgebe, komme ich mit Hartz IV ganz gut klar. Für Lebensmittel kann ich in der Woche um die 100 Euro ausgeben und das reicht in der Regel auch. Kritisch wird es eher, wenn es um Weihnachtsgeschenke geht. Ich plane immer schon im Sommer, was mein Sohn und die Nichten und Neffen kriegen. Dann kann ich jeden Monat schon ein bisschen Geld dafür zur Seite legen.

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Für sonstige größere Anschaffungen oder Freizeitaktivitäten für meinen Sohn lege ich Anfang des Monats immer 150 Euro vom Kindergeld zur Seite. Neulich wollte er aber Turnschuhe mit Rollen dran, die ziemlich teuer sind. Dann haben wir einen kleinen Flohmarkt organisiert, bei dem er alte Sachen verkaufen konnte. Von dem Geld hat er die Schuhe bekommen.

Einmal hat er sich eine Feuerwehrstation von Playmobil gewünscht, die hätte 80 Euro gekostet. Das konnte ich mir dann wirklich nicht leisten. Aber wirklich schlimm finde ich das nicht – ich möchte meinen Sohn ohnehin so erziehen, dass er nicht immer alles sofort bekommt, was er haben möchte."

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