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Sex

Malaysische Männer und ihre gefährliche Obsession mit Kopi-Jantan-Kaffee

Ein paar harte Fakten zu einem wachsenden Problem.
Illustrationen: Diedra Cavina

"Ich bin so schon unfassbar geil, wenn ich Meth nehme. Der Kaffee hilft mir dabei, ihn hochzukriegen", sagt Ezra. Seinen richtigen Namen will der 37-jährige Autor verständlicherweise nicht angeben, schließlich werden selbst kleinste Drogenvergehen im orthodox-islamischen Malaysia hart bestraft – auch mit dem Tod. Im Gegensatz zu Crystal Meth ist das Heißgetränk, das Ezra mit Vorliebe für seine drogengeschwängerten Sexmarathons konsumiert, in dem konservativen Land allerdings legal und überall erhältlich, egal ob in Geschäften oder Schnellrestaurants. Ein kleineres Problem als die Droge ist es trotzdem nicht.

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Die Rede ist von Kopi Jantan, sogenanntem Männerkaffee, Kräuterkaffeemischungen in kleinen Päckchen, die man mit heißem Wasser aufgießt. Sie sollen Müdigkeit bekämpfen, Schmerzen lindern, Hirnzellen wachsen lassen, den Stoffwechsel anregen und dem Altern entgegenwirken. Vor allem aber sollen sie die sexuelle Leistungsfähigkeit steigern.


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Laut Ezra macht seine Lieblingsmarke Kopi Panggung Al-Ambiak das so gut, dass sie selbst die Potenzprobleme ausgleicht, die sein regelmäßiger Drogenkonsum verursacht. Außerdem ist der Kaffee viel leichter zu bekommen als Viagra und obendrein auch noch aus rein natürlichen Zutaten. Das behaupten jedenfalls die Hersteller.

Auch wenn Al-Ambiak die Wirkungsweise seiner Kaffeemischung als eine Art Rohrreiniger für die Blutgefäße beschreibt, die einem die "Teenager Power" zurückgeben soll, ist angeblich alles rein pflanzlich. Neben Maca und Guarana schreibt der Produzent – wie viele andere Kopi-Jantan-Hersteller – die Wirkung seines Getränks vor allem Tongkat Ali zu.

Studien haben gezeigt, dass das Wurzelextrakt des in Malaysia und Indonesien heimischen Urwaldgewächses den Testosteronspiegel bei Männern anheben und die Spermienzahl erhöhen kann. Mit diesem Versprechen werden entsprechende Kapseln auch in Europa beworben. Allerdings entfaltet der Wirkstoff diese Wirkung nur in hohen Dosen – Mengen, die in einem Päckchen Kräuterkaffee kaum enthalten sein können.

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"Können Sie sich vorstelle, dass ein normaler Kaffee damit wirbt, ihnen heftige Erektionen zu verpassen?", fragt sich auch der Androloge Dr. Isamel Tamby. "Von was für Kaffee sprechen wir denn hier? Welcher Inhaltsstoff soll so eine Wirkung haben? Ist es das Koffein oder doch etwas anderes?"

In der Regel ist es etwas anderes, weitaus weniger natürliches als Urwaldwurzeln: nämlich variierende Mengen Sildenafil, den meisten eher unter dem Markennamen Viagra bekannt. Gelistet sind Sildenafil oder ähnliche Mittelchen unter den Inhaltsstoffen der Heißgetränke nicht. Natürlich nicht, schließlich ist es für die Hersteller illegal, ihren Kaffee mit pharmazeutischen Potenzmitteln anzureichern.

"Diese Getränke enthalten illegale Stoffe wie Viagra oder Cialis, die angegeben werden müssten", sagt Dr. Tamby. "Wenn es nach dem Gesundheitsministerium geht, handelt es sich dabei um Gifte, die nur kontrolliert abgegeben werden dürfen. Sie können einem nur von einem Arzt verschrieben werden."

2016 wurde in den USA ein ähnliches Produkt mit dem nicht sonderlich subtilen Namen Stiff Bull aus dem Handel genommen, nachdem die Lebensmittelbehörde FDA Spuren von nicht aufgelisteten Inhaltsstoffen entdeckt hatte. Darunter auch Desmethyl Carbodenafil, eine chemische Verbindung, die Sildenafil strukturell stark ähnelt.

Auch in Malaysia wurden einige der Produkte aus dem Verkehr gezogen. Diverse Kopi-Janta-Marken befinden sich jetzt auf der Schwarzliste des Gesundheitsministeriums, neben dubiosen Diätpillen und quecksilberhaltigen Bleichungscremes.

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Trotzdem boomt das Geschäft mit den Potenzkaffees in Malaysia. Genaue Zahlen zur Kopi-Jantan-Industrie gibt es keine, allerdings bezifferten lokale Behörden den Wert sichergestellter Sex-Stimulanzien 2016 auf umgerechnet fast 10 Millionen Euro. Und das sind nur die Produkte, die vom Markt genommen wurden. Die gesamte Industrie dürfte um ein Vielfaches größer sein.

Aber wie können diese Substanzen in einem Land mit einer derartig strengen Drogenpolitik als pflanzliche Nahrungsmittelergänzung durchgehen? Laut Koris Atan, dem Präsidenten der Verbrauchervereinigung des Bundesstaats Penang, hat das damit zu tun, dass die Regierung die Durchsetzung der bestehenden Gesetze in dem Bereich sträflich vernachlässigt – und möglicherweise sogar korrupt ist.

"Die Durchsetzung liegt bei Null", so Atan gegenüber VICE. Die Abteilung des Gesundheitsministeriums, die Lebensmittel überwacht, ist sehr klein und Atan schätzt, dass es nur je einen einzigen Beamten gibt, der für zehn verschiedene Produktkategorien zuständig ist.

Sowohl das Gesundheitsministerium, als auch das Department of Islamic Development Malaysia haben nicht auf eine Anfrage von VICE reagiert.

Dabei sind die Kaffeemischungen nicht ganz ungefährlich. Bislang ist ein Todesfall im Zusammenhang mit Männerkaffees bekannt, zwei weitere Personen wurden ohnmächtig ins Krankenhaus eingeliefert, und mehrere Personen erlitten einen Herzinfarkt.

Lebensbedrohliche Nebenwirkungen seien aber nicht das einzige Problem mit solchen Kaffees, sagt Dr. Tamby. Laut ihm würden malaysische Männer durch Potenzgetränke vermeiden, sich mit tieferliegenden Problemen auseinandersetzen. Die Allgegenwärtigkeit und leichte Verfügbarkeit Männerkaffees würde malaysische Männer davon abhalten, mit ihren "Performance-Problemen" zum Arzt zu gehen und an den eigentlichen Ursachen zu arbeiten, sagt der Experte.

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