Macheten, Samurai-Schwerter, Zombie-Tomahawks: Die Welt der legalen Waffen auf Amazon
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Macheten, Samurai-Schwerter, Zombie-Tomahawks: Die Welt der legalen Waffen auf Amazon

"Wir haben uns an dem Zombie-Zeug dumm und dämlich verdient", sagt ein deutscher Großhändler für Waffen aller Art.

Samstagabend, gegen 23 Uhr: Ein 50-jähriger Mann in Hessen greift seinen Nachbarn mit einer Machete an und fügt ihm mehrere Schnittwunden an Armen und Händen zu. Polizisten nehmen den alkoholisierten Angreifer fest und bringen ihn in eine psychiatrische Klinik.

Verbrechen mit altertümlichen Waffen passieren in Deutschland nicht so selten, wie man vielleicht denken könnte. Erst am Freitag vergangener Woche überfiel ein Jugendlicher mit einer Machete einen Mann in Schwerin. Zwei Tage zuvor lief ein mutmaßlich drogenabhängiger Mann Amok und verletzte zwei Menschen – unter anderem mit einer Machete. Erst im Februar hatte das Kölner Landgericht einen 38-Jährigen verurteilt. Er hatte letzten August dem Cousin seiner Frau, der gleichzeitig sein Chef war, ein 75 Zentimeter langes Samuraischwert in die Brust gerammt.

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Wer nach Verbrechen mit Samuraischwertern oder Macheten googelt, findet Dutzende Fälle aus ganz Deutschland allein in diesem Jahr. Niemand weiß, wie viele Verbrechen mit solchen Waffen tatsächlich verübt werden, weil die Polizei keine Statistik dazu führt. Wo die Waffen herkommen, ist leichter zu beantworten: aus Waffengeschäften, wie es sie in vielen Städten gibt – und oft von Amazon.

Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch: Wurfmesser

Auf dem Online-Marktplatz findet man so ziemlich alles, was man für einen Splatterfilm braucht: die "Walther Machete MachTac" (44,95 Euro), das "Cold Steel Torpedo Wurfmesser" (41,20 Euro) oder die "Defender-Xtreme Jagd Taktische Überleben Axt" (43,24 Euro).

Wer kauft sowas? Geht man von den Rezensionen aus, dann scheinen zumindest die Macheten teilweise wirklich von Menschen gekauft zu werden, die damit ihre Brombeeren in Schach halten ("Im Garten einfach nicht mehr wegzudenken", schreibt jemand über die "MachTac"). Aber das erklärt nicht wirklich, warum es eine ganze Produktsparte "Wurfmesser" oder "Tactical Combat Axes" gibt. Und auch nicht, warum man auf der Plattform Hunderte verschiedene Variationen von Katanas, also Samuraischwertern, kaufen kann.

Walther Machete MachTac | Screenshot: Amazon

"Wir haben Kunden aus allen denkbaren Gesellschaftsschichten", erklärt ein Betreiber eines Onlineshops für Samuraischwerter, der anonym bleiben will, gegenüber VICE. "Gemeinsam haben alle eine Begeisterung für die asiatische Kultur und Lebensweise." Oft habe der Waffenkauf auch eine spirituelle Komponente: "In unserer heutigen, komplizierten Welt sind viele Menschen auf der Suche nach der eigenen Identität und kaufen sich dann ein Schwert als Symbol für den Lebensweg, auf dem sie sich selbst sehen."

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Neben den Esoterikern gibt es aber natürlich auch den klassischen Waffen-Nerd. Der 21-jährige Joshua zum Beispiel, der ohne seinen Nachnamen erwähnt werden will, betreibt als "Doc Arts" einen eigenen YouTube-Kanal, auf dem er zahlreiche, teilweise selbstgebaute Wurfmesser, Äxte und Schwerter durch seine Scheune schleudert und ausgiebig über deren Qualitäten fachsimpelt. "Ich bin noch nie ein gewalttätiger Mensch gewesen, ich bin Gewalt immer aus dem Weg gegangen", sagt Joshua gegenüber VICE. Was ihn an Waffen fasziniere, sei vor allem die Auseinandersetzung mit einem Stück Menschheitsgeschichte. Und ja: ihre meditativen Eigenschaften. "Manche Leute fühlen sich natürlich cool mit Waffen", sagt er. "Aber ich finde den Wurfmessersport einfach entspannend – wenn ich nach genau der richtigen Anzahl Umdrehungen genau richtig treffe, dann gibt mir das ein gutes Gefühl."

Der 21-jährige Joshua zeigt seine Machete | Screenshot: YouTube

Joshua sagt, er kaufe viele seiner Waffen auf Amazon. Er hat sich aber auch beigebracht, eigene Waffen zu schmieden. Die Mühe dürfte sich aber – zumindest finanziell – kaum lohnen, denn Waffen sind überraschend billig. Seit Firmen in Asien billigere Produktionsmethoden entwickelt haben, werden selbst Samuraischwerter nicht mehr ausschließlich für Zehntausende Euro gehandelt, sondern sind in den lieblosesten Ausführungen auf Amazon mittlerweile schon für knapp 40 Euro zu haben.

"Wir verdienen uns dumm und dämlich daran"

Trotzdem schreibt der Waffenhändler: "Unterm Strich verkaufen sich heutzutage wesentlich weniger Schwerter als noch vor zehn Jahren." Das liegt wohl auch daran, dass die Waffentrends der Popkultur folgen: Die Leute kaufen offenbar gerne die Waffen, die sie gerade in Filmen und Serien sehen. Um die Jahrtausendwende waren das noch Samuraischwerter, wie sie Uma Thurman und Tom Cruise in "Kill Bill" oder "The Last Samurai" durch die Gegend schwangen. Heute hat ein anderer Trend die japanischen Krieger abgelöst: Zombies.

In der Beschreibung der "Zombie Dead Sideaxe" auf Amazon heißt es: "Ob nun zur Vorbereitung auf die Apokalypse oder für Fans ausgefallener Klingen – in der Messerlinie Zombie Dead sind zahlreiche Verteidigungsmöglichkeiten gegen Zombies zu finden." In der Tat reicht die Kollektion von Wurfmessern über Macheten und Katanas bis zu "Zombie-Tomahawks" – alle giftgrün, alle scharf.

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Breite Auswahl an Waffen für den Kampf gegen Zombies | Screenshot: Amazon

"Wir haben uns an dem Zombie-Zeug dumm und dämlich verdient", sagt ein hörbar zufriedener Robin Mack am Telefon. Mack arbeitet für Haller Stahlwaren, ein deutscher Traditionsbetrieb, der sich mittlerweile als Großhändler für Waffen aller Art betätigt – und unter anderem die Kollektion "Zombie Dead" herstellen lässt und vertreibt. "Vor zwei, drei Jahren gab es durch 'The Walking Dead' einen Riesenboom in dem Segment, die Leute sind auf einmal total auf Zombies abgefahren."

Aber wenn das alles nur Spaß ist, warum müssen die Waffen dann scharf sein? Kann man die nicht auch einfach stumpf verkaufen? "Nee, das würde gar nicht laufen", sagt Mack. "Die Leute wollen das scharf, auch wenn sie nur mal eine Wurst oder einen Käse mit ihrem Zombie-Messer schneiden."

Die Leute schneiden damit aber eben nicht nur Wurst, sondern sich auch gegenseitig. In Großbritannien zum Beispiel wurden die Zombie-Waffen zum Renner bei Straßengangs und gewalttätigen Teenagern: Sie sehen brutal aus, sind scharf – und extrem billig. "Zombie-Messer sind absolut grauenhafte Waffen", urteilte ein hochrangiger britischer Polizist, nachdem im August 2016 drei Teenager mit ihnen erstochen wurden. Daraufhin hat die britische Regierung die Waffen schon im August 2016 verboten. In Deutschland sind die Waffen aber immer noch frei verkäuflich. Allerdings hat es hierzulande auch noch keine Nachrichten über Verbrechen mit Zombie-Messern gegeben.

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"Ich schlage ihm eine Machete in den Kopf"

Deutsche Verbrecher, scheint es, benutzen lieber Macheten. "Wenn zum Beispiel Rockerclubs hochgenommen werden, dann findet man die fast immer", sagt Sascha Braun von der Deutschen Polizeigewerkschaft gegenüber VICE. "Die Dinger werden ja nicht zum Brombeer-Schneiden gekauft. Diese Waffen werden genau deshalb benutzt, weil das eben besonders beeindruckende Hieb- und Stichwaffen sind."

Tatsächlich tauchen Macheten immer wieder in Polizeimeldungen auf, wenn es um Rocker geht, aber auch bei allen anderen Arten von Gangs und Gewaltverbrechern. Genauso sind sie Teil der Popkultur. So drohte der Rapper Manuellsen damit, seinem Konkurrenten Bushido "eine Machete in den Kopf" zu schlagen.

Im Promo-Video der rocker-ähnlichen "Osmanen Germania" zeigt ein Mann sein verborgenes "Neck Knife" | Screenshot: YouTube

Sascha Braun von der Polizeigewerkschaft sagt, ihm bereite das breite Angebot auf Amazon Sorgen: "Dieser völlig unkontrollierte Onlinehandel ist gefährlich." Was ihn vor allem ärgert: Viele der angebotenen Waffen haben Klingen über zwölf Zentimeter Länge – und fallen nach dem Waffengesetz damit unter das Führungsverbot. Man darf sie zwar zu Hause aufhängen, damit aber nicht in der Öffentlichkeit herumlaufen. "Plattformen wie Amazon müssen einen klaren rechtlichen Hinweis haben, was hier überhaupt erlaubt ist und was nicht", sagt Braun, nachdem er sich ein paar Minuten seufzend durch die Angebote auf der Seite geklickt hat. "Jeder Käufer muss wissen, dass es verboten ist, solche Waffen in der Öffentlichkeit zu führen."

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Das Unternehmen will sich zu der Aussage nicht äußern und auch keine Verkaufszahlen mitteilen. Per E-Mail schickt ein Sprecher nur folgende Stellungnahme: "Alle Amazon Marketplace Verkäufer müssen sich an unsere Verkaufsbedingungen halten – erlangen wir Kenntnis über einen Verstoß, ergreifen wir entsprechende Maßnahmen, die die Schließung des Verkäuferkontos beinhalten können."

Laut Amazon seien außerdem einige der Artikel mit einem Hinweis auf das Führungsverbot versehen. Das war bei keinem der von VICE aufgerufenen Angebote der Fall. Die Anbieter weisen nur darauf hin, dass man ihre Waffen erst ab 18 Jahren kaufen dürfe.

Amazon sieht also keinen Handlungsbedarf, solange der Verkauf solcher Waffen legal und eine Kennzeichnung der Produkte keine Pflicht ist. Neben der Forderung, das Unternehmen solle mehr tun, um mögliche Käufer aufzuklären, stellt sich also die Frage, ob die Politik Waffengesetze, verschärfen muss – so wie in Großbritannien geschehen.

"Menschen dürfen komische Hobbys haben"

Der YouTuber Joshua sagt, er habe wenig Geduld mit jenen, die ein Verbot von Schwertern und anderen Waffen fordern: "Das sind Leute, die einen Sündenbock suchen – in dem Fall halt Waffen. Wo ist der Unterschied zwischen einem Streitkolben und einer Rohrzange? Mit beiden kann man einen niederknüppeln."

Bei allem Unbehagen, das Produkte wie "Combat Axes" auslösen, argumentieren ihre Fans, dass die Waffen nicht das Problem seien. "Rocker sind sowieso brutal, die würden auch jeden anderen Gegenstand nehmen, um jemanden zu verletzen", sagt Joshua. "Die meisten Delikte in Deutschland werden mit Küchenmessern begangen", sagt Robin Mack von Haller Stahlwaren – eine Quelle dafür hat er nicht, das liegt aber auch daran, dass eben niemand darüber Buch führt. "Wenn man konsequent ist, dann müsste man auch alle Kochmesser und Ähnliches verbieten."

Gut möglich, dass Macheten und Samuraischwerter auch deshalb öfter in der Berichterstattung auftauchen, weil sie einfach ein bisschen aufregender sind als Küchenmesser. "Ich persönlich höre oder lese häufiger darüber, dass jemand irgendwo mit einem Schwert gesichtet und im Endeffekt niemand verletzt wurde", sagt zum Beispiel der Händler für Samuraischwerter. "Das Samuraischwert verleiht so einer eher langweiligen Story etwas Dramatik."

Selbst Polizeigewerkschaftler Sascha Braun will sich nicht für ein generelles Verbot aussprechen. "Menschen dürfen komische Hobbys haben", sagt er. Dennoch: Die Welt der legalen Waffengeschäfte im Netz ist nicht nur bizarr und voller Testosteron, sondern auch ziemlich unheimlich.

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