Das Klischee vom feurigen "Zigeuner", der sich der Mehrheitsgesellschaft entzieht
Blättert man durch den aktuellen Bericht von Romano Centro, versteht man, was Ferdinand Koller meint, wenn er sagt, die Gesellschaft würde es nicht als ihre Aufgabe begreifen, Antiziganismus zu bekämpfen. Von Kinofilmen, die Stereotype reproduzieren, Aufklebern mit der Aufschrift "Zigeuner bringen Kriminalität und Krankheiten nach Österreich", über ein Schuhgeschäft in Dornbirn, in dem Roma nicht bedient wurden, bis hin zu Zugführern, die einen Fahrgast als "Scheiß Trottel-Zigeuner" beschimpfen – Antiziganismus zeigt sich im Zugang mit Gütern und Dienstleistungen, in der Popkultur, in unserem Alltag und auch in wichtigen Bereichen der gesellschaftlichen Teilhabe wie dem Arbeitsmarkt.Auch gewalttätige Übergriffe kommen immer wieder vor – wenn auch vergleichsweise selten und dann nicht unbedingt im medialen Scheinwerferlicht. Im Februar 2016 ereignete sich zum Beispiel eine Serie von Brandanschlägen in Linz, bei denen innerhalb von zwei Wochen drei Mal Zelte von Roma-Familien angezündet wurden."Am Anfang hab ich gedacht: 'Rassisten können nicht schreiben, wie funny.' Bis ich realisiert habe, dass der Schriftzug auf die SS-Runen anspielen soll."
Das Märchen von der Bettelmafia
Auch durch PolitikerInnen werde dieses Bild immer wieder absichtlich verbreitet, um Bettelverbote zu legitimieren. In einer Aussendung der FPÖ aus dem Dezember 2017 wird eben diese Verbindung mehr als deutlich: Unter der Headline "Bettelmafia ist aktiver denn je" fordert die FPÖ "einmal mehr ein sektorales Bettelverbot". "Wer nun immer noch leugnet, dass es in Wien eine Bettelmafia gibt, der verschließt die Augen vor der Realität", so Johann Gudenus weiter.In einem Bericht von SOS Mitmensch macht sich die Autorin auf die Suche nach der sagenumwobenen Bettelmafia und stößt auf einen Bericht von ORF Salzburg aus dem Jahr 2009, in dem von der Bettelmafia und bösartigen Hintermännern die Rede ist – weitere Informationen werden jedoch eher vage gehalten. Im Interview mit dem Augustin zum Thema sagt ein Oberst der Salzburger Polizei etwas, das bezeichnend für die Debatte ist: "Wir wollen es nicht tolerieren, speziell im Sommer während der Festspielzeit, wo viele Gäste da sind und das einfach kein gutes Bild macht, wenn in der Getreidegasse oder sonst in der Altstadt viel gebettelt wird.""Wer nun immer noch leugnet, dass es in Wien eine Bettelmafia gibt, der verschließt die Augen vor der Realität." – Johann Gudenus
Das Bild, das in den Medien vermittelt wird
Aber Koller bleibt optimistisch und betont, dass sich was tut. Zum Beispiel auf EU-Ebene: Das EU-Parlament hat eine Resolution gegen Antiziganismus in Europa veröffentlicht. Auch was die Verwendung des Wortes "Zigeuner" angeht, würde es vorangehen. Der Haken: "Das Bewusstsein geht so weit, dass man nicht mehr 'Zigeuner' sagt, aber da hört's dann auch schon auf", so Koller.Die "Zigeuner"-Produkte in den Supermärkten werden laut Koller immer weniger, auch wenn manche Brands noch nicht verstanden haben, warum man solche Produktnamen ändern sollte, wie ein aktuelles Facebook-Posting zeigt: Jemand beschwerte sich beim Kundendienst von Kelly’s über den Produktnamen "Zigeunerräder" und bekam folgende Antwort:"Das Bewusstsein geht so weit, dass man nicht mehr 'Zigeuner' sagt, aber da hört's dann auch schon auf."
"Unser Produkt Zigeunerräder wurde bereits in den 50er Jahren erstmals verkauft. Der Name und die Vermarktungsstrategie ergibt sich damals wie heute aufgrund der feurigen Paprikawürzung. Über Jahrzehnte sind Zigeunerräder ein vom Konsumenten 'gelerntes' Produkt und eine Namensänderung hätte ganz sicher einen Kaufrückgang zur Folge. Der Kunde verbindet seit Jahren mit diesem Namen ein Kelly’s Produkt mit würzigem Paprikageschmack."