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Ein Paparazzi erzählt, wie es ist, gehasst zu werden

"Für mich persönlich bedeutet Privatsphäre total viel. Was meinen Job angeht, bedeutet mir Privatsphäre natürlich nichts."
Jemand mit Fotokamera und großem Objektiv
Symbolfoto: imago images / Mika Volkmann

Wer bei dem Wort "Schnappschuss" an romantische Blicke zwischen zwei Liebenden denkt, hat noch nie ein Fotos von sich gesehen, auf dem Ketchup an der Lippe und Hackfleisch an der Nasenspitze klebt. Unbemerkt geschossene Fotos sind nicht immer schön – und wenn du Paparazzi bist, müssen sie das auch gar nicht sein.

Steffen, 29, fotografiert seit zehn Jahren Promis. Er wird dafür bezahlt, in die Privatsphäre berühmter Menschen einzudringen. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, wie es ist, gehasst zu werden. Da er Angst hat, keine Aufträge mehr zu bekommen, haben wir seinen Namen geändert.

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VICE: Ist dir klar, dass dich viele Menschen für deinen Job hassen?
Steffen: Klar. Ich lauere Stars auf und fotografiere sie in Posen oder in ihrem privaten Umfeld, in dem sie natürlich nicht gezeigt werden wollen. Wenn ich jemanden dabei fotografiere, wie er seiner Freundin oder seinem Freund fremdgeht, verstehe ich, wenn die Person mich dann hasst. Ich fotografiere oft private Momente, ich denen ich selber ja auch nicht gerne fotografiert werden würde.

Wie fühlt sich das für dich an?
Ich hab da kein Problem mit. Für mich ist das ein Job. Müllmann wäre nichts für mich, weil ich mich vor dem Müll ekeln würde. Ein Müllmann würde aber sicher sagen, dass ihm der Müll total egal ist. Ich habe in meinem Job keine Berührungsängste.

Bist du stolz auf deinen Job?
Ich bin verliebt in meinen Job. Ich finde das toll – diesen Adrenalin-Kitzel, das ewige Warten, bis man den Promi endlich vor der Linse hat, die Aufregung. Ich frage mich dann: "Wie sieht er aus? Was hat er an? Wo geht er hin?" Paparazzi zu sein, ist meine Berufung.

Wurdest du schon einmal körperlich angegriffen während der Arbeit?
Ja, ich will jetzt keine Namen nennen, aber es gab mal zwei Promis, die aus einem Lokal kamen. Das waren zwei Frauen, von denen man noch nicht wusste, dass sie zusammen sind, und ich habe sie beim gemeinsamen Verlassen des Restaurants fotografiert. Eine der beiden ist dann auf mich losgegangen. Geschlagen wurde ich bisher aber nicht. Es ist eher so, dass die Promis dann ganz nah an mich ran kommen und mich anschreien. In den USA passiert es häufiger, dass Promis den Paparazzis die Kamera entreißen und sie dann auf den Boden werfen. Das ist mir aber noch nie passiert. Ich glaube, die deutschen Promis gehen da in der Regel nicht so weit. Die wollen einfach, dass du die Fotos löschst, und brüllen dich an, was das soll, und ob du nichts anderes zu tun hättest.

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Wie fühlst du dich, wenn sie dich anbrüllen?
Niemand wird gerne angeschrien. Ob von einem Promi oder nicht. Das ist natürlich unangenehm, besonders wenn es auf offener Straße passiert und andere Leute in der Nähe sind.

Was war die schlimmste Beleidigung, die jemals jemand zu dir gesagt hat?
Ach, da gab es schon alles. Penner, Wichser, Asi. Einige schreien auch, dass ich mir einen richtigen Job suchen soll. Meistens sind es aber die Z-Promis, die sich aufregen. Das sind dann irgendwelche Bachelor-Tanten oder Leute aus dem Dschungelcamp, die so tun, als ob sie ganz wichtig wären. Ich denke mir dann immer: "Digga, du hast das doch eigentlich genau nötig." Richtige Stars wie Verona Pooth, Heidi Klum oder Boris Becker würde sich niemals so aufregen. Die sehen dich und laufen dann einfach weiter. Die wissen aber auch, dass es ihnen nur selbst schadet, weil es am nächsten Tag in der Bild steht, wenn sie mich beleidigen oder angreifen.

Welches Foto hatte die miesesten Konsequenzen für die Person auf dem Foto?
Mir fällt zwar etwas ein, das darf ich aber leider nicht erzählen. Dieser Promi ist nach der Veröffentlichung der Bilder vor Gericht gegangen. Ich musste eine einstweilige Verfügung unterschreiben, dass die Fotos nie wieder gedruckt werden dürfen. Aber ganz allgemein gesprochen ist Fremdgehen natürlich immer eine krasse Sache. Oder auch wenn Fußballer sich nachts mit irgendwelchen It-Girls treffen, obwohl sie eigentlich eine Frau zu Hause sitzen haben.

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Hast du Mitleid mit Promis, die du in flagranti erwischt?
Nein. Das ist deren Problem. Ich würde immer draufhalten, egal was es ist. Es sei denn, jemand liegt im Sterben, dann natürlich nicht. Das ist jetzt aber auch ein übertriebenes Beispiel. Ich habe natürlich auch Mitleid mit Michael Schumacher und seiner Familie. Aber wenn ich irgendwelche Promis knutschen sehe, die nicht zusammengehören, dann hab ich kein Mitleid, nur weil die einen Partner haben.

Was war der intimste Moment, bei dem du jemanden fotografiert hast?
Fremdgehen. Ich habe mal einen sehr bekannten Musiker fotografiert, der mit einer relativ unbekannten Dame in einem Berliner Restaurant war. Das war deshalb so brisant, weil er zu dem Zeitpunkt mit einer anderen Frau zusammen war. Seine Begleitung hatte damals selbst die Presse über dieses Treffen informiert, weil sie meinte, er sei ein Arschloch. Am Ende hat ihr das natürlich zu mehr Aufmerksamkeit verholfen. Sie hat später sogar noch ein Interview gegeben und verraten, dass sie miteinander geschlafen haben. Und ich habe mal ein Bachelor-Girl oben ohne am Wannsee fotografiert. Wir haben dann zwar Sternchen über ihre Nippel gebaut, aber das war trotzdem recht intim.

Welches Foto bereust du?
Keins. Jedes Foto erzählt eine Geschichte, ist einzigartig und wertvoll. Fotografie ist immer noch Kunst und auch Fotos von Promis sind Kunst. Und deswegen bereue ich nichts.

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Was bedeutet Privatsphäre für dich?
Für mich persönlich bedeutet Privatsphäre total viel. Ich poste keine Fotos von meinem Sohn oder meiner schwangeren Frau in sozialen Netzwerken. Ich bin da sehr vorsichtig. Was meinen Job angeht, bedeutet mir Privatsphäre natürlich nichts. Die Privatsphäre von Prominenten ist ja genau das, was die Leser interessiert. Die wollen wissen, ob eine Prominente dasselbe nach einer Trennung durchmacht wie sie selbst. Viele Promis entscheiden sich ja auch bewusst dafür, ihr Privatleben öffentlich zu machen. Pietro und Sarah Lombardi haben zum Beispiel die Geburt ihres Kindes und ihren Hausbau von RTL2 dokumentieren lassen. Wenn ich die beiden dann auf der Straße fotografiere und sie zu mir sagen, ich soll keine Fotos machen, finde ich das sehr merkwürdig. Die haben das Intimste überhaupt ans Fernsehen verkauft. Und jetzt darf man die auf einmal nicht auf der Straße fotografieren, nur weil sie dafür kein Geld bekommen? Wenn so jemand dann plötzlich behauptet, ihm sei Privatsphäre heilig, finde ich das lächerlich.

Was bedeutet dir Moral?
Ich mache Fotos von Prominenten. Moral spielt bei mir nicht so eine große Rolle wie bei einem Arzt oder einem Polizisten. Trotzdem finde ich, dass ich einen Dienst leiste. Und wenn man sich die Zahlen der Magazine anguckt, wird dieser Dienst ja auch gerne in Anspruch genommen.

Wenn ich aber als Ersthelfer bei einem Verkehrsunfall dabei wäre, in den ein Promi verwickelt ist, würde ich meine Kamera natürlich sofort weglegen und helfen. Genauso wäre es, wenn jemand eine Alkoholvergiftung hätte und in körperlicher Gefahr schweben würde.

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Welches Foto hast du nicht geschossen, obwohl du die Möglichkeit gehabt hättest?
Ich habe nie extra kein Foto geschossen. Wenn ich einen Auftrag habe, fotografiere ich auch. Wenn ich privat im Urlaub in Badehose am Strand liege und zufällig einen Promi sehe, mache ich kein Foto. Wäre das ein richtig bekannter Promi, würde ich es mir überlegen, aber wenn da jetzt nur so ein Til Schweiger vorbeiläuft, hol ich dafür nicht mein Handy raus.

Eine Momentaufnahme kann verdächtig aussehen, auch wenn eigentlich nichts dabei war. Wie oft hast du schon etwas Harmloses fotografiert und es dann als Skandal verkauft?
Gerüchte über eine mögliche Schwangerschaft sind so eine Sache. Manchmal sieht es auf dem Foto so aus, als würde sich darunter ein Schwangerschaftsbäuchlein verstecken. Man könnte es aber auch in Guido Maria Kretschmers Worten sagen: "Das Kleid tut nichts für sie." Wie das Magazin es dann letztendlich dreht, ist eine interne Entscheidung.

Hast du schon mal ein Leben oder eine Karriere zerstört?
Nein, habe ich nicht. Ich glaube, hier in Deutschland ist es aber auch schwierig, die Karriere eines Promis mit nur einem Foto zu ruinieren. Da bin ich auch ganz froh drüber. Wenn du jetzt Politiker oder Wirtschaftsbosse fotografierst, ist das etwas anderes. Würde ich den Bahnchef dabei fotografieren, wie er Versicherungsangestellten einen Umschlag mit Bargeld überreicht, das sie dann an einem Abend für Sexpartys raushauen, wäre das natürlich schon cool.

Gibt es Promis, die du nicht für Negativschlagzeilen fotografierst? Oder würdest du für eine gute Story auch deine Freunde verkaufen?
Ein guter Paparazzi hat keine Promi-Freunde [lacht].

Hasst du Instagram, weil es dich deinen Job kosten könnte?
Instagram macht auch schon heute teilweise meinen Job. Wenn Cathy Hummels ein ungeschminktes Bild von sich mit Baby auf dem Arm postet, muss ich das nicht mehr fotografieren. Die Klatschblätter sind voll von Instagram-Fotos oder Screenshots von Twitter. Letztens habe ich in einem Artikel Urlaubsbilder von Nina Bott gesehen, die waren alle mit ihrem eigenen Handy gemacht. Wofür soll mich ein Magazin in die Karibik schicken, wenn sie ihre Fotos freiwillig abgibt? Instagram wird mich bestimmt irgendwann meinen Job kosten. Aber deswegen stresse ich mich nicht.

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