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Sport

Wir haben einen Experten gefragt, warum Tennis-Matches so einfach zu manipulieren sind

Der aktuelle Manipulations-Skandal wirft viele Fragen auf—nicht nur im Hinblick auf Tennis, sondern auf die gesamte Welt des Profisports.

Foto: Promo Madrid | Flickr | CC BY-SA 2.0

Es war überraschend, als BuzzFeed und die BBC diese Woche Beweise für verbreitete Manipulation im Profi-Tennis veröffentlichten. Es war die Rede von Geheimtreffen in Hotels, von internationalen Glücksspiel-Syndikaten und riesigen Bestechungssummen. Am Montag hat der serbische Weltranglistenführer Novak Djokovic den Berichten Glaubwürdigkeit verliehen, als er erzählte, er habe 2007 eine Bestechungssumme von 200.000 Dollar abgelehnt, die ihm geboten wurde, um absichtlich zu verlieren. VICE hat den Glücksspielexperten Dr. Steve Georgakis von der Universität Sydney kontaktiert, um herauszufinden, wie leicht man eigentlich ein Match manipulieren kann.

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VICE: Warst du überrascht, als der Skandal mit den manipulierten Matches ans Licht kam?
Dr. Steve Georgakis: Überrascht, dass im Tennis Matches manipuliert werden? Natürlich nicht. Ich vermute, das passiert in allen kommerzialisierten Sportarten.

Aber wenn man ein Spitzensportler ist, dann ist das doch keine große Summe, für die es sich lohnt, potentiell die ganze Karriere zu verspielen?
Ich muss ehrlich sein, ich weiß nicht, was die Spitzenspieler in aller Welt verdienen, aber sie verdienen am Tennis viel Geld. Das sind aber die Top 100 oder 50 … Es gibt unzählige Tennisspieler da draußen, die sehr gut sind, aber die nicht sehr viel Geld verdienen. Und da gibt es dann natürlich eine gewisse Versuchung, sich zu denken: „Wenn ich nicht erwischt werde, und am Verlieren ein bisschen mehr verdiene als am Gewinnen, warum sollte ich dann nicht einfach verlieren?"

Warum ist es so einfach, Tennis-Matches zu manipulieren?
Im Gegensatz zu vielen anderen Sportarten wie Rugby oder Fußball handelt es sich bei Tennis um einen Sport, wo einer gegen einen antritt. Da es immer nur um ein Individuum geht, kann man hier sehr viel leichter manipulieren.

Es hat auch etwas mit dem Wesen des Sports zu tun. Du kannst dich während eines Spiels verletzen, oder du kannst in sehr wichtigen Momenten, die den Ausgang der Partie beeinflussen, sagen, du hättest Bauchschmerzen. Es gibt einige individuelle Fehler, die man machen kann.

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Novak Djokovic hat den Medien mitgeteilt, dass man 2007 versucht hat, ihn zu bestechen | Foto: Marianna Bevis | Flickr | CC BY-ND 2.0

Diese Untersuchung ist ziemlich einzigartig, weil sie die Manipulationen anhand eines Algorithmus entdeckt hat. Wie werden die Leute ansonsten erwischt?
Es ist sehr schwierig. Wenn man sich die Leute ansieht, die schon erwischt wurden, dann ging es meist um aufgezeichnete Unterhaltungen, in denen sie eindeutig von ihren Plänen erzählt haben.

Du beschäftigst dich in deiner Forschung mit Sportwetten. Erzähl mir ein bisschen mehr darüber.
Manipulationen kann man nur sehr schwer nachweisen. Ich vermute, dass es erst in den letzten Jahren zu einem großen Anstieg [der Manipulation] gekommen ist, weil es jetzt so viele Online-Wetten und exotische Formate gibt. Bei vielen Manipulationen geht es nicht einmal unbedingt um den Sieg. Es kann auch um ein Detail innerhalb des Spiels gehen. Das nennt man „Spot-Fixing".

Es funktioniert, weil es gewisse Syndikate gibt, die versessen darauf sind, mit Sport Geld zu verdienen, und Tennis ist natürlich ein Sport, der jeden Tag in aller Welt gespielt wird. Viele Spiele finden im Rahmen von Meisterschaften statt, wo die Turniere nicht so wichtig sind oder es sich nur um Testspiele handelt. Es gibt oft nicht viel Überwachung. Alle Sportarten, also auch Tennis, stecken mit den Sportwettagenturen und großen Firmen unter einer Decke, also gibt es natürlich auch Korruption.

VICE SPORTS: Wettbetrüger müssen Spiele gar nicht manipulieren, sie erfinden sie einfach

Meinst du, der Einfluss der Sportwettbüros erklärt, warum die Tennisverbände nicht gehandelt haben, als es Berichte über manipulierte Matches gab?
Es sind nicht nur große Glücksspielfirmen, doch ich bin mir sicher, dass sie viel damit zu tun haben. Bei den Australian Open dieses Jahr ist [Buchmacher] William Hill einer der Sponsoren. Das wahre Problem ist, dass in einer hochgradig kommerzialisierten Sportwelt alles Negative sehr schlecht fürs Geschäft ist. Wenn auf den Sportlern also ein negativer Verdacht lastet, dann ist das schlecht für den Sport.

Du glaubst also nicht, dass es nur im Tennis so ist?
Deswegen hat der Weltleichtathletikverband auch jegliches Doping-Problem komplett abgestritten. Dasselbe gilt für Sportwetten. Könntest du dir vorstellen, dass in dem Interview vor ein paar Tagen die Tennisverbände gesagt hätten: „Ja, das hatte man uns gemeldet"? Das signalisiert den Zuschauern, dass der Sport manipuliert ist, und das ist schlecht fürs Geschäft.