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Bis so guet

Gestopfte Hühner schreien lauter

Wer frei sein will, muss seinen Mittelfinger lieben und die soziophile Arschkriecherei der Öffentlichkeit hassen.

Foto von VespaRossa

Was ist schon Freiheit. Sind es die Weiten der Prärie, die der Marlboro Mann durchreitet? Ist es die Kippe im Mundwinkel oder der ungezähmte Gaul unterm Hintern, was Grenzenlosigkeit verspricht?

Oder heisst Freiheit, so zu tanzen, als wäre man ein Epileptiker auf Speed? Löst DJ Bobo unsere seelischen Fesseln, wenn er „Freedom" prophezeit? Und ruft die Parole „Feel free. Feel Carefree" zum revolutionären Freiheitskampf der Damenhygieneprodukte?

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Freiheit ist käuflich, solange ihre Grenzen vertuscht werden. Die Werbe-Ikonen von Marlboro-Country pafften sich grenzenlos frei und schnorrten mit Stimmprothese am Kehlkopfloch Zigaretten bis ihnen die Luft wegblieb. Tampons sind gepresste Wattebäusche, deren Primaballerina-Prinzessinnen-Lebensgefühl Frauen sich wie gestopfte Hühner fühlen lassen. Und der Eurodance spricht ohnehin schon für sich selbst.

Foto von David Jackmanson

Grenzen beenden Freiheiten—und alles hat eine Grenze. Die Dose begrenzt das Bier, die Hausmauern das eigene Reich und Buchstaben unsere Sprache. Es ist absurd. Wir sind süchtig nach Grenzen. Gesetze allein reichen noch lange nicht. Aber auch, wenn die hinterletzte Gassenspalte unserer Zwingliwelt mit Flatrate-Verordnungen und Zeigefinger-Beschilderungen zugepflastert ist, wir fühlen uns noch nackt genug, um nicht ohne die nonverbale Sittenpeitsche aus dem Haus zu gehen.

Dem Hungertod nahe lass ich also die Salznüssli an der Bar. Auch wenn es Zuhause nur vegane Sojawürste auf den Teller gibt, die Scham ist grösser als der Fresstrieb. Mein Bauch knurrt mir wüste Schimpfe, aber man will ja in der entspannten, lockeren Zürcher Feierabendbierkultur nicht als pubertärer Nimmersatt durchgehen.

Und eine Ehrung in der Hall of Shame der VBZ wäre mir sicher, würde ich dem Turnschuh tragenden Mittsiebziger nicht meinen Platz im Bus anbieten. Auch so eine Anstandsfloskel, die nicht so gemeint ist. Wäre mir total egal, wenn es ihn in der Kurve von den sportiven Sohlen haut.

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Aber echt, was bringt die Arschkriecherei? Jedes Mal, wenn ich Moral und Anstand beim Petting in der Öffentlichkeit erwische, kommt mir die Galle hoch. Die erzwungene Liebkosung meiner unbekannten Mitmenschen lässt mich Wünsche hegen, die ich eigentlich nicht habe. Ich will auf die Salznüssli urinieren und dem Senior gegen das Schienbein treten. Ich möchte auf dem Paradeplatz die Faust in die Luft halten und den „Scheiss-auf-Alles-Tag" ausrufen.

Foto von Kingfox

Ich würde ihn feiern. Ich würde Zigaretten an Kinder und Alkohol an Muslime verteilen. Gefällt dir nicht? dann kriegst du den Mittelfinger! Den kriegt ihr ab jetzt flatrate. Ich würde ihn dem Baby wegen Lärmbelästigung im Zug und dem Zug wegen Überfahrens meiner Katze zeigen. Ich würde ihn der Schlagermusik und dem Koriander entgegenstrecken. Ich würde ihn der Sittlichkeit in die Augenhöhlen bohren, bis sie ihre Blindheit zugibt.

Ich würde mit meinen Freundinnen rummachen, weil ich sie so liebe. Ich würde meinem Freund sagen, dass ich im Leben alles mit ihm tun würde. Ausser einen Dreier mit zwei Frauen. Das ginge dann schon etwas zu weit.

Zu weit gehen könnt ihr auch dieses Wochenende:

Heute nehmen wirs gemütlich und gehen an ein paar friedvolle, brave, butterzarte Konzerte. Entweder ins Kairo zu Patrick Bishop oder ins Bundeshaus zu Diane Clack. Und falls euch jugendlichen, kulturschmarotzenden Schwerenötern das einfach zu öde ist, gibt es immer noch die Yolo-Meile an der Langstrasse und deren lebende Anachronismen; Gonzo, Zukki, Longstreet, Plaza oder (Langstrasse ist kein Ort, sondern ein Lebensgefühl, ihr Bitches) natürlich auch das Hive.

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Morgen stürzen wir dafür richtig ab. Sucht euch irgendeine Droge aus, trainiert euren Mittelfinger und schnallt was um. Das Warm-up vibriert euch die vorgegaukelte Kultiviertheit von den Lippen. Opening Dzama, Aus dem Off unplugged, Schwarzwaldallee unchained, Upstate unimited, Starkart glued out und Perla, so frech und desillusioniert wie immer. Kunst, Komasaufen, blinde Omas ausrauben, der Unterschied liegt rein beim StGB.—Dann wirds irgendwie deep. Wild West Undressed im Sud, Extrawelt im Salzhaus, the Home-Szories & Moira im [Kraftfeld](http:// http://www.kraftfeld.ch/programm.htm). Oder [7 Jahre Friedas Büxe](http:// http://www.friedasbuexe.ch/programm/). Und für die alten Eisen, die wandelnden Toten, die verflixten Hunde unter euch: 5 Jahre Shuttlebus im [Sedel](http:// http://www.sedel.ch/club/shuttle-party)!

Am Samstag gehts gleich rabiat weiter. Wir starten in der Katz (Miau!), die mit Schall und Rauch Einlass in die Rückseite ihrer entarteten Gefielde gewährt. Dann gehts auf ins Level II der Soziopathennacht mit Format B in der Kiste und dem 6. Lauter Festival im Stall 6. Und zum Schluss noch einmal kräftig auf den Hirnstaubsauger gedrückt mit Theos Fried Chicken Store im [Schwarzen Engel](http://www.schwarzerengel.ch/programm/konzert/theos-fried-chickenstore/ ) oder Dub Temple im [Kiff](http:// http://www.kiff.ch/de/kiff-gesamtprogramm-detail---0--0--0--1276.html).

Sonntags gehen wirs nicht ruhig an. Wir stürzen uns in den Kinemattographensumpf und geben uns Ueli Maurers Pommes Frittes Automat.

Am Montag sagen wir [Die! Die! Die!](http:// http://www.grabenhalle.ch/kalender/19.05.2014/DIE+DIE+DIE+NZL/160818) (NZL) in der Grabenhalle.

Dienstags suchen wir Häuser für Menschen im Kino Kunstmuseum.

Und am Mittwoch ist uns scheissegal was ihr tut oder lasst.