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Sex

Diese Frauen stehen darauf, Männern beim Fettwerden zuzuschauen

Ein Großteil der Berichterstattung über "Feeding" beschränkt sich auf Männer, die gerne Frauen dabei zuschauen, wie sie an Gewicht zulegen. Es gibt aber auch viele Frauen, die es lieben, wenn ihre Jungs in die Breite gehen.
Bauch von einem übergewichtigen Mann
Foto von Quinn Dombrowski | via Flickr | CC BY-SA 2.0

Gabriela hatte ein Festmahl aufgetischt. Sie hatte bergeweise Hamburger-Patties mit knusprigen Bacon-Stückchen gebraten, eine hausgemachte Soße zusammengerührt, um die Burger damit zu übergießen, und zum Nachtisch gab es ihre berühmten Coconut-Cherry-Muffins und selbstgemachtes geben. Eingeladen war zu diesem kulinarischen Gelage aber nur ein Gast—und ihn zu füttern, war Teil des Vorspiels.

Bei einer Größe von etwa 1,60 Meter und einem Gewicht von 60 Kilogramm ist Gabriela, was ihre Statur angeht, weit entfernt von der Art von Frauen, die man normalerweise mit „Feeding" in Verbindung bringt—einem Fetisch, bei dem Füttern, Essen und Gewichtszunahme erotische Komponenten sind. In den Mainstreammedien ist Feeding in der Regel kein großes Thema. Und wenn der Fetisch dann doch mal behandelt wird, dann oftmals begleitet von Bildern von Frauen mit aufgeblähten Bäuchen, die derartig vollgestopft sind, dass sie sich nicht mehr bewegen können. Gabriela ist aber keine dieser Frauen. Sie will nicht gefüttert werden—sie will füttern.

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Die Geschichte von Menschen wie Gabriela, wie auch die von anderen weiblichen Feedern, ist nicht die, die in der akademischen Forschung, in den Medien oder selbst in den Mainstream Feeder-Communitys im Internet präsent ist. In Texten über den Fetisch gibt es kaum einen Hinweis auf die Existenz von weiblichen Feedern. Wenn man nicht gerade selbst tief in dieser Szene steckt, dann wird man kaum wissen, dass es sie überhaupt gibt.

Die Rolle von Frauen in der Feeder-Gemeinschaft hat allerdings die Aufmerksamkeit von Dr. Kathy Charles erweckt, einer Psychologin an der Edinburgh Napier University, die Co-Autorin des ersten wissenschaftlichen Buches über Feeding ist, das später in diesem Jahr noch erscheinen soll.

„Es gibt eine Handvoll Dokumentationen über Feeding—vor allem über Frauen, die gefüttert werden, bis sie sich nicht mehr bewegen konnten—, die den Fetisch als etwas Gefährliches darstellen", erklärt mir Charles. Sie sah Geschichten von Frauen wie Donna Simpson, die Mitte der 2000er dafür Berühmtheit erlangte, dass sie die fetteste Frau der Welt werden wollte. 2007 startete Simpson eine Website, über die ihre Fans ihr live beim Essen zuschauen konnten. In ihren schwersten Zeiten brachte sie 270 Kilogramm auf die Waage.

Charles' Interesse war geweckt. „Wir wollten herausfinden, warum Menschen so etwas machen und warum sie sich in derartige Beziehungen begeben."

Dr. Charles und Michael Palkowski—ihr Kollege und Co-Autor—fingen an, die bisherige Forschung zu dem Thema zu begutachten. Was sie dort vorfanden, war ein unglaublich eng gefasster, einseitiger Blick auf die Feeding-Gemeinschaft. Wieder und wieder kodierten die Studien die Rolle des Gainers, also des Gefütterten, als weiblich und die des Feeders, also des Fütterers, als männlich. Ein Lehrbuch zu Sexualität von 2006 ging sogar so weit zu behaupten, dass dieser Fetisch bei Frauen so großen Anklang findet, weil für diese Essen eine „ähnlich sinnliche Erfahrung wie ein Orgasmus sei."

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Foto von Smallworldspictures123 | Flickr | CC BY 2.0

Die gleichen Themen und Geschlechtszuschreibungen tauchten in den meisten, wenn nicht allen, Medienberichten über Feeding auf. Der Fetisch war Thema in der TLC-Sendung Strange Sex und National Geographics Taboo und in beiden Fällen wurden jeweils nur Frauen gezeigt, die versuchten, Gewicht zuzulegen. Als das Bitch Magazine 2009 über das Phänomen berichtete, definierte es den Fetisch wie folgt: „Ein ‚Feeder' (in der Regel ein Mann) ermuntert den ‚Feedee' (in der Regel eine Frau) Gewicht zuzulegen." Ein Jahr später erschien im Guardian ein Artikel über „Frauen, die übergewichtig sein wollen." Darin heißt es: „Es gibt eine Menge Männer [auf der Seite der Feeder], aber es sind die Bilder der weiblichen Gainer, die einem wirklich in Erinnerung bleiben. In unserer heutigen Landschaft der normierten Körper stehen sie heraus als kontrovers, mutig und sichtbar politisch." Frauen, die gerne füttern, wurden an keiner Stelle erwähnt.

Tanya kann sich noch daran erinnern, wie sie als Kind die Geschichte von der alten Frau, die eine Fliege verschluckte, gehört hatte und direkt davon angetan war. „Irgendetwas in mir machte klick. Ich habe danach davon geträumt."

2011 fand dann ein leichter Wechsel in der Narrative um den Fetisch statt. Ein Forscherteam der University of Lethbridge stolperte über etwas, das es „den seltsamen Fall weiblicher Feeder", nannte. Die daraus hervorgegangene Studie mit dem Titel „Feederism in a Woman" beschreibt die Erfahrungen einer Person namens Lisa, die sexuelle Fantasien über Gewichtszunahme und Füttern hatte. Lisa selber war nicht übergewichtig und befand sich in einer monogamen, Nicht-Feeder Beziehung. Der Gedanke daran, ihren Partner zu füttern war für sie aber extrem erregend. Trotzdem ging Lisa nie eine richtige Feeding-Beziehung ein. Das, so fassten es die Forscher zusammen, war ungewöhnlich genug, um es als „einzigartige Paraphilie" betrachten.

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Charles und Palkowski glaubten, dass es im Feeder-Universum mehr gibt, als bloß Männer, die Frauen füttern, und so fingen sie an, Menschen aus der Szene zu interviewen. Am Ende hatten sie sich mit der größten Stichprobe von Feedern und Gainern unterhalten, die je für eine wissenschaftliche Arbeit zusammengetragen worden war. „Und wir haben definitiv nicht vorgefunden, dass die Szene von männlichen Feedern und weiblichen Feedees dominiert wird", sagt Charles.

Stattdessen, so erklären mir Charles und Palkowski, sind fast alle Mainstreamberichte über Feeding falsch—oder scheitern zumindest daran, die Diversität der Gemeinschaft und die Rolle der Frauen darin angemessen zu repräsentieren.

Foto von Tony Alter | Flickr | CC BY 2.0

Eine dieser Frauen ist Tanya, die mir erzählt, dass sie schon ihr ganzes Leben lang von Gewichtszunahme fasziniert ist. Sie kann sich daran erinnern, wie sie als Kind die Geschichte der alten Frau, die eine Fliege verschluckt, gehört hat und davon sofort fasziniert war. „Irgendetwas in mir machte klick. Ich habe davon geträumt. Ich war gerade mal sechs Jahre alt, also war ich nicht gerade erregt davon, aber ich bekam es einfach nicht mehr aus meinem Kopf."

Heute durchforstet Tanya täglich Feeding-Websites—Seiten wie Dimensions, auf denen sich Fan-Fiction und Erotika zu dem Thema finden, oder Curvage, wo Frauen zu sehen sind, die zunehmen. Auch wenn sie diese Seiten schon seit Jahren besucht und sich an dem Anblick erfreut, wie andere an Körperumfang gewinnen, hat sich Tanya noch nie an den Onlinediskussionen beteiligt oder mit irgendeinem der anderen Mitglieder unterhalten.

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„Es sind fast alles Männer, die [auf diesen Seiten] Feeder sind", erzählt sie mir und fügt hinzu, dass sich in den meisten dieser Foren als Frau, die selber nicht daran interessiert ist, zuzunehmen, fehl am Platz fühlt. „So, wie sie dort über Frauen reden—es ist fast ein reiner Männerverein."

Es gibt unzählige Orte für Frauen im Internet, an denen sie ihre Geschichten über Gewichtszunahme teilen können—wie auch Fantasy Feeder, die allumfassende Feeding Datingseite, die vor allem von fülligeren Frauen und ihren Verehrern bevölkert wird. Dann gibt es auch noch Seiten wie Grommr, bei denen sich schwule Gainer und Feeder treffen. Gabriela zufolge „gibt es so gut wie keine Seiten für heterosexuelle männliche Gainer und weibliche Feeder."

Als sie anfing, Menschen aus der Community zu treffen, versuchte es Gabriela mit Fantasy Feeder, das als die größte Feeding-Webseite angepriesen wird. Irgendwann hatte sie aber genug von den unzähligen Nachrichten von Männern, die davon ausgingen, dass sie ein Gainer sei. „Es gibt tonnenweise männliche Feeder auf der Seite, die denken, dass alle Frauen darauf stehen, Gewicht zuzulegen", sagt sie, „und selbst wenn du in dein Profil schreibst, [dass du ein Feeder bist], hören sie nicht auf zu fragen."

Auch Myriam, eine Frau, die sich sowohl als Feeder, als auch als Mutual-Gainer [d.h. beide Partner sind Feeder und Gainer zugleich] identifiziert, teilt diese Meinung. Sie sagt, dass sie sich auf Fantasy Feeder „nie richtig zu Hause gefühlt" hat. „Die Seite wird von weiblichen Gainern und männlichen Feedern dominiert. Daran ist natürlich nichts verkehrt—es ist nur einfach nicht das, wonach ich suche."

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Stattdessen scrollt Myriam oft durch Tumblr, wo sie in aller Stille Gainern dabei zuschauen kann, wie nach und nach ihre Bäuche wachsen. „Ich stehe richtig auf ‚tummy Tuesdays', wo eine Menge Bären Updates über ihre Bäuche posten", erzählt sie mir.

Myriam und Gabriela sind beide bei Grommr angemeldet und beide sagen komischerweise über die Seite, dass sie dort einige ihrer besten Erfahrungen gemacht haben. Obwohl sie in erster Linie für schwule Männer gemacht wurde, sind Frauen nicht explizit von der Seite ausgeschlossen und Gabriela berichtet, dass sie dort schon diverse bisexuelle, männliche Gainer gefunden hat—von denen einige erfreut, wenn nicht sogar verwundert, darüber sind, einen weiblichen Feeder zu treffen.

Trotzdem klagt Gabriela darüber, dass es keine ausgewiesenen Seiten für weibliche Feeder gibt und überhaupt würden sich nicht genug Frauen an den Feeding-Webseiten beteiligen—nicht etwa, weil sie nicht drauf stehen würden, sondern „weil Frauen mehr auf den Community-Aspekt anspringen", und dieser fehlt einfach bei vielen Angeboten. Sie hat vor Kurzem selber ein Online-Magazin namens HORNGRY gegründet, um dort Erfahrungen von weiblichen Feedern wie ihr zu teilen. Sie hofft so, mehr weiblichen Feeder ins Rampenlicht zu holen.

Die falsche Wahrnehmung, dass Feeding von Natur aus klar nach Geschlechterrollen aufgeteilt ist, spiegelt auch andere Vorstellungen über Geschlecht und Sexualität wider. Feeding wird gemeinhin als dominantes, wenn nicht gar kontrollierendes Verhalten wahrgenommen und gefüttert zu werden, gilt als passiv und unterwürfig.

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„Es passt in das klassische Muster von Heterosexualität, bei der der Mann den dominanteren Part und die Frau den unterwürfigeren übernimmt", erklärt Charles. Außerdem, fügt sie hinzu, „liefert es Material für diese sensationslüsternen Dokumentationen, in denen man eine sehr, sehr übergewichtige Frau sieht, die sich nicht bewegen kann und total hilflos ist. Das ist für die meisten Menschen unterhaltsamer als zwei Frauen, die sich gegenseitig füttern, oder ein Mann, der isst."

Außerdem ist es schädigend, und entspricht auch nicht der Wahrheit, die Feeding-Community so darzustellen, dass die Feeder ihre Partner dominieren oder bis zur Abhängigkeit zwangsernähren. Gabriela und Myriam sehen beide den Part des Feeders nicht als „dominant", da der oder die Gefütterte ja die Kontrolle darüber hat, wann und wie er oder sie nach mehr Essen fragt.

„Von den Feedern und Gainern, mit denen wir gesprochen haben, hat niemand den Wunsch geäußert, jemanden zu etwas zu zwingen", berichtet mir Dr. Charles. „Ein Teil der ganzen Erregung kommt von den Gefütterten, die das Essen essen und Gewicht zunehmen wollen. Wir haben bislang mit niemandem gesprochen, der die Theorie des Zwangs unterstützt hätte." Das Gleiche gilt für das Konzept der Immobilität. Das war vielleicht das, worauf Donna Simpson damals aus war, aber Charles und Palkowski müssen erst mal im Zuge ihrer Forschungsarbeit eine Person finden, für die das auch das Ziel ist.

Tanya, die sich tagtäglich durch ihre Feeding-Inspirationen scrollt, fängt gerade erst an, die Möglichkeiten auszukundschaften, inwiefern sie den Fetisch in ihren echten Beziehungen ausleben könnte, und sie sagt mir, dass sie deswegen ziemlich nervös ist. Sie hat es ihren Partnern bislang nie gesagt, weil sie Angst davor hatte, dass ihre Intentionen falsch gedeutet werden.

Sie hat einen Freund, dem sie letztens erzählte, dass sie sich im Internet gerne Videos von Frauen anschaut, die Gewicht zunehmen. Er nahm es wohl recht gelassen. Sie hätte auch Interesse daran, ihn zu füttern—langsam—und dann zu schauen, ob er der ganzen Idee etwas abgewinnen kann. Zu der Zeit, in der wir miteinander redeten, befand er sich aber gerade auf einer Reise und sie hatten sich einen Monat lang nicht gesehen. Wenn er zurückkommt, wird sie ihm wahrscheinlich ein großes Festmahl kochen. „Ich kann nicht aufhören, mir darüber Gedanken zu machen, ob er zugenommen hat, seit er weg ist", sagte sie. „Ich kann es kaum abwarten, wieder seinen Bauch zu streicheln."