Der ärgste Scheiß, den ich auf Konzerten angestellt habe

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Der ärgste Scheiß, den ich auf Konzerten angestellt habe

Eine Aufzählung von alkoholgeschwängerten Aktionen, die mich T-Shirts, meine Würde und wahrscheinlich das ein oder andere Lebensjahr gekostet haben.

Ich liebe Konzerte und gebe mein Geld so oft es geht für die feierliche Zerstörung meines Trommelfells aus, bei der zusätzlich eine (mehr oder weniger) sympathische Band auf der Bühne steht. Angefangen hat diese Konzertsucht wohl damit, dass mich mein Vater im zarten Alter von 14 Jahren mit auf ein Konzert der Misfits geschleppt hat. (Ich weiß, dass du das liest. Deshalb danke für alles und sorry für den Rest des Textes.) Das war ein prägendes Erlebnis in mehrerlei Hinsicht: Erstens erkannte ich, dass Punks die liebenswürdigsten Menschen der Welt sind und zweitens ahnte ich dort schon, dass das ganze Konzertding ansteckend werden könnte. Bald darauf folgten AC/DC, Iron Maiden, Marilyn Manson und weitere Größen der Musikwelt und ich konnte nicht mehr aufhören, mein Gehör unter lautem und verschwitztem Grölen zu schädigen und mindestens einmal im Monat mit blauen Flecken aufzuwachen.

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Mit der Zeit wurde es mir aber zu langweilig, die Konzerte nur singend und springend in der Crowd zu verbringen. Zusätzlich entwickelte ich mit der Zeit eine ernstzunehmende Mediengeilheit und den Drang, überall auf unangenehme Art und Weise aufzufallen. 
Mittlerweile habe ich über 220 Bands live gesehen und auf vielen Konzerten sind Sachen passiert. Sachen, die normalerweise nicht passieren sollten beziehungsweise vom Künstler oder Veranstalter nicht ganz so geplant waren. Komischerweise habe ich dabei überraschend selten ein T-Shirt angehabt (OK, so überraschend ist das dann doch nicht). Niederzuschreiben, welche Scheiße ich auf diesen vielen Konzerten gebaut habe, ist wahrscheinlich eine selbsttherapierende Maßnahme meinerseits. Vielleicht mache ich es wirklich in der Hoffnung, dass ich es in Zukunft etwas ruhiger angehen werde, weil ich gerade realisiere, wie peinlich manche Aktionen doch waren. Vielleicht—und das ist viel realistischer—aber auch nicht. Und ja, ich habe im Vorfeld zu diesem Artikel recherchiert, ob das Stürmen von Bühnen illegal ist oder nicht. (Anmerkung: Ist es nicht, zumindest nicht per se.)

Wie ich Money Boys Vodka weggeext habe

Sharing is caring—das weiß auch Money Boy.

Jeder, der mit einem fragwürdigen Musikgeschmack oder Sinn für Humor geboren wurde, kennt Money Boy. Ich verbinde eine tiefe Hassliebe mit ihm, weil ich ihn ja eh ziemlich lustig finde, seine Konzerte aber nie ganz unbeschadet überlebe. Als der Hype um den Boy noch groß war, kam er natürlich auch um Vorarlberg nicht herum und deshalb performte er lang vor seinen öffentlichen Ausrastern und Skandalvideos—nach denen er sich zu YSL Know Plug umbenannte—auf der Bühne des Dornbirner Schlachthauses.

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Da die Vorarlberger Bevölkerung für ihren überschwänglichen Humor und ihre überhaupt nicht konservative Einstellung bekannt ist, war das Schlachthaus natürlich zum Bersten voll. So voll sogar, dass manche das Konzert verlassen haben, bevor der Boy angefangen hat zu spielen. Tja, ihr habt was verpasst.

Mit einer Stunde Verspätung betrat Money Boy, der vorher ordentlich upgeturnt hat, dann die Bühne und lieferte eine Show gespickt mit Playback, "Sheeesh"s und "BURRRR"s ab. Die Leute pogten und die Mädels in der ersten Reihe verzweifelten zunehmend an einer drohenden Zerquetschung, während in der ganzen Halle immer mehr nackte männliche Oberkörper zu sehen waren.

Gegen Ende seiner Show holte der Boy eine Flasche roten Vodka vom Tisch—diesmal noch ohne sie in die Menge zu werfen—und trank einen Schluck daraus. Danach hatte er wohl keinen Durst mehr und fragte die Menge, wer diese Flasche denn in einem Zug wegsippen könnte. Im nächsten Moment stand ich—natürlich oberkörperfrei—neben M-Beezy auf der Bühne und wurde sofort von meinen Freunden dabei gefilmt. Bei meinem nächsten Blinzeln war die Flasche bereits halbleer und ich merkte wieder einmal, dass man mir ab dem zweiten Bier einen Vormund zur Verfügung stellen sollte, der nüchterne Entscheidungen für mich trifft. Mein Magen rebellierte schon und die Flasche war noch halbvoll, deshalb entschied ich mich dazu, das einzig Gescheite zu tun: Ich habe die Flasche komplett ausgetrunken und die später folgende Speiberei in Kauf genommen.

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Der Boy, der das ganze Spektakel heiter rauchend beobachtete und die Menge mit einem gelallten "chug, chug, chug!" aufforderte, mich anzufeuern, staunte selber nicht schlecht. Er schenkte mir seine gelbe Lakers-Cap, die ziemlich dreckig war (was ich erst am nächsten Tag bemerkte). Ich wartete sicherheitshalber vor dem Club auf meine Freunde, wo ich schon nach kurzer Zeit einschlief. Danach folgte ein beschwerlicher Heimweg, bei dem mir zum Glück mein (körperlich deutlich überlegener) kleiner Bruder zur Seite stand. Am nächsten Tag habe ich mich zusätzlich noch mit meiner damaligen Freundin gestritten, weil sie die ganze Aktion eher peinlich als lustig fand, was ich natürlich nicht nachvollziehen konnte. Heute verstehe ich sie einigermaßen. An alle Frauen dieser Welt, ich bin jetzt Single und immerhin ein bisschen vernünftiger—hit me up!
Die Money Boy'sche Lakers-Cap habe ich heute noch immer in meiner Sammlung. Ich kann sie leider nur nicht tragen, weil ich nicht so einen riesigen Mostschädel habe wie er.

Wie ich Emil Bulls den Schnaps weggesoffen habe

Ende 2015 waren die Emil Bulls im Wiener Flex Café mit ihrer Candlelight-Show zu Gast. Die Band kenne ich schon aus der Zeit, als sie noch in einem kleinen Club in Vorarlberg gespielt haben und ich mir von ihnen ein Stück Pizza geschnorrt habe. Damals war ich noch nicht alt genug für Schnaps und ich mache ja nichts Unerlaubtes. Also musste ich sie im Flex nochmals sehen, um den Part mit dem Schnaps nachzuholen. Und da ich bei diesem Konzert einerseits alt genug für das ein oder andere Stamperl und andererseits ziemlich durstig war, standen die Sterne gut für eine gscheite Party with our Pants down.

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Die Show war eine semi-unplugged Darbietung ihrer besten Songs und das ganze sollte eigentlich eher ruhig ablaufen, das glaube ich zumindest. Spätestens als Sänger Christoph—sein Spitzname ist laut Wikipedia "Christ"—die ersten Stamperl einschenkte und am Bühnenrand abstellte, war ich anderer Meinung. Während Christ also seine Ansagen herunterträllerte, spazierte ich gemütlich auf die kniehohe Bühne und fing an, die Stamperl der Band nacheinander auszutrinken. Da ich die Bandmitglieder aber nicht vernachlässigen wollte, schenkte ich ihnen auch ein paar Tropfen und klaute mir im Gegenzug das Mikrofon. Die Band spielte dann eine Hintergrundmelodie für meine rauschigen Ansagen und reagierten sehr gut auf mein Dirigieren, was aufgrund meiner Berauschung eher an einen verwirrten Regentanz erinnerte.

Da mir das noch nicht genug Bühnenpräsenz war, bewies ich dem Publikum, dass die Band auch wirklich live spielt und singt und machte einen Mikrofoncheck indem ich laut "Penis" ins Mikrofon sagte. Ja, lustig, ich weiß eh. Zu meiner Überraschung reimte Christ das Wort Penis auf einen Männernamen (den ihr euch jetzt ohne viel Kreativität ausmalen könnt) und spontan stimmten wir gemeinsam ein Lied an, auf das wohl keiner von uns wirklich stolz war. Irgendwann waren dann alle Stamperl leer und die Comedy-Einlage war zu Ende.

Falls sich dieser Text für euch jetzt schon zu unverantwortlich liest: Am nächsten Tag hatte ich eine Prüfung und ich habe sie bestanden. Ha!

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Wie ich mit Caliban ein komplettes Lied gesungen habe

Das Mikrofon ist nicht wegen mir so zerbeult, glaube ich. Foto: Christian Bereuter

Wie ihr hoffentlich bereits alle wisst, ist Vorarlberg das Epizentrum Europas, wenn es um Metalcore geht. Aus diesem Grund blieb auch ich von der melodischen Schreierei nicht lange verschont und irgendwann führte dann auch kein Weg mehr an Caliban vorbei. Seit ich den Song "Devils Night" von ihrem Album Ghost Empire zum ersten Mal hörte, hatten sie mich am Haken. Also machte ich das, was ich mit so ziemlich jeder Band mache, die mich hookt: Ich hörte ihre Lieder ununterbrochen, checkte ihre Tourdaten und fuhr auf das nächstgelegene Konzert, um mich dort aufzuführen.

Wir fuhren also mit ein paar Freunden auf das Konzert und ich war glücklicherweise nicht der Fahrer. OK, ehrlich gesagt bin ich nie der Fahrer. Das hat auch seine Gründe. Auf dem Konzert war überraschend wenig los, was mich aber eher beruhigt hat, denn dann freut sich die Band mehr über die paar wenigen Leute, die dafür komplett ausrasten—merkt euch das. Außerdem war es keine große Herausforderung, an das T-Shirt zu kommen, das die Vorband ins Publikum schmiss—ich hab es einfach vom leeren Boden aufgehoben.

Als Caliban dann endlich angefangen haben, war die Halle immerhin ein bisschen besser gefüllt. Man konnte trotzdem noch ziemlich easy zum Bühnenrand vorspazieren. Dort vorne habe ich zwei Klischee-Metalheads getroffen, die von meiner Idee dem Gitarristen den Refrain abzunehmen begeistert waren. Also moshten wir gemeinsam bis zum Refrain von "Devils Night" und meine zwei neuen Freunde schmissen mich auf die Bühne.

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Überraschenderweise nahmen es die Securitys und der Gitarrist, der eigentlich singen hätte sollen, ziemlich gelassen, dass jetzt plötzlich ein schwitzender Affe auf der Bühne steht. Ich schnappte mir also das Mikrofon und machte irgendwas, das niemanden im Publikum an Singen erinnerte. Auch als der Refrain endete, störte sich nicht wirklich jemand (abgesehen von der Crowd) an meiner Performance und ich fungierte noch den Rest des Songs als Backgroundtänzer, der ab und zu einzelne Textzeilen daherstammelte.

Diese Aktion endete damit, dass während des Konzerts immer wieder ein paar motiverte Stagediver auf die Bühne sprangen und kurz tanzten, um sie auf dem Weg über die Hände der anderen Besucher wieder zu verlassen, der aufgrund des fehlenden Publikums nicht selten auf dem Hallenboden endete. Als die Band dann als einer ihrer letzten Songs "Your Song" anspielte, versammelten sich ungefähr zwanzig zusätzliche Leute mit der Band auf der Bühne um mitzusingen, zu tanzen oder besoffen von der Bühne zu fallen. Das war das erste Mal, dass ich mich ein bisschen so gefühlt habe, als hätte ich das Konzert besser gemacht.

Wie ich bei einem Stagedive jemanden ausgeknockt habe

Ja, ich bin für hochauflösende Selfies bekannt und nein, ich habe natürlich kein T-Shirt an.

Die Deutschpunks von Feine Sahne Fischfilet fanden schon einen Platz in meinem Jahresrückblick. Sie—besser gesagt dieses Erlebnis auf ihrem Konzert—waren auch der ausschlaggebende Punkt für diesen Artikel.

Jeder Einzelne von euch, der schon einmal auf einem Punkkonzert war, weiß was dort abgeht. Es wird gepogt, Becher fliegen durch die Gegend und Stagedives gehören zur Tagesordnung. Ich muss wohl nicht erklären, warum ich gerne auf solche Shows gehe, oder? Das Konzert von Feine Sahne Fischfilet war genau das: Eine einzige eskalierende Party!

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Seit meinem ersten Stagedive und vor allem nach diesem Video träumte ich davon, mindestens einmal in meinem Leben einen Stagedive mit Vorwärtssalto zu machen. Und bei diesem Konzert witterte ich endlich meine große Chance, genau das zu tun. Ich stand also auf der Bühne, machte noch schnell das obligatorische Sänger-Selfie (man sollte eigentlich den anderen Bandmitgliedern auch die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdienen—Mein Vorsatz für 2017) und schmiss mich rotierend in die Menge. In der Luft dachte ich mir aus, was alles mit mir passieren könnte, wenn ich falsch lande oder irgendwo in den Graben springe, aber ich kam zum Glück sanft auf den Händen der nassgeschwitzten Crowd auf.

Nicht ganz so sanft landete meine Ferse, die noch mit dem restlichen Saltoschwung durch die Konzertluft flog, im Gesicht eines anderen Fans. Ich wollte eigentlich gleich nach unten, um zu sehen, ob es dem Dude, den ich gerade feinstens ausgeknockt habe, gut geht. Aber ich wurde von der Masse immer weiter nach hinten getragen. Als ich nach gefühlten fünf Minuten wieder festen Boden unter den Füßen hatte, rannte ich nach vorne zu meinem Fersenopfer. Dieser kam genau in diesem Moment wieder zu sich, schaute mich an und schrie mir mit einer Bierfahne ins Gesicht: "Alter, das war geil!" Er gab mir eine der härtesten High Fives meines Lebens und wir feierten den Rest des Konzerts zusammen.

Nachdem ich jetzt kurz einen Teil meiner Konzerterlebnisse Revue passiert lassen habe, frage ich mich schon, warum ich auf Konzerten immer so viel Glück habe. Ich meine, es ist mir durchaus bewusst, dass ich mich wie ein Vollidiot aufführe und das nicht alle so lustig finden wie ich. Aber aus mir unerklärlichen Gründen ist mir trotzdem noch nie etwas Gröberes passiert. Ich glaube, dass mein Seelentier ein Specht ist. (Erklärung: Spechte klopfen dauernd auf Holz.)

Abschließend möchte ich mich noch an alle Bands wenden, denen ich Refrains, Shows oder ihren Rausch vertan habe: Falls ich jemals eure Bühne gestürmt habe (oder es noch tun werde), dann liebe ich euch.

Sandro auf Twitter: @voriboy

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