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Ken Jebsen gibt der Montagsmahnwache in Wien den rechten Schliff

Wir haben uns Ken Jebsens Rede angehört und bei diesen Äußerungen wurde uns schlecht.

Dieses Mal war das Publikum aufmerksamer als sonst.

Wir waren mal wieder auf der Montagsdemo, obwohl wir über die emotionalen Lebensphilosophien, die die Redner vor dem Parlament von sich geben, nicht mehr lachen können. Zum Glück wurden wir am vergangenen Montag von einem prominenten Besucher überrascht: Der Chefideologe der Montagsmahnwachen, Ken Jebsen, der laut Demonstranten eines der wenigen vertrauenswürdigen Medien betreibt, KenFM, war persönlich in Wien und wurde von einem der Organisatoren interviewt, bevor er selbst eine Rede hielt.

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Die Präsenz des Betreibers von KenFM zog viele Besucher an. Es waren ca. 100 Leute anwesend und der Großteil davon waren Unterstützer. Die Ankunft Ken Jebsens wurde bejubelt und auch danach gab das Publikum häufig begeisterten Zwischenapplaus. Insgesamt war die Stimmung etwas energetischer als bei den letzten Treffen. Schon während des Aufbaus stritt eine Gruppe Mahnwachender und Stephan Bartunek widmete ca. fünf Minuten der Einleitung des heiß ersehnten Besuchs—ihr werdet es nicht fassen—uns.

„Kurz—kurz nach der Geburt wacht das Baby auf und sagt: „E=mc²“.Daraufhin meint der Arzt: „Viel zu gefährlich. Das Kind ist zu schlau, das kann wirklich gefährlich werden. Wir sollten 50 Prozent des Hirns amputieren.“ Gesagt, getan. Nach der gelungenen Operation sagt der Kleine wieder: „E=mc²“. Der Arzt daraufhin: „Der IQ ist immer noch viel zu hoch, wir müssen noch mal operieren.“Es werden also noch mal 50 Prozent des Hirns entfernt und eine alte Semmel eingesetzt. Als das Kind nach der Operation mit der Semmel im Kopf aufwacht, sagt es: „Guten Tag, ich bin Journalist und arbeite für das VICE-Magazin.“

Besonders gelungen fand den Witz selbst Stephan Bartunek nicht, aber er sagte, weil wir drin vorkämen, sei er lustig und wir können uns dem nur anschließen. Dann zählte er ein paar Artikel-Überschriften von uns auf und wir glauben, das soll heißen, das VICE noch immer das bevorzugte Medium für unabhängige Berichterstattung ist. Danke Stephan!

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Nach dieser cleveren Einleitung haben wir Ken Jebsen ganz aufmerksam zugehört. Dabei haben einige seiner Äußerungen ein tiefes Unbehagen bei uns hinterlassen. Hier haben wir eine Auswahl für euch:

"Es gibt keine Fronten mehr! Es gibt nur noch ein Gemeinsames."

Ken Jebsen im Interview

Damit bezog sich Ken Jebsen auf die Fronten zwischen Österreichern und Deutschen. Er führte nicht aus, um was für Fronten es sich da handelte, aber die Vermutung liegt nahe, dass er das Misstrauen meinte, das seit dem Zweiten Weltkrieg den Dialog der beiden Länder bestimmt. Wir trauen uns zu interpretieren, dass jetzt laut Ken Jebsen Österreich und Deutschland wieder vereint für eine Sache kämpfen. Toll!

Ken Jebsen fordert die Abkoppelung von aller offiziellen Berichterstattung

Ein Punkt, den Ken Jebsen nicht müde wurde zu betonen. Wir sollten unseren Fernseher endlich ausschalten und verkaufen, jede Zeitung mit Handschuhen anfassen und uns stattdessen auf alternativen Medien informieren. Denn am Ende hätten alle offiziellen Medien eine Quelle und deshalb gebe es auch nur eine Meinung in den Zeitungen. „Das ist kein schlechter Journalismus, das ist gar kein Journalismus, das ist Propaganda.“

Diese Darstellung wirft die Frage auf, was für Medien man als Montagsdemonstrant konsumieren dürfe. Die Alternative scheint immer wieder Ken Jebsens Kanal zu sein, auf dem er jeden Inhalt selbst bestimmt. Dieses Selbstvertrauen im Umgang mit einseitigen Quellen hält Jebsen offenbar für erstrebenswert, denn er zitierte den Journalisten Peter Scholl-Latour, der im Interview mit dem Tagesspiegel sagte „Ich bin selbst eine Quelle“. Jebsen machte daraus: Ich bin die Quelle.

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Interessant ist, dass wir, obwohl wir abseits von derStandard, die ZEIT und anderen renommierten Medien über die Demos berichtet haben, ohne einen höheren Auftrag zu haben, auch zu denen gezählt werden, die nicht „richtig“ über die Montagsdemo schreiben. Laut Jebsen irrten sich „die linken Medien“ über die Montagsdemo und weigerten sich nun, ihren Fehler einzugestehen. Sein Fazit zum Thema war: „Wir werden niemals einer Meinung sein, wir müssen einfach toleranter werden.“ Damit öffnete er rechten Stimmen Tür und Tor.

Ken Jebsen ist kein Führer, aber allen Demonstranten überlegen.

Was Ken Jebsen auf der Seite der Macht als Journalist alles erlebt hat, das können wir uns gar nicht vorstellen. Das behauptete er in Interviews, Reden und auch wieder am Montag in Wien. Er rede so schnell, „weil alles da draußen so schnell ist.“ Er hatte Einblick in diese ganzen Abmachungen unter Journalisten, Politikern und Lobbyisten, aber erzählen kann er uns davon nicht. Es bleibt bei Andeutungen, über die da oben, da draußen und so weiter.

Trotz seiner einzigartigen Erfahrungen und seines unverzichtbaren Wissens will Jebsen aber nicht der Kopf der Montagsmahnwachen sein. Er sei kein Führer. Nichtsdestotrotz wurde er von seinen Demonstranten als solcher gefeiert. Alle vor dem Parlament lauschten ihm andächtig. Außerdem werden seine Beweisführungen im Ukraine-Konflikt oder zu geheimen Bankenmachenschaften von vielen Demonstranten in Diskussionen angeführt. Ihr erinnert euch vielleicht auch an unsere Interviews letzte Woche, in denen alle Mahnwachenden, mit denen wir sprachen, angaben, dass sie sich über KenFM informieren.

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Auch wenn Ken Jebsen forderte, dass alle mündig sein und sich selbst informieren sollten, ist er auf dem besten Weg, ein Informationsmonopol in der Montagsdemo-Organisation aufzubauen. Journalist ist er damit und mit der impliziten Forderung, dass nur sein Medium und alle damit verbundenen Blogs und Menschen unabhängig und wahr seien, lange nicht mehr. Er ist ein Aktivist. Und er macht nicht einmal klar, für wen genau er sich engagiert.

Noch einmal Ken Jebsen und fieser VICE-Disser Stephan Bartunek im Hintergrund

Auf die Frage, warum er für den rechtsextremen Jürgen Elsässer und dessen Magazin COMPACT schreibt, sagte er, er schreibe nicht dafür, sondern Elsässer übernehme seine Artikel. Wir fragen uns, ob Jebsen auch gerne fürs VICE nicht schreiben möchte. Und wir plädieren angesichts dieser undurchsichtigen Argumentation für unseren Eindruck von Ken Jebsens Rolle bei dieser Demo: Er ist der Führer. Und wie passend, dass er offenbar schon immer für diese Rolle bestimmt war: „Mein Leben ist eine ganze Mahnwache.“

Die Demonstranten erheben sich aus ihrer selbstverschuldigten Unmündigkeit und sagen, was sie wollen.

Alle Menschen seien „angstgesteuert“ laut Jebsen und, wie wir aus dem vorigen Teil wissen, medial gesteuert. Insgesamt seien wir jetzt „fremdbestimmt“ und müssten zunächst Courage in uns selber entdecken und die Angst verlieren, vor dem, was die anderen sagen. Was diese ermutigten Leute in der Konsequenz auf der Demo sagen, haben wir gehört: Jeder sagt was, ohne zu reflektieren, was er denn überhaupt von sich gibt. Auch ein Holocaust-Leugner leugnet noch einmal.

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Verschleierung seiner Äußerung Ich weiß, wer den Holocaust als PR erfunden hat."

Der Moderator vor dem Parlament fragte Jebsen zu dieser Äußerung vor drei Jahren, was da wirklich passiert sei. Die Antwort war Geschwafel: Dieser Satz sei in einem Chat mit einem Historiker gefallen und würde völlig kontextlos in den Medien präsentiert werden. Und natürlich wissen wir alle, warum: „Ein Systemscherge hat versucht mich abzuschießen.“ Dann folgte die alte Weisheit, die sich Verschwörer hinter vorgehaltener Hand zuraunen: Wenn du der Wahrheit zu nahe kommst und so weiter. Dazu applaudierten die Zuhörer.

Links und Rechts

Diese Unterscheidung lohnt es sich ja laut Montagsdemonstranten nicht zu treffen, weil beides der gleiche Scheiß sei. Am Montag positionierte sich Jebsen mit der Mahnwache links. Alle anderen seien rechts. Und Rechtswähler sind eigentlich links. Ja, das versteht niemand. Ken Jebsen erklärte das so: „Krieg ist immer rechts. Weil Krieg bedeutet immer, das Kapital zu verteidigen. Links bedeutet Aufzustehen gegen Unrecht, couragiert zu sein, für Leute, die das selbst nicht mehr können. Das ist wirklich links.“ Also ist Frieden immer links. Aha, und damit auch die Montagsdemo.

Zu dem Wachstum der Wählerschaft der FPÖ in der EU-Wahl sagte Jebsen:

"Ich versuche noch die aktuelle Wahl zu verstehen (…). Die Leute, die diese rechten Parteien gewählt haben, wollen in Wirklichkeit linke Dinge. Sie erkennen nämlich, dass etwas ungerecht ist und geben dann ihre Stimme der Partei, die man später als rechts sieht, aber sie wollen eigentlich linke Dinge. Sie wollen eine fairere Verteilung. Ob das der richtige Weg ist, wage ich zu bezweifeln. Aber so haben wir Rechte und Linke und bringen die gegeneinander auf. Und da erkenne ich das "Teile und herrsche". Da erkenne ich, dass Amerikaner und Russen über ein deutschsprachiges Europa verhandeln."

Der bemitleidenswerte rechte Wähler, der nicht weiß, was er für Parteien wählt und eigentlich einen riesigen Regenbogen-Kuchen zusammen mit allen anderen Menschen auf diesem Planeten backen will, ist nicht besonders überzeugend. Für die Gleichheit aller Menschen in Österreich, also auch der Flüchtlinge, ist die FPÖ sicher nicht. Und das wäre ein linker Grundsatz. FPÖ-Politik bedeutet die Stärkung ethnischer Unterschiede und der Nation. Die Wähler können wohl kaum so verwirrt sein, dass sie diese Grundsätze wählen, obwohl sie eigentlich das Gegenteil wollen.

Das Zitat verstehen wir eher als einladende Geste an alle FPÖ-Wähler. Sie sollen sich der Montagsdemo anschließen, damit diese schnell wächst und Durchschlagskraft erlangt.

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