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Kreuzfahrer für das Gute: Der größte Kreuzfahrtanbieter lockt "Voluntouristen" in die Karibik

Fathom ist die erste Kreuzfahrtlinie für Reisende, die nicht nur entspannen, sondern auch Freiwilligenarbeit leisten wollen. Ob das Unternehmen und seine Touristen wirklich helfen, ist allerdings fragwürdig.

Freiwillige nehmen an einer Aufforstungsaktivität teil | Alle Fotos von Amy Lombard

Aus der They Come Out at Night Issue

Es ist die Nacht des 4. Juli, des Unabhängigkeitstags der USA, und die See zwischen Florida und der Dominikanischen Republik ist ruhig. Auf dem Kreuzfahrtschiff hingegen ist jede Menge los. Die Bordband covert Country-Songs von Zac Brown, und auch Justin Bieber wird gespielt, obwohl er doch Kanadier ist und weniger zur patri­otischen Stimmung passt. Die jüngsten und die ältesten Passagiere fegen über eine Tanzfläche in blau-weiß-roter Deko, während der Rest am Rand sitzt und zusieht.

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An der Bar sitzt Ross Velton, um den Hals eine Blumengirlande in denselben amerikanischen Farben. "Hier habe ich unzählige Möglichkeiten, bei jemandem zu landen", bemerkt er trocken. Velton ist mittleren Alters, wirkt umgänglich und entspannt, und fährt in seiner Freizeit Rennwagen. Er gehört zu den Menschen, die einfach mit jedem ein ernstes Gespräch zustande bringen.

Doch für den Augenblick nippt er nur an einem dominikanischen Bier und lässt alles auf sich wirken. Velton ist nicht hier, um zu feiern. Er ist hier, um beim Pubquiz (Thema: USA) zu verlieren—und weil er bei Fathom ein tolles Angebot gefunden hat. Fathom, das ist der erste Kreuzfahrtveranstalter für Urlauber, die Gutes tun wollen, anstatt nur zu schwimmen und zu shoppen.

Seit April gibt es Fathom, das aktuell über ein 704-Personen-Schiff namens Adonia verfügt. Alle zwei Wochen segelt es von Miami nach Puerto Plata, wo die Kreuzfahrer ehrenamtlich Bäume pflanzen, Böden gießen, Englisch unterrichten und allgemein versuchen, die Dominikanische Republik zu einem besseren Ort zu machen. (In den Wochen dazwischen fährt die Adonia nach Kuba.) Doch Fathom ist keine Organisation christlicher Missionare oder eine Promi-NGO; es handelt sich um eine Tochterfirma von Carnival, dem weltgrößten Kreuzfahrtveranstalter mit einem jährlichen Umsatz von 16 Milliarden Dollar.

Kreuzfahrer machen es sich auf den Liegestühlen der Adonia bequem

Fathom existiert, um Profit zu machen, doch gleichzeitig bedient die Firma einen wachsenden Trend in der Tourismusbranche, der Reisen mit Entwicklungshilfe verbindet: den sogenannten Voluntourismus, nach dem englischen "Volunteering" (Freiwilligenarbeit). Arbeit und Urlaub widersprechen sich auf den ersten Blick, doch eine Studie von Tourism Research & Marketing stellte 2008 fest, dass mehr als 1,5 Millionen Menschen Freiwilligenurlaub machen und dafür jährlich fast 2 Milliarden Dollar ausgeben. Fathom ist der vermutlich bisher größte Anbieter, der auf diese Entwicklung reagiert: Im ersten Jahr, so die Firma, habe sie Kapazitäten für 18.000 Passagiere, die mehr als 200.000 Freiwilligenstunden investieren könnten. Das Programm mit dem Namen "impact+travel" verspricht auf der Website—die auch ansonsten gern "Impact" erwähnt—"zielgerichtetes Reisen", das "die Chance bietet, mit gleichgesinnten Reisenden in eine andere Kultur einzutauchen und an der Seite der Menschen dort dauerhafte Entwicklungsbeiträge zu leisten."

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Das ist eine durchaus kühne Behauptung. Die meisten Freiwilligenorganisationen haben ähnliche Ziele. Die größte Freiwilligenorganisationen der USA etwa, der Friedenscorps, erklärt, er wolle "dauerhafte Beiträge" in den Regionen leisten. Doch Freiwillige des Friedenscorps gehen für etwa zweieinhalb Jahre ins Ausland, nicht für zweieinhalb Tage. Meist gehen sie auch ehrlich damit um, dass sie nicht sicher sein können, inwiefern sie wirklich Einfluss haben—der von Fathom viel beschworene "Impact". Aus diesem Grund hinterfragen Kritiker des Voluntourismus—wie Chloé Sanguinetti, deren Doku The Voluntourist einer Gruppe Ausländer durch Südostasien folgt—warum Firmen wie Fathom nicht einfach einen sozialen Austausch zur Völkerverständigung bieten können. Sie meinen, es wäre besser, die Entwicklungsarbeit den Fachleuten zu überlassen und nicht bevormundend anzunehmen, normale Urlauber könnten in ein paar Stunden Probleme wie Armut aus der Welt schaffen.

Da ich bereits skeptisch über Voluntourismus geschrieben habe, gehen mir sofort ähnliche Dinge durch den Kopf, als ich von Fathom höre, und von seinem "langfristigen" und "einzigartigen Geschäftsmodell, das dauerhaften Einfluss und Entwicklung ermöglicht". Doch als ich anfange zu recherchieren, bin ich beeindruckt. Fathom hätte Volunteer-Aktivitäten wählen können, die sich leicht an Kreuzfahrer verkaufen lassen, wie etwa Besuche im Waisenhaus. Stattdessen hat man angesehene örtliche Organisationen konsultiert; eine davon hat den Friedenscorps mit ausgebildet und mir in meiner Studienzeit in der Dominikanischen Republik etwas über Gesundheit und Entwicklung beigebracht. Die Organisationen haben aus 32 Hilfsprogrammen solche ausgewählt, die sich für Freiwillige wirklich eignen könnten. Fathom hat davon die acht besten ausgesucht.

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Ich bin neugierig, ob Fathom einen Weg gefunden hat, wie Voluntourismus funktionieren kann—und das in einem gigantischen, umsatzgesteuerten Rahmen. Ich buche einen Platz auf der Kreuzfahrt.

Die Adonia in Amber Cove, dem 80 Millionen Dollar teuren Privathaften von Carnival

Die Party zum 4. Juli auf dem Schiff soll hauptsächlich Amerika feiern, doch gleichzeitig feiert sie auch die Rolle, die die USA gern in der Welt einnimmt: die des Einflussnehmers, dessen Missionare im Namen des Guten um den Globus reisen. Auf dem Fest zeigt sich mir allerdings auch, dass nicht alle Passagiere in erster Linie zum Helfen da sind.

"Für manche hier ist das echt ein feuchter Traum, diesen Leuten zu helfen", sagt mir eine dünne rothaarige Frau namens Lisa Cook an der Bar. "Kunsthandwerk und Musik und Kumbaya und Englischunterricht—manche glauben wirklich an den ganzen Kram, der ihnen erzählt wird."

Cook selbst ist hier, weil das Ticket günstig war. "Stell dir vor, wie vielen Leuten sie helfen könnten, wenn sie das ganze Reisegeld einer Organisation geben würden", sagt sie, nachdem sie meine Bierwahl kritisiert hat. "Aber das machen sie natürlich nicht."

Das ist das sekundäre Argument, mit dem Fathom wirbt: Angeblich leitet die Firma Touristengelder in Gemeinden und Organisationen, die ansonsten nie welches sehen würden. "Die Leute spenden ja nicht, nur weil man sie auffordert: ‚Spenden Sie für dies' oder ,unterstützen Sie jenes'." sagt mir später Ambra Attus, der Fathom-Manager vor Ort in der Dominikanischen Republik. "Sie brauchen eine eigenen Bezug zu der Sache."

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Velton gehört weder zu den verblendeten Touristen, die Cook beschrieben hat, noch teilt er Cooks Haltung. Er sieht seiner Freiwilligenarbeit und dem möglichen Einfluss, den er damit nehmen kann, mit ernsthafter Neugier entgegen.

"Ich kann Kindern nichts beibringen, außer vielleicht ein bisschen Fußball", sagt er. Velton hat gemäßigte Erwartungen, was die Freiwilligenarbeit angeht. "‚Impact' ist ein starkes Wort", sagt er. Im besten Falle sehe er Fathom als eine Art Erste-Hilfe-Leistung. "Es ist wie bei einer Firma, die Medizin herstellt. Sie kann Pillen erfinden, die helfen, aber Kopfschmerzen kriegt man trotzdem noch."

"Es ist schon alles ungewiss. Aber wenn es nur für eine einzige Person eine positive Wirkung hat, dann ist das doch großartig", sagt Velton. "Was gibt es daran schon auszusetzen?"

Eine Touristengruppe fährt in einem Fathom-Bus zu einer Freiwilligenaktivität

Am nächsten Morgen ist Velton bei der Vorbereitungssession für Freiwillige dabei, als das Schiff auf die Küste von Puerto Plata zusteuert. Die lebhafte Tatiana Seles, einer von Fathoms "Impact Guides", leitet einen Multiple-Choice-Test an, in dem die indigenen Bewohner der Insel vorkommen (Arawak, Taíno), der berüchtigte ehemalige Diktator des Landes (Rafael Trujillo) und das Land, von dem die Dominikanische Republik ihre Unabhängigkeit gewann (Haiti, nicht Spanien).

Dann geht Seles zu den praktischeren Themen über: keine streunenden Hunde streicheln, kein Klopapier in die Toilette werfen und mit einem Eimer spülen (oder spülen lassen), wenn es kein fließend Wasser gibt. "Wird Trinkgeld erwartet, wenn jemand für einen das Klo spült?", fragt eine Frau. "Nein, nicht hier", sagt Seles.

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Seles erklärt Velton und den anderen, was "Bevormundung" bedeutet, und bittet höflich darum, niemand solle gleich anfangen, Fotos von armen Menschen zu schießen. Stattdessen könne man bis zum Ende der Aktivität warten, um Erlaubnis bitten, und außerdem mit den Menschen posieren, was nicht so herablassend rüberkäme, wie Fotos von ihnen zu machen.

Gegen Ende der Session liest Seles ein paar kurze Texte vor, die je eine normale dominikanische Person beschreiben. Da ist Miriam, die Grundschullehrerin, die ihren Job liebt, und Robin, der bescheidene Handwerker, der sagt, er würde einen Lottogewinn von 1 Million Pesos ohne Zögern seiner Familie geben.

"Seht euch an, was ihnen alles fehlt. Und dennoch sind sie vollkommen glücklich", sagt Seles. "Die DR ist das glücklichste Land der Welt, ehrlich."

Eine ältere Frau, sagt einem amerikanischen Betreuer des Projekts: "Ich habe das Gefühl, wir haben nicht viel erreicht."

Hinterher laufen Velton und ich zu einem der Schiffsbalkone, von wo wir zusehen, wie sich der Kreuzer Adonia langsam in den 80 Millionen Dollar teuren Carnival-Privathafen schiebt, der letztes Jahr eröffnet wurde. Velton merkt an, wie einfach gestrickt Seles' Geschichten waren. "Es hieß einfach nur: ‚Wir sind echt arm, aber echt glücklich.'"

"Ich will nicht zynisch sein. Aber hat sie am Schluss gesagt: ‚Das ist die echte DR'", fährt er fort. "Ihre Firma hat Millionen für diesen Hafen ausgegeben, und jetzt zeigt sie mir arme Leute!"

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Ein paar Pommes fallen von einem Oberdeck herunter, an uns vorbei und auf den Kai vor uns. Wir sehen hinab, wo eifrige Passagiere von Bord gehen. Velton fragt sich, wie sein Beitrag wohl aussehen wird. Er hofft auf harte Arbeit, sodass er das Gefühl kriegt, etwas geleistet zu haben. Er will sich die Hände schmutzig machen, Beton mit der Schaufel verteilen. "Aber ich gehe davon aus, dass sie was geplant haben, wo wir mit Wasserflaschen in der Hand daneben stehen und lächeln dürfen."

Ein Guide animiert die Freiwilligen vor der Keramikfabrik der Firma Wine to Water zu einem "Hurra"-Ruf

Eine Stunde später höre ich in einer Kirche in Puerto Plata einer Dominikanerin zu, die für Fathoms Partner vor Ort, Entrena, arbeitet. "Ihr seid alle Teil der Geschichte", sagt sie den versammelten Freiwilligen. Puerto Plata sei "eine Stadt, die schon lange auf etwas wartet. Und das ist jetzt angekommen."

"Auf drei rufen wir alle ‚Oh yes!'", ruft sie. "Eins, zwei, drei …!" Und die Menge ruft: "Oh yes!" Die Freiwilligen folgen dominikanischen Frauen und Kindern zu ihren nahegelegenen Häusern. Wir arbeiten für das Englischprogramm von Fathom; man muss der Firma zugute halten, dass Sprachunterricht tatsächlich die Schnittmenge zwischen den Bedürfnissen der Dominikaner und den Fähigkeiten der Kreuzfahrer zu treffen scheint.

In einem hübsch eingerichteten Wohnzimmer erzählt mir eine 13-jährige Einheimische namens Sandra, sie lerne Englisch, um später im Tourismus zu arbeiten. "Es ist sehr schwierig, ohne Englisch Chancen zu bekommen." Ihr Freund Luigi, ebenfalls 13, sagt, es gebe Englischunterricht in der Schule, doch der bringe kaum etwas.

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In einem weiteren Haus drängt sich fast ein Dutzend Kinder um vier Freiwillige. "Tee-shirt. TEE-shirt", wiederholt einer und zeigt auf das T-Shirt des Jungen. Das Haus gehört Manuela Roselyn Castillo, 25. Sie sagt mir, sie habe in einigen großen Touristenhotels gekellnert, die Stellen aber aufgrund mangelnder Englischkenntnisse verloren.

Nach dem Unterricht erklärt eine Freiwillige den Dominikanerinnen, wie dankbar sie sei, dass ihr Sohn andere Teenager in einem fremden Land kennenlernen durfte. "Das sind Erinnerungen fürs Leben, da bin ich mir sicher", sagt sie.

Taylor Schear (vorne links), Julie Schear (vorne rechts) und andere Freiwillige sieben trockenen Ton, um daraus Wasserfilter zu machen.

Am nächsten Tag sitze ich mit Velton und 25 anderen Freiwilligen in einem Bus, unterwegs zu einer kleinen Fabrik, um Wasserfilter aus Ton und Sägespänen herzustellen. Neben mir sitzt Taylor Schear, eine enthusiastische Jugendliche aus Fort Lauderdale in Florida. Obwohl es Fathom zu diesem Zeitpunkt erst seit drei Monaten gibt, ist Taylor schon zum zweiten Mal dabei. Ihre Mutter Julie Schear ist Reisebürokauffrau und bekam im Mai eine Gratisreise, mit Rabatt für Mann und Tochter. Weil es allen so gut gefallen hat, sind sie jetzt voll zahlende Passagiere und haben noch Taylors beste Freundin Michelle Norgren mitgebracht.

Taylor passt genau in Fathoms Zielgruppe: Sie hat schon im vorletzten Schuljahr Kurse auf Uni-Niveau belegt, beherrscht die amerikanische Gebärdensprache und hat als Freiwillige und Mentorin in einem Waisenhaus gearbeitet. Auf ihrer letzten Fathom-Reise hat sie Freundschaft mit einer Dominikanerin geschlossen. Diesmal wolle sie "ein ganzes Gespräch auf Spanisch versuchen", sagt sie mir.

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Während der Bus weiter ins Landesinnere vordringt, erklärt der 22-jährige dominikanische Guide Frank Manuel Vasquez, welch ein großes Problem mangelndes Trinkwasser in der Dominikanischen Republik darstellt. "Bei mir zu Hause kaufen wir Wasser für 1,10 Dollar pro 19-Liter-Behälter. In einem Land mit einem Mindestlohn von 170 Dollar im Monat können sich manche das unmöglich leisten", sagt Vasquez.

Hinter der Fabrik, die wir besuchen, steht die NGO Wine to Water (W2W), mit Sitz im US-Staat North Carolina. Sie behauptet, wasserbezogene Krankheiten würden in der Dominikanischen Republik "jährlich geschätzte 1.300 Menschenleben fordern" und 15 Prozent der Einwohner fehle der Zugang zu aufbereitetem Trinkwasser. Vasquez sagt, jede Familie, die einen der heute hergestellten Filter empfange, würde vier Prozent weniger an wasserbezogenen Krankheiten erkranken, was den Arbeitsausfall verringere, Kindern den Schulbesuch sichere und der Familie Geld spare. Auf der Fathom-Website wird Reisenden versprochen: "Sie werden bedürftigen Gemeinden zu sauberem Trinkwasser verhelfen", und "Leben werden verbessert durch leichteren Zugang zu sauberem Wasser und das gesparte Geld, das ansonsten für teures Trinkwasser ausgegeben würde". (Ein Auftragnehmer von Fathom schätzt später, manche Familien würden 10 bis 15 Prozent ihres Einkommens für Trinkwasser ausgeben.)

"In nur fünf Jahren könnten Fathom-Reisende 15.000 Familien mit Wasserfiltern versorgen und Schulversäumnis aus Krankheitsgründen um 35 Prozent verringern", behauptet Fathom.

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Als der Bus die Keramikfabrik erreicht, werden die Freiwilligen in vier Gruppen aufgeteilt, bevor es an die Arbeit geht. Taylor, ihre Mutter und Norgren setzen Atemmasken auf und sieben getrockneten Ton durch ein großes Sieb. Gelber Staub füllt die Luft und legt sich auf ihre Kleidung. "Schicker Look", scherzt Taylor, die sich mit ein paar Wörtern Spanisch an den einheimischen Arbeitern versucht und wenig Antwort erhält.

Gestelle mit Keramikfiltern.

Die dominikanischen Arbeiter, hauptsächlich Männer in ihren 20ern, stehen hinter den Freiwilligen, geben gelegentlich Anweisungen und sehen ansonsten zu. Einer von ihnen, José Veras, sagt mir, die Arbeiter könnten an einem normalen Tag etwa zehn Säcke Ton durchsieben. Heute sind nur sieben veranschlagt.

Nebenan läuft Velton Schweiß übers Gesicht, als er eine Mischung aus feuchtem Ton und Sägespänen zu großen Kugeln formt, sie auf den Boden klatscht, um sie zu plätten, und sie zu der hydraulischen Presse trägt, die daraus eine Art überdimensionierten Blumentopf formt. Velton aktiviert die Maschine, doch der dominikanische Vorarbeiter übernimmt die schwierigen Aufgaben, wie überschüssigen Ton entfernen und die Filter formen. Er sagt, an einem durchschnittlichen Tag stelle ein dreiköpfiges Team dominikanischer Arbeiter 100 Filter her, doch heute ziele man auf 25 ab—einen pro Freiwilligen.

Eine ältere Frau, die mit ihren vielen Fragen oft die anderen Reisenden nervt, sagt einem amerikanischen Betreuer des Projekts: "Ich habe das Gefühl, wir haben nicht viel erreicht."

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"Oh nein, ihr wart produktiv", antwortet er. "Sie zählen jetzt die Filter."

Nach ein paar Gruppenfotos geht es zurück in den Bus; wir sollen Filter an Familien verteilen. Die Straße schlängelt sich in die Hügel hinauf, bis wir Los Llanos erreichen, eine kleine Häuseransammlung an einer unbefestigten Straße. In einem kleinen Hof heißen uns vier Filter-Empfänger mit einem Gebet herzlich willkommen. Vasquez erklärt, wie sie die Filter jede Woche reinigen sollen, und demonstriert es ihnen grob.

Marino Nicasio, der Bürgermeister der Gemeinde, fragt: "Wie unterscheiden sich die von den Sandfiltern?" Der Entrena-Mitarbeiter Tim Kiefer erklärt, die neuen Filter würden nicht so schnell kaputtgehen. Unter vier Augen sagt mir Kiefer, Los Llanos habe vor wenigen Jahren Biosandfilter vom Friedenscorps erhalten, manche seien aber verschlissen oder kaputtgegangen. Ich überlege, ob nicht vielleicht einige Filterempfänger schon Zugang zu sauberem, günstigem Wasser hatten—durch Sandfilter oder auch in Flaschen, was ich schon in vielen dominikanischen Häusern gesehen habe. Ich beschließe, später nachzuforschen.

Nach der Zeremonie bleiben Norgren und Taylor noch einen Moment und unterhalten sich freundlich mit Nicasio und Eva de Rodriguez Bonilla, einer älteren Dame, die auch einen Filter bekommen hat. Sie bitten mich, zu dolmetschen, bevor sie sich unter Umarmungen und Küssen verabschieden. Ich frage Nicasio nach den Sandfiltern, die, wie er meint, "vor ihrer Zeit kaputt" waren.

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"Vielleicht sind diese ja besser", sagt er.

Ross Velton formt einen Keramikfilter aus Ton und Sägespänen.

Abends begegne ich in einer Schiffslounge auf einem Oberdeck dem Passagier Steven Baines bei einem Treffen für Ex-Freiwillige des Friedenscorps (PCV, für Peace Corps Volunteers). Bei ihm sind noch drei ehemalige PCVs, die jetzt allesamt für Fathom arbeiten.

Baines, der in Bolivien eingesetzt war, erzählt, wie lange es dauerte, bis die Projekte der PVCs Früchte trugen—wenn überhaupt. Gil Lang, ein Impact Guide, der in Rumänien war, räumt ein, er habe selten von Friedenscorps-Projekten gehört, "die Bestand hatten. Aber eigentlich geht es um Beziehungen."

Ich frage Lang, ob vor diesem Hintergrund Fathom-Reisende ihre Bemühungen nicht ein wenig zu hoch bewerteten, und er verneint. Ein sonnenverbrannter Passagier namens Bryant Vega, der den ganzen Tag einen Boden betoniert hat, meldet sich zu Wort. "Ist mir egal, was andere sagen. Ich weiß, dass ich etwas bewirkt habe. Der Typ hat einen Boden in seinem Haus."

Am nächsten Morgen sind Velton sowie Taylor und ihre Familie wieder dabei. Diesmal werden sie einen Betonboden gießen für eine Familie, die keinen hat. Im Bus nach El Javillar, einem einkommensschwachen Viertel von Puerto Plata, hält ein bärtiger Repräsentant des örtlichen Fathom-Partners IDDI eine Einführung.

"Danke, dass ihr hier seid, um diese Insel zu einem besseren Ort zu machen", beginnt er. Felix Desangles ist Amerikaner dominikanischer Abstammung und trägt Sonnenbrille und lange Ärmel. Er erklärt, 80 Prozent der Einwohner dieses Viertels hätten keine Betonböden. Natürlich sei ein Boden aus Kies und Erde schwer zu reinigen und werde bei Regen unheimlich matschig. Außerdem kämen so Parasiten in die Füße der Kinder, sodass sie krank werden, der Schule fernbleiben oder sogar einen Krankenhausaufenthalt benötigten, und die seien extrem teuer.

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"Einen Betonboden kriegen ist wie ein Lottogewinn", sagt Desangles. Die Familien bekommen ihre Böden gratis, bezahlt durch die Kreuzfahrttickets der Freiwilligen und die 20 Dollar, die sie pro Kopf für diese Aktivität zuzahlen.

Freiwillige sammeln Setzlinge, um sie in einem örtlichen Wald zu pflanzen.

Wir laufen eine Gasse entlang, in der drei einheimische Jungen mit Schaufeln Wasser, Zement und Sand mischen. Desangles ruft Gleni Peralta, die Hausherrin, herüber. Sie ist klein, dynamisch, trägt ein rotes Kleid und hat ein breites Lächeln, bei dem eine Zahnspange aufblitzt. Zur Begrüßung hält sie eine Rede. "Ich möchte Gott danken, dass er jeden Einzelnen von euch geschickt hat. Jetzt kann ich bald in mein neues Haus einziehen."

Wir legen los. Die Jungen aus dem Viertel, die den Beton gemischt haben, werden angewiesen, die Schaufeln den Freiwilligen zu reichen. Sie sehen verwirrt zu, wie örtliche Fathom-Partner die frisch gefüllten Eimer halb ausleeren—damit die Freiwilligen sie noch heben können.

Ein Dutzend Voluntouristen bildet eine Eimerkette und reicht den Beton den schmalen Weg zu Peraltas Haus entlang weiter. Sie stehen so dicht aneinander, dass die Kette auch mit halb so vielen Personen funktionieren würde.

Die etwas schwierigere Aufgabe, die Zutaten für den Beton abzumessen, fällt einem drahtig-muskulösen 27-Jährigen namens Chen Valentine zu. Ich frage ihn, ob es wirklich die Touristen brauche, um die Aufgabe zu bewältigen. Er antwortet geradeheraus, man brauche sie dazu nicht—alle Männer im Viertel wüssten, wie man Beton mischt. Aber würden sie es auch gratis machen, wie die Touristen für Peralta? "Claro", sagt er. In einer engverbundenen Gemeinde wie dieser würden die Leute einander helfen. Außerdem gebe es viele Arbeitslose, die sonst nichts zu tun hätten.

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"Ich habe den Eindruck, es hilft uns mehr als ihnen", sagt Taylor, während sie zusieht, wie Valentine und ein Freiwilliger Beton auf dem Boden verteilen. "Aber wenigstens sehen sie, dass Amerikaner sich um sie scheren." Velton sagt, es fühle sich gut an, Peralta bei ihrem ersten eigenen Haus zu helfen. "Ich konnte nicht fassen, wie viele Leute hier leben", sagt er über das Viertel, in dem die Wohnverhältnisse sehr beengt sind. "Ich kriege hier ein schlechtes Gewissen, dass ich Grand Theft Auto V gespielt habe."

Mittags ist alles fertig und eine strahlende Peralta bedankt sich. Desangles erinnert die Reisenden im Bus an den "Impact", den sie eben erreicht haben. "Jeden Morgen, wenn sie ihre Füße auf den kalten Betonboden stellen, werden sie daran denken, was ihr für sie getan habt."

Kerzen, die mithilfe von Freiwilligen bei RePapel, einer Papier-Recyclingfirma, entstanden sind.

Auf der Rückfahrt nach Miami zählen die Impact Guides von Fathom die kollektiven Leistungen der Kreuzfahrer auf: die Anzahl der Wasserfilter, die seit Fathoms Gründung hergestellt wurden, die Anzahl der gegossenen Böden, der gepflanzten Bäume, der Englischstunden. "Diese Impact-Aktivitäten werden weitergeführt", sagt Seles zu Velton und seinen Mitreisenden. "Das hier ist nachhaltiger Impact. Das wird nicht einfach verschwinden."

Nachdem die Kreuzfahrt zu Ende ist, kehre ich auf eigene Faust auf die Insel zurück, um die nachhaltigen Auswirkungen mit eigenen Augen zu sehen. Erster Halt: Los Llanos, das Viertel, das Wasserfilter geschenkt bekam. Bei Nicasio zu Hause finde ich reichlich Quellen für sauberes Trinkwasser. Zum einen hat er den Sandfilter, der bei ihm noch einwandfrei funktioniert. In der Nähe steht ein Wasserspender für die großen käuflich erhältlichen blauen Tanks, die man botellones nennt und die fast 19 Liter halten. Der Keramikfilter von Wine to Water macht drei. "Ich glaube, nach dem Sandfilter lasse ich es noch durch den [von W2W] laufen", sagt Nicasio. Bald stelle ich fest, dass alle vier von uns beschenkten Einheimischen schon vor den Fathom-Filtern sauberes Wasser hatten.

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Nicasio erklärt mir, die Gemeinde habe vor 20 Jahren angefangen, aufbereitetes Wasser zu trinken, als dieses günstiger wurde und man überall leicht an die großen Wassertanks kam. Nun trinke fast jeder, den er in Los Llanos kenne, sauberes Wasser. Kosten erwähnt er nicht als Hindernis. (Ein paar Monate darauf sagt er mir, er habe dank dem W2W-Filter aufgehört, abgefülltes Wasser zu kaufen; ob das eine große Ersparnis bringt, erwähnt er dabei nicht.) Ich bin froh zu sehen, dass Nicasio so gut mit sauberem Wasser versorgt ist, doch ich frage mich, ob die Freiwilligen wissen, dass sie Menschen Trinkwasser gebracht haben, die bereits welches haben und es sich auch leisten können.

Als Nächstes mache ich mich auf zu den Einheimischen, die letzte Woche Englischunterricht von Kreuzfahrtreisenden bekamen. Emelda Garvia, die stille, freundliche Frau, in deren Haus ich den beiden Jugendlichen begegnet bin, bittet mich herein. Ich frage, ob sie in den Wochen, in denen keine Fathom-Reisenden da sind und junge dominikanische Lehrer unterrichten, mehr lerne. "Natürlich lernen wir bei den muchachos mehr", sagt sie und meint damit die bezahlten Lehrkräfte. Fathom-Mitarbeiter sagen mir zwar, diese Englischstunden gäbe es nicht ohne das Geld der Touristen, doch ich gewinne den Eindruck, dass die Kreuzfahrer mehr Gutes tun könnten, wenn sie ihr Geld direkt Entrenas Lehrkräften schicken würden.

Schließlich besuche ich Peralta, die mich in ihr inzwischen fast fertiges Haus eingeladen hat. Erst als sie mich in ihr altes Haus auf der anderen Seite der Gasse mitnimmt, wo sie zuvor mit ihrer Mutter gewohnt hat, wird mir klar, dass sie auch hier schon einen Betonboden hatte. Anders als Desangles den Reisenden im Bus gegenüber impliziert hat, lebt Peralta schon ihr ganzes Leben in einem Haus mit Betonboden. Genau wie ihre Kinder.

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Eine Freiwillige hebt mithilfe einer RePapel-Mitarbeiterin Papiermasse auf einem Sieb aus der Wanne.

Um eine Erklärung für diese Diskrepanzen zu finden, kontaktiere ich Fathom und seine Subunternehmer. Da ich mich erinnere, wie Fathoms Auftragnehmer den Freiwilligen versichert haben, sie würden regelmäßig mit den Empfängern der Filter sprechen, um deren Funktionstüchtigkeit zu prüfen, rufe ich Josh Elliot, Direktor für internationale Aktivitäten bei Wine to Water, an. Ich bitte darum, einen Blick auf diese Nachforschungen werfen zu dürfen. Zu meiner Überraschung erklärt er mir, solche Daten gebe es nicht.

Stattdessen stelle ich ihm direkt einige Fragen, doch er kann mir nur wenig sagen. Wie viel Geld sparen dominikanische Familien, wenn sie die Filter nutzen? Man weiß es nicht. Gibt es Forschung, die zeigt, dass die Filter wasserbezogene Krankheiten bei Empfängern reduzieren? Dass Kinder 35 Prozent weniger der Schule fernbleiben, wie Fathom behauptet? Auch nicht. "Unser Filterwasser ist definitiv besser" als das aufbereitete Wasser, das die meisten Dominikaner kaufen, versichert mir Elliot. Haben W2W oder Fathom also beide Wasserarten vor Ort getestet? Nein. Elliot verweist auf eine kleine Umfrage, die eine Partnerorganisation bei Empfängern von W2W-Filtern gemacht hat. Doch als ich sie mir ansehe, steht darin, dass unter den 68 Befragten 13 Personen Probleme mit ihren Filtern hatten und 21 ihn ersetzen mussten, weil er kaputtging. Eine statistisch signifikante Verringerung von Krankheiten oder Durchfall wurde nicht festgestellt.

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Aber sicherlich kann W2W mir Forschung zeigen, die belegt, dass die Filter in anderen Ländern effektiv sind? Dazu Elliot: "Die einzige Region, in der wir Keramikfilter machen, ist die DR. Es ist unser neuestes Programm." Es existiert erst seit einem Jahr. Nicht nur hat die Organisation, die Fathom für seine Freiwilligen ausgewählt hat, keine Beweise für die Effektivität ihrer Filter, sie hat sie zuvor auch noch nie eingesetzt.

Ich denke zurück zu dem Tag, an dem die Fathom-Freiwilligen die Filter verteilten. Während der Bus die windungsreiche Straße aus Los Llanos hinunterfuhr, versuchte Vasquez mit bewundernswertem Elan, die müden Reisenden mit einer positiven Schlussbesprechung ihrer Leistungen zu ermutigen. "Sobald ihr einen Fuß auf die Insel setzt, habt ihr schon einen Impact", versicherte er ihnen.

Freiwillige zerreißen von Hand Altpapier.

"Können wir objektiv sagen, dass diese Familie in der DR dasselbe erleben wird wie diese Familie in Mexiko? Noch nicht, weil wir es noch nicht untersucht haben", räumt Sarah Binion, ein Impact Guide bei Fathom, ein. Sie bezieht sich auf ein mexikanisches Regierungsprogramm, das die Gesundheit vieler Bürger durch Betonböden verbesserte. Als ich im Juli mit Binion telefoniere, promoviert sie gerade in internationaler Entwicklung mit Fokus auf "Measuring Impacts". Tatsächlich habe sie sogar ein "System" erarbeitet und soeben eingereicht, mit dem erfasst und evaluiert werden kann, welchen Einfluss die Freiwilligen von Fathom haben—ob die Familien, die Filter und Böden erhalten haben, etwa gesünder, glücklicher oder finanziell besser gestellt sind. Umgesetzt hat Fathom es zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

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Sie fährt fort: "Wir wissen bisher sehr wenig. Wir haben aktuell nur den Output"—die Zahl der hergestellten Filter und gegossenen Böden. Das "lässt sich nicht in Ergebnisse oder Impact umrechnen". Allerdings baut Fathom seine Marke auf genau diese auf.

Als ich nachhake, sagen Fathom-Mitarbeiter, es sei zu früh, um die Auswirkungen einzuschätzen, die Firma sei noch in ihrem ersten Jahr. Doch wenn Fathom es mit dem Impact ernst meinen würde, hätte man vor dem Launch Ausgangswerte ermitteln können, wie es in der Entwicklungshilfe üblich ist. Dazu hätte man die Gemeinden, für die Aktivitäten geplant waren, besuchen müssen und die Bewohner zu ihrem Einkommen, ihrer Gesundheit, ihrer Zufriedenheit und anderen Faktoren befragen müssen. Später könnte Fathom beliebig oft neue Werte sammeln und diese vergleichen. Doch wie Binion gesagt hat, gibt es bisher nur eine Sorte Daten, nämlich solche zum Output.

Es mag wahr sein, dass nicht alle Auswirkungen der Freiwilligenarbeit sich messen lassen, doch schwierige Messbarkeit gibt den Anbietern noch lange nicht das Recht, Erfolge einfach zu versprechen. Der Glaube zweier Mitarbeiter an Fathoms Vorgehen geht so weit, dass sie mir versichern, die Probleme der Dominikaner—die immerhin viele Organisationen seit geraumer Zeit beschäftigen—würden bald komplett aus der Welt geschafft sein. "Wenn du in zwei Jahren wieder in die DR reist und wir dort noch dasselbe machen, haben wir versagt", sagt mir Lang auf dem Schiff.

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Bei meiner Rückkehr auf die Insel spreche ich auch mit John Seibel, Gründer und Geschäftsführer des Fathom-Partners Entrena. Er räumt ein, dass man ohne Studien wie der Binions unmöglich wissen kann, ob beispielsweise die Filterherstellung durch Freiwillige die Gesundheit und finanzielle Lage der Empfänger verbessert.

"Ich denke, man kann relativ sicher davon ausgehen. Aber das lässt sich nur beweisen, wenn die Filter auch benutzt werden", sagt Seibel. Und "offensichtlich" sei man jetzt noch nicht an dem Punkt, "wo sich sagen lässt, ob sie wasserbezogene Krankheiten reduzieren".

Offensichtlich für alle außer Fathom, wie es scheint. Ich frage Seibel direkt: Ist es unehrlich, dass Fathom Passagieren sagt, die Wasserfilter würden die Gesundheit dieser Familien verbessern? "Ich weiß nicht, ob man jetzt schon so spezifisch werden kann", sagt er. "Für solche Aussagen braucht es eine Auswirkungsanalyse."

Freiwillige mischen Wasser, Zement und Sand, um daraus einen Betonboden zu machen.

"Die Leute sprechen viel über Nachhaltigkeit", fährt Seibel fort, "aber die ist am Schwierigsten zu erreichen." Fathoms aktuelle Volunteer-Programme bauen auf der Annahme auf, dass die Firma sie langfristig durchführen wird. Das ist problematisch, wenn man bedenkt, dass es hierfür keinerlei Garantie gibt. Bei meiner Reise waren auf dem 700-Personen-Schiff nur 525 Passagiere—obwohl es schon Gratisreisen für Journalisten und Reisekaufleute gab und Last-Minute-Tickets von 1.465 Dollar auf bis zu 200 Dollar reduziert wurden. Es drängt sich also die Frage auf, ob Fathom für das Mutterunternehmen Carnival und die Schiffseigner profitabel genug sein wird. Unterwegs habe ich erfahren, dass der Vertrag mit dem britischen Schiff Adonia 2017 enden soll. Seibel sagt mir außerdem, auch Entrenas Vertrag mit Fathom im November endet; eine Verlängerung ist nicht sicher.

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Taylors Mutter Julie, die Reisebürokauffrau, die für Fathom die Werbetrommel rühren sollte, hat da etwas anderes gehört. Sie sagt mir, der regionale Vertriebsbeauftragte von Fathom habe ihr im August "versichert, dass die Verträge mit IDDI und Entrena langfristig seien, weil Carnival dahinterstehe. Die Firmen sollen gesagt haben, sie bleiben so lange dabei, wie sie gebraucht werden."

Als ich Julie sage, dass der Geschäftsführer von Entrena mir Dinge erzählt hat, die dem widersprechen, wird sie still. "Das ist enttäuschend. Das ist sehr enttäuschend."

Ihre Reaktion auf die Enthüllung, dass die Empfänger unserer Wasserfilter bereits mit sauberem Wasser versorgt waren, fällt ähnlich aus: "Das ist so enttäuschend. Natürlich bin ich keineswegs enttäuscht, dass die Leute sauberes Wasser hatten—aber jetzt denke ich, dass es da draußen Familien ohne sauberes Wasser gibt, denen das hier wirklich hätte helfen können."

"Na ja, wenigstens gibt es noch den Beton. Wenigstens hatte die Frau vorher keinen Betonboden—oder kommt jetzt noch so etwas?", fügt sie halb im Scherz hinzu. Ich erzähle ihr von Peraltas Elternhaus auf der anderen Seite der Gasse.

Nun wirkt sie etwas verärgert. "Das kann man nicht schönreden." "Diese Frau hatte keinen Betonboden und jetzt hat sie einen"—das sind die Worte, an die sich Julie von den örtlichen Fathom-Partnern erinnert. "Im Bus wurde betont, dass es ihnen ein viel gesünderes Leben ermöglicht."

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Ihre Tochter Taylor ergänzt, Fathom habe auf dem Schiff ebenfalls solche Versprechen gemacht. "Es gab ein Gespräch mit mehreren Fathom-Leuten darüber, dass die unbefestigten Böden viele Krankheiten verursachen, mit dem Regen und den ganzen Bakterien … Das ist wahr, aber es betrifft ja nicht die, die schon einen Betonboden haben", sagt sie. Bei den Filtern ist es dasselbe: "Die Fathom-Mitarbeiter haben nicht erwähnt, dass die Leute schon sauberes Wasser hatten."

"Wenn ich ihnen solche Aussagen nicht glauben kann, wie soll ich dann andere Dinge glauben?"

Eine Freiwillige gibt einen Eimer voll Beton weiter.

Wie zum Beispiel das, was sie von Tim Kiefer, dem amerikanischen Entrena-Mitarbeiter gehört hatte: dass die Keramikfilter anderswo schon funktioniert hätten und man daher hier vom selben Ergebnis ausgehen könne.

"Das war unser ganzes Gespräch mit Tim", sagt Taylor. "Wir wollten von ihm wissen, wie es funktioniert, aber er meinte im Grunde nur: ‚Wir wissen, dass es funktioniert.'"

In seiner berühmten Reportage " Schrecklich amüsant—aber in Zukunft ohne mich " bemerkt der amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace: "Das Versprechen lautet nicht, dass man ein großes Vergnügen erleben kann, sondern, dass man es wird. Sie werden dafür sorgen." Dieselbe Haltung scheint Fathom gegenüber seinen Freiwilligen zu haben.

Und mit diesem Werbeversprechen verkauft Fathom Kreuzfahrten. Auf ihrer Website verspricht die Firma Reisenden eine Chance, "dauerhafte Entwicklungsbeiträge zu leisten". Eine solche Aussage kann nicht ehrlich sein, wenn es keinerlei Forschung gibt, die das belegt.

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Taylor sagt, sie habe den Eindruck bekommen, eine gewisse Vagheit sei gewollt gewesen, und erwähnt die letzten Freiwilligentreffen auf dem Schiff, bei dem die Impact Guides von Fathom in Zahlen ihre Leistungen zusammenfassten.

"Die Zahlenwerte wirken toll", sagt sie. "Aber ich bin keine Expertin in solchen Dingen. Wenn ich eine Wasserfilterexpertin wäre, wüsste ich, was diese Zahlen wirklich bedeuten. So kann ich das nicht wirklich einschätzen. Und ich denke, darauf verlassen sie sich irgendwie."

Als ich Velton am Telefon von meinen neuen Erkenntnissen berichte, findet er es "etwas trügerisch", dass man ihm gesagt hat, es gebe Forschungsergebnisse zu den positiven Auswirkungen der Filter in der DR, obwohl dem nicht so ist. Dass Fathom gezielt lügt, glaubt er allerdings nicht.

Baines wirkt enttäuscht, dass Fathom nicht mehr tut, um die Wirkung seiner Programme zu evaluieren. Nach seiner Zeit beim Friedenscorps war Baines drei Jahre lang Entwicklungshelfer bei einer großen NGO in Malawi, wo er überwachen musste, ob Gesundheitsprojekte tatsächlich Wirkung zeigten. Als ich ihm im August sage, die Firma erwäge, Binions Vorschlag anzunehmen und in Zukunft Impact-Studien zu machen, sagt er: "Es bereitet mir Sorgen, dass du sagst, sie erwägen es. Das sollte von Anfang an dazugehören und gar nicht erst zur Debatte stehen."

Der Pool im Privathafen Amber Cove.

"Dort arbeiten ja mehrere Friedenscorps-Freiwillige, also wissen sie auch, dass es zur Geschäftspraxis gehört, die Ausgangssituation zu ermitteln", sagt er. "Die Spender erwarten Berichte. Ohne Spender gibt es keine Investoren." Spender, Investoren—das sind die Menschen, die—zumindest theoretisch—NGOs im Ausland auf die Finger schauen. Aber wer macht das bei einem Kreuzfahrtanbieter?

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Die meisten Touristen "werden sich nicht hinsetzen und eine kritische Analyse durchführen", meint Baines. Sie seien hier nicht die Profis. "Ich denke, Touristen haben nur die Verantwortung zu überlegen, ob sie einer Firma ihr Geld geben wollen."

"Ich fände es ganz furchtbar, wenn die Familien in der DR hier irgendwie die Leidtragenden wären", sagt er. "Fathom kann eine Pleite einstecken und etwas anderes machen. Die Touristen, Leute wie ich, sind um eine Erfahrung reicher. Aber für die Menschen in der DR geht es hier um ihre Existenz."

Über die Gründer von Fathom sagt Baines: "Ich denke, da gibt es eine Verantwortung. Wenn das nicht ihre erste Priorität war, was dann?"

Die Reisekauffrau Julie mutmaßt, Fathom habe "ausgeschmückt", um mehr Kreuzfahrten zu verkaufen. Das bereitet ihr Sorgen: Hat sie vielleicht unwissentlich Fathoms Fehlinformationen an Kunden weitergegeben? Julie war hellauf begeistert von Fathoms Mission und ihren beiden Kreuzfahrten. Ich frage sie, ob sie die Fathom-Reisen noch genauso enthusiastisch verkaufen werde. "Ich verkaufe nichts, an das ich nicht glaube", sagt sie. "Jetzt bringe ich nicht mehr so viel Enthusiasmus auf."

Julie sagt, es sei ihr außerdem ein Rätsel, warum Fathom nicht aufrichtiger sei. "Wenn sie alles so dargestellt hätten, wie es wirklich ist, hätte ich die Kreuzfahrt trotzdem genossen", sagt Julie. "Aber wenn man herausfindet, dass die Realität ganz anders aussieht, als behauptet, dann fühlt man sich hinters Licht geführt."

Ich erzähle ihr, dass ich die Ergebnisse meiner Nach­forschungen der Gründerin und Präsidentin von Fathom, Tara Russell, präsentieren will. Julie sagt, sie habe viel Gutes über Russell gehört. "Ich halte sie für eine Person, die sich für deine Ergebnisse interessieren wird. Ich hoffe nur, sie ändern etwas."

Eingang zu einem Souvenirladen in Amber Cove

Am Telefon erkläre ich Russell, was ich herausgefunden habe. Sie ist überrascht, dass Peralta bereits einen Betonboden hatte; Russell dachte, das Projekt sei für Familien, die noch keinen haben. Als ich nach den Filtern frage, sagt sie, ihr Hauptzweck sei es, den Familien finanzielle Ersparnisse zu bringen. Mit den fehlenden Forschungsergebnissen von Wine to Water konfrontiert, sagt sie, sie sei "enttäuscht".

Russell besteht darauf, Fathom habe im Bezug auf die Freiwilligenarbeit einen "gründlichen und detaillierten Ansatz" verfolgt. Die Firma habe die höchsten Ansprüche an sich gestellt, indem sie "solide Impact-Evaluierungen" durchgeführt habe.

Doch im Juli hatte ich ja von Binion erfahren, dass Fathom bis dato keine solchen Studien gemacht hatte. Russell sagt nun, Fathom habe seither damit begonnen. Als ich Binion schreibe, um Details zu erfahren, antwortet sie: "Ich kann nichts teilen, weil der Vorschlag Eigentum von Fathom ist." Stattdessen schickt mir Fathom Auszüge aus dem Abstract, in denen nicht steht, welche Messwerte in den Gemeinden festgehalten werden oder welche Methoden zum Einsatz kommen sollen. Dazu bekomme ich einen leeren Fragebogen, den die Firma laut eigener Aussage für logistische Notizen zu den jeweiligen Gemeinden genutzt hat (Entfernung vom Hafen, Toiletten, Raumgröße). Darauf sind winzige Kästchen für "impact outcomes", in die kaum mehr als ein paar Wörter passen dürften. Nicht die entfernteste Ähnlichkeit mit einer richtigen Baseline-Studie.

"Wenn sie alles so dargestellt hätten, wie es wirklich ist, hätte ich die Kreuzfahrt trotzdem genossen", sagt Julie.

Russell gibt zu: "Wir können noch nicht mit Sicherheit sagen, wie weitreichend diese Auswirkungen tatsächlich sein werden."

"Das könnte niemand versprechen", sagt sie mir.

Als ich sie daran erinnere, dass Fathom regelmäßig solche Versprechen macht, erwidert sie, Fathom habe lediglich die Informationen seiner Partner wiederholt. Das hört sich angesichts meines Gesprächs mit John Seibel, dem Chef von Entrena, eher unwahrscheinlich an.

"Es ist schade, dass wir keine Daten haben", sagt Russell. "Aber wir haben die anekdotische, starke Überzeugung, dass es für diese Familien einen spürbaren Unterschied macht."

Russells Glaube an Anekdoten wird deutlich, als sie mir von einer Dominikanerin erzählt, die "schwere Atem- und Asthmaprobleme" hatte und deren Familie "im Grunde ihr ganzes Geld dafür ausgab, sie am Leben zu halten".

"Wir kamen an, konnten einen Betonboden gießen, und als ich sie kennenlernte, sah sie schon gesund aus. Sie konnte wieder arbeiten gehen, die Kinder waren wieder in der Schule", sagt Russell. "Wenn ich mir allein diesen Unterschied ansehe, dann ist das dramatisch."

Als ich Russell frage, welche Beweise sie denn dafür kenne, dass Betonböden Asthma heilen können, hält sie inne. "Ich habe nicht alle Daten dazu", sagt sie.

"Das hier hat noch nie jemand gemacht", erinnert mich Russell an die große Mission von Fathom. "Erwarten wir, dass unsere Bemühungen perfekt sind? Nein.

Gutes tun ist kompliziert."

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