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Kranker Scheiß aus dem Leben einer Fotolaborantin

Für manche Leute sind Fotolabore Relikte einer vergangenen Ära. Für andere sind sie ein Ort, an dem sie Schnappschüsse ihrer seltsamen Vorlieben anfertigen lassen.

Alle Illustrationen von Drew Shannon

Das Aufkommen von Photo-Sharing-Seiten und die Tatsache, dass jedes Handy heutzutage auch als Kamera fungiert sowie als Speicherplatz für alles von Abschlussballfotos bis hin zu creepy Snapchat-Screenshots, hat es eigentlich überflüssig gemacht, richtige Fotos zu drucken. Zumindest habe ich das geglaubt, bis ich vor ein paar Jahren einen Job als Technikerin im Fotolabor annahm. Der Fotoladen in einer Kleinstadt druckte täglich mehr als tausend Fotos im Format 10x15 cm, für Leute, die sich verzweifelt an ihre 35mm-Kamera klammerten, oder Teenager, die schlechte, pixelige Instagram-Fotos ausdruckten. Zwar war meine Erfahrung nicht so spannend wie die von Robin Williams in One Hour Photo, aber ich habe ziemlich viel kranken Scheiß gesehen. Was ich während meines Jahrs in dem Job am bemerkenswertesten fand, war, wie egal es den Leuten war, was wir auf ihren Fotos zu sehen bekamen. Um eins klarzustellen: Die Leute im Fotolabor sehen deine Fotos. Vielleicht schauen sie sich nicht absichtlich jedes einzelne an, aber bei meinem Arbeitgeber mussten wir zur Qualitätskontrolle alle einmal durchgehen. Zwar waren die meisten dieser Fotos die üblichen Bilder von Geburtstagen und Abschlussfeiern und Urlaubsreisen, aber es gab einige, die sich davon sehr abhoben.

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Privatvorstellung

Ich war alleine im Laden, als zwei ältere Kunden hereinkamen und an die Selbstbedienungsdruckstation gingen. Es kam nur extrem selten vor, dass Kunden an der Druckstation keine Hilfe beim Umgang mit dem Menü brauchten, vor allem bei Leuten, die weit über 70 waren. Nach ein paar Minuten, in denen ich sah, wie sie mit den Druckoptionen kämpften, ohne mich um Hilfe zu bitten, ging ich hinüber und fragte, ob ich behilflich sein könnte. Sie wurden sofort ganz unruhig und sagten unwirsch, dass sie keine Hilfe wollten. Es kam auch nicht selten vor, dass Kunden unhöflich waren, doch es wirkte schon seltsam auf mich, dass meine Anwesenheit sie so zu aus dem Konzept zu bringen schien. Ich machte mich wieder an die Arbeit und sah ab und zu rüber, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung war. Mir fiel auf, dass der Mann sich besondere Mühe zu geben schien, den Blick auf den Bildschirm zu versperren, indem er sich genau davor stellte.

Die Druckstation fing an, die Bilder zu drucken, und es kam mir noch seltsamer vor, dass er sich sofort bückte, um die einzelnen Bilder an sich zu nehmen, anstatt zu warten, bis alles fertig war. Waren die Fotos es wirklich wert, sich die Hüfte zu ruinieren? Meine anfängliche leichte Neugier hatte sich inzwischen so weit verstärkt, dass ich in Gedanken schon eine Folge von Criminal Minds daraus machte, also tat ich mein Bestes, von meiner Position aus zu sehen, was auf den Bildern war, bevor er sie sich schnappen konnte.

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Auf dem ersten Bild war eine Nahaufnahme eines in Unterwäsche gekleideten weiblichen Schritts zu sehen. Ich wollte nicht glauben, dass diese Urgesteine etwas anderes druckten als Bilder von der letzten Kaffeefahrt, doch diese ungezogenen Omabilder würden natürlich ihr wunderliches Verhalten erklären. Das nächste Bild zeigte den Albtraum eines jeden Enkelkinds: Das Paar posierte bei sich zu Hause mit einer hübschen jungen Frau, bei der ich jetzt einmal von einer Prostituierten ausgehe. Oma befand sich auf dem Küchentisch, die Arme um eine Frau in einem String-Bikini aus PVC. Ich versuchte, mich zu sammeln, während sie die Fotos einsammelten—von denen ich gerne sagen würde, dass sie nicht gegen die Hausregel gegen Nacktfotos verstießen, aber ich hatte auch nicht vor nachzusehen. Sie verließen den Laden, ohne ein weiteres Wort zu sagen.

Backe, backe Kuchen

Es war nicht ungewöhnlich, dass wir für kleine Firmen Fotos druckten, die von ihnen zu Werbezwecken eingesetzt wurden. Das konnten Friseurläden oder Baufirmen sein. Während einer meiner Schichten bestellte eine Frau 200 Exemplare für ihre Konditorei. Da ich die Art Person bin, die auch gerne mal die Ausgehpläne verwirft, um sich zu Hause einem Backsendungs-Marathon hinzugeben, wollte ich es mir selbst nicht vorenthalten, einen Blick auf die Aufnahmen zu werfen, als sie aus dem Drucker kamen.

Die Bestellung fing mit den üblichen originellen Hochzeitstorten und Zeichentrick-Kreationen für Kindergeburtstage an, doch dann fiel ein Kuchen in Form großzügig selbstgebräunter Brüste mit verstörend kleinen Nippeln aus dem Drucker. Ich wusste instinktiv sofort, was als Nächstes kommen würde: ein Peniskuchen, der ultimative Höhepunkt der originellen Konditorei. Dieser Junggesellinnenkuchen sah allerdings nicht so aus, wie ich erwartet hatte. Da ich an einer Kunstschule mit einer sehr aktiven Gay-Pride-Gruppe war, die gerne halbherzige Spendensammlungen veranstaltete, habe ich in meinem Leben schon eine stolze Menge penisförmigen Gebäcks gesehen. Ich glaube, es gibt einen Punkt im Leben, an dem jeder Peniskuchen ein trauriger Peniskuchen ist, doch das hier war das „Breathe Me" von Sia der Peniskuchen. Man könnte jetzt argumentieren, dass theoretisch und schwerkraftsmäßig betrachtet jeder Peniskuchen ein schlaffer ist, doch bei diesem hier war beim ersten Anblick sofort klar: Selbst wenn ein Kuchen eine Erektion haben könnte, würde dieser hier es ohne eine gehörige Dosis kleine blaue Pillen nicht hinbekommen. Er war so lang, wie er breit war. Nichts an diesem Kuchen sagte: „Steck mich in deinen Mund, du betrunkene Braut." Es war unmöglich, sich nicht zu fragen, ob die Schöpferin des Meisterwerks sich von einer realen Enttäuschung hatte inspirieren lassen. War das Glied ihres Mannes oder Freunds hier die Vorlage gewesen und sie hatte einfach noch nie einen anderen Penis gesehen? War ihr vielleicht nicht einmal klar, was sie ihrer Kundin da für einen traurigen Anblick vorgesetzt hatte? Dies war nicht der Kuchen, den sich der Junggesellinnenabschied wünschte, aber es war vermutlich der Kuchen, den der Junggesellinnenabschied verdient hatte.

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Noch immer ganz erschüttert von dem enttäuschenden Schwanz blieb ich vor dem Drucker hängen wie eine Süchtige, obwohl ich wusste, dass es nur noch schlimmer werden konnte. Der nächste originelle Kuchen war einer, auf den mich nichts hätte vorbereiten können. Aus der Zuckerschrift konnte ich schließen, dass es sich wohl um einen Kuchen für die Pensionierungsfeier eines Arztes oder einer Ärztin handelte. Der Kuchen selbst hatte die Form menschlicher Pobacken, mit einem Krankenhauskittel, der direkt über der Arschritze hing und zu sagen schien: „Ich bin ganz furchtbar krank." Zwar würde ein Arschritzenkuchen so ziemlich jedem die Sprache verschlagen, doch es war auch die unglaubliche Detailtreue, die sich für immer und ewig in mein Hirn einbrannte. Direkt unter der roten Schrift, die eloquent verkündete: „Jetzt, wo du in Pension bist, können die sich das in den A… schieben!" hatte der Kuchen ein Poloch. Ein sehr braunes Poloch. Ob das jetzt wirklich der Kundenwunsch oder schlicht konditorische Freiheit war, werde ich niemals erfahren. Aber ich schlafe gut in dem Wissen, dass einige alte Leute an jenem Tag bei einer Abschiedsfeier an einem Anus herumgekaut haben.

Freiwild

Wenn man in einem kleinen Dorf lebt, dessen nächstgelegener Flughafen eine vierstündige Busfahrt entfernt ist, ist klar, dass das Freizeitangebot eher begrenzt ist. Jagen war hier deswegen nicht nur ein geduldetes Hobby sondern eher so normal, wie im Besitz aller Vorderzähne zu sein. Mindestens 75 Prozent der Fotos, von denen wir während der Jagdsaison Abzüge machten, waren geprägt von Camouflage-Klamotten und Hirschkadavern. Jagen war natürlich auch etwas für die ganze Familie und die schiere Anzahl von Bilder, auf denen sich die komplette Sippschaft fröhlich strahlend um einen kopfüber in einer Scheune aufgebarten Hirsch zusammenfand, als würde sie vor dem Weihnachtsbaum abhängen, war einfach nur abartig.

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Um der ganzen Geschichte doch noch etwas Gutes abzugewinnen, machte ich es mir zur Aufgabe, das beste Jagdfoto der Saison zu finden. Auf dem Bild, das ich schließlich zu meinem persönlichen Gewinner kürte, war ein Mann zu sehen, der neben seinem Pickup-Truck stand, auf dessen Ladefläche ein riesiger toter Hirsch lag. Der Sohn des Mannes, etwa sechs Jahre alt, stand posierend neben dem Truck und machte eine solche Geste in Richtung Hirsch, dass man es nicht anders als Tribut an die Lynndie England Missbrauchsfotos mit den irakischen Gefangenen von 2004 interpretieren konnte. Es war grauenvoll, verstörend und einfach perfekt. Es verkörperte alles, was ich an meinem Job, meinem Kaff und wahrscheinlich dem ganzen Universum hasste und liebte.

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Schrumpfungsprobleme in Punta Cana

Während der Wintermonate hatte man das Gefühl, als wäre jeder zweite Auftrag voll mit Urlaubsbildern von Familien, High-School-Abgängern und Senioren. So ziemlich jeder in meinem Dorf schien zu dieser Zeit auf eine All-Inklusive Kreuzfahrt zu gehen—nur ich nicht. Mindestens 90 Prozent der Bilder waren aus Punta Cana, was ich fachmännisch an den Bildern mit einem in den Sand geschriebenem „Punta Cana [Urlaubsjahr hier einsetzen]" zu erkennen wusste, die offensichtlich jeder dort macht (google es ruhig). Es kam gar nicht mal so selten vor, dass sich Fotos aus den Resorts überschnitten—manchmal konnte man sogar andere Familien aus dem Ort im Hintergrund der Bilder entdecken. Der Großteil davon war allerdings ziemlich langweilig—zur Hälfte verschwommene Unterwasseraufnahmen von den Füßen fremder Menschen, der Rest von Hotelangestellten geformte Handtuch-Schwäne und Familien eingedeckt in American-Eagle-Shirts und karierten Shorts (die erste Wahl für den amerikanischen Vater von Welt!).

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Ein Auftrag allerdings lieferte wesentlich mehr als die üblichen Hawaii-Hemd-Selfies. Das Paar, beide in ihren 50ern, hatten ein Urlaubsresort besucht, das mir aus älteren Foto-Aufträgen noch nicht bekannt war. Da wir zu jener Zeit in unserem System Probleme mit der Kolorierung hatten, musste ich jedes einzelne Bild genau anschauen, wenn es aus dem Drucker kam. Die Aufnahmen fingen recht unschuldig an, aber schon bald merkte ich, dass das Paar nicht nur auf den Bildern sehr offenherzig miteinander umging, sondern auch mit einem anderen Pärchen sehr offenherzig umging. Ja, das hier waren ziemlich eindeutig Bilder von Swingern, die Urlaub in einem Swinger-Resort machten. Die Frauen—deren gebräunte Haut dem Leder alter Baseballhandschuhe glich—hatten kein Problem, mit beiden Männern und miteinander rumzumachen.

Überraschenderweise war ich aber nicht total angeekelt, sondern freute mich sogar ein wenig über diese Abwechslung vom drögen Einheitsbrei. Die Pool-Serie der Bestellung entpuppte sich dann aber als wahre Fundgrube des Fremdschams. Zu den Bildern, die offensichtlich vom Ehemann gemacht worden waren, gehörten mehrere Versuche von Unterwasser-Schwanzbildern und haariger Arsch-Selfies. Hatte dieser Mann nie die Seinfeld-Folge mit Georges Schrumpfungsproblemen gesehen? War er sich nicht darüber im klaren, dass auch ein anderes menschliches Wesen (ich) der unscharfen Wasserschlange ausgesetzt sein würde? Ich schmiss die paar Bilder weg, die gegen die Nacktheits-Policy unseres Labors verstießen (so traurig und unerotisch sie auch waren). Wenn ich nicht so leicht rot werden würde, hätte ich vielleicht in „Ich würde auch in Punta Cana swingen gehen, Mädchen"-Manier der Frau eins zugeworfen, wenn sie zum Abholen vorbeigekommen wäre. Stattdessen machte ich einfach weiter wie sonst und ignorierte das Verlangen, mein Gesicht für den Rest der Schicht in die Augenwaschstation zu halten.

Das Fotobuch, das für den Arsch war

Einmal kam ein sehr höfliches und vermeintlich sittsames Paar, beide etwas über 30, in unseren Laden und erkundigte sich nach unseren Fotobüchern. Bei diesen Fotobüchern handelt es sich quasi um vorgefertigte Fotoalben, damit man sich das Rumgefummel mit den Plastikhüllen ersparen kann. Sie fragten, ob ich später am Tag auch noch hier arbeiten würde, da sie das mit den Bildern lieber mit mir als mit einem meiner männlichen Kollegen besprechen würden. Es war jetzt nicht wirklich ungewöhnlich, dass Menschen nach einem bestimmten Mitarbeiter fragten, wenn Bilder bearbeitet oder wiederhergestellt werden sollten. Aber es war schon komisch, dass sie nicht wollten, dass ein Mann den Inhalt ihres Buches zu Gesicht bekommt. Ich versicherte ihnen, dass ich auch später noch im Laden wäre, und wartete ungeduldig darauf, was mich wohl für ein genderspezifisches Fotobuchmysterium erwarten würde.

Und ich wurde wirklich nicht enttäuscht. Mit unterschiedlichen Effekten und Filtern belegt (schwarz-weiß, kontrastarm, kontrastreich und natürlich auch in der absoluten Königsklasse ästhetischer Fotografie: Sepia) hatte ich es mit lauter Bildern vom Allerwertesten der Frau zu tun. Als Nahaufnahme, aus der Vogelperspektive, aus der Froschperspektive, mit spielerischen Schatten—es war einfach alles dabei. Ihr Arsch war der Star des Fotobuchs und er war wirklich so in Szene gesetzt, dass selbst Tyra Banks höchstpersönlich diese Fotoserie abgesegnet hätte. Vor allem ein Foto—eine extreme Nahaufnahme in schwarz-weiß von einer Pobacke von der Seite mit Gegenlicht für den extra artsy Touch—hätte es leicht zwischen diese kitschigen Poster von Sanddünen und Babydelfinen geschafft, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Um ehrlich zu sein, waren das wohl die besten Amateurbilder, die je durch unser Labor gegangen waren. Ich konnte mich aber gerade noch zurückhalten, den Mann für seine Arbeit zu beglückwünschen, da ich befürchtete, dass er es in den falschen Hals bekommt und mich bei der nächsten Session den Reflektor halten lässt.