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Ich kann nicht mehr ohne Anglizismen leben und es killt mich

Not gonna lie, mein Deutsch wird immer schlechter. What the fuck. Reden wir bald alle wie Money Boy?
Foto: VICE Media

Letztens meinte eine Freundin von mir, sie würde noch schnell einen Safety Piss taken, bevor wir losgehen. Wir hatten schon einiges an Pre-Drinks intus, also erschien mir das als ziemlich klug, der Weg zum Club war immerhin kein kurzer. Dann erst musste ich über ihre großartige Formulierung nachdenken—„einen Safety Piss taken" war wohl das Beste, was ich seit Langem gehört hatte, und es erschien mir auch irgendwie sinnvoll—eine Wortwahl wie „Ich muss noch mal kurz Pipi" wäre ohnehin viel zu banal für sie gewesen. Sie ist halt keine basic Bitch, die kurz Pipi geht, sie taket vielmehr einen Safety Piss. Es war einfach so passend.

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Ich weiß nicht, ob das noch Anglizismen sind, von denen wir hier reden, oder ob das die tatsächliche Definition von diesem Denglisch ist, das mein Onkel immer erwähnt, wenn er lustig sein will und sowas wie „you can say you to me" oder „now we have the salad" sagt. Es geht jetzt nicht um Pseudoanglizismen wie Handy, Castingshow oder Beamer, die auf Englisch so nicht funktionieren würden.

Es geht auch nicht um Wörter, für die es gar kein eigenes deutsches Wort gibt, wie Selfie, Hashtag oder Hamburger. Auch nicht um eingedeutschte Verben wie Shoppen, Snowboarden oder Chatten. Das hier ist viel, viel schlimmer. Es sind englische Phrasen—Verben, Substantive, Adjektive—, für die es sehr wohl deutsche Äquivalente gibt, und die man durchaus verwenden könnte, wenn Englisch nicht so viel cooler wäre. Und irgendwie tötet das langsam aber sicher auch mein Deutsch.

„Ich möchte keine Styling-Tipps von jemandem, dessen eigene Fashion Choices ziemlich questionable sind." Dieser Satz ist wirklich so passiert. Genauso wie „Ich geh lieber zum Spar, da hab ich viel mehr Space und kann meinen Einkauf enjoyen". Eine Freundin von mir hatte mal eine verfängliche Sonnenbrille-Haare-Situation, die sie mir wie folgt geschildert hat: „Also, als ich in Australien war, haben meine Haare meine Sonnenbrille gecaptured und es hat ewig gedauert, bis sie sich wieder gefreet hat." Ein bisschen liest sich das, als ob sich Money Boy letztendlich doch als der einflussreichste Poet unserer Generation erweisen würde—ich glaube aber, das hier geht deeper.

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Lest auf Noisey: Real Talk mit Money Boy im Coffeeshop

Zum einen schleicht sich Englisch so oder so immer mehr in unseren Sprachgebrauch. Überall liest man Blackfacing, Whistleblower, Shitstorm, Hashtag und Crowdfunding. Weil Englisch seit Ewigkeiten vielen Sprachräumen einen gemeinsamen Nenner bietet und es halt einfach ist. Ein Italiener und ein Russe können auf Englisch telefonieren, ein Deutscher kann einem Kroaten den Weg auf Englisch erklären, und ein Serbe kann einen Franzosen auf Englisch nach der Uhrzeit fragen—er kann es zumindest versuchen, die Antwort wird jedoch eher ein französisches Schimpfwort sein, die weigern sich ja strikt gegen Fremdsprachen. Englisch verbindet und klingt außerdem immer gleich ein bisschen internationaler, ein bisschen mehr sophisticated. Manche Begriffe sind auch einfach viel treffender als ihre deutsche Übersetzung und bringen es viel mehr auf den Punkt—„leaken" ist zum Beispiel besser und konkreter als „durchsickern lassen". Andere Ausdrücke wie „recyceln" lassen sich erst gar nicht übersetzen und sind ohnehin schon vollständig in der deutschen Sprache angekommen.

Zum anderen geht mir vieles auf Englisch—oder zumindest mit englischen Einwürfen—viel leichter über die Lippen. Wenn ich nicht mehr von der ersten Staffel Empire loskomme, dann bin ich total hooked. Wenn ich mich verlaufe, bin ich lost. Wenn ich mal wieder versuche, mit dem Rauchen aufzuhören, und mir jemand eine Zigarette andrehen möchte, dann ist der ein Enabler. Und meistens habe ich eine hard time diesem Dude zu resisten. Außerdem kommt es viel besser, wenn ich irgendwo zu einer Runde stoße und alle mit „What's poppin'" begrüße, als mit „Na ihr, wie geht's denn so". Tiefgründige Gespräche, die man meist nur im Rausch führen kann, werden mit erhöhtem Anglizismus-Einsatz auch nochmal easier. „No offense, aber das war eine Betray-Aktion und ziemlich fucked up von dir, to be honest. Und deine excuse ist lame." Ein Kompliment in Form von „You look hot" klingt auch nicer als „Du schaust geil aus". Ebenso werden spontan-betrunkene Liebesgeständnisse mit einem schnellen „Mah, love you so much" viel unproblematischer erledigt. „Mah, love you more" als Antwort und alles ist gut. Vielleicht fällt mir das einfach leichter, weil es sich nicht so arg ehrlich anhört. Weil ich nicht gleich ein so großes Commitment damit eingehen muss. Weil ein aufrichtiges „Ich hab dich lieb" mich irgendwie angreifbarer machen würde, und let's be real – es klingt auf Deutsch auch irgendwie doof und kindisch. Ya feel me?

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Foto: Stefanie Katzinger via VICE Media

Das Internet spielt hier sicherlich keine kleine Rolle. Einstige Foren-Kürzel wie „tbh", „lbr", „omfg", „fyi", „srsly", „idk", „ftw", „ikr" oder „imho" sind längst auch in jeder WhatsApp-Gruppe gang und gäbe und nähern sich auch immer weiter unserem tatsächlichen Sprachgebrauch an. Das geht dann ungefähr so: „Oh my god, du hast da irgendwas Weirdes auf deinem Face. What the fuck." Oder so: „Seriously, dieser Drink schmeckt nach fucking Katzenpisse. Puke in my mouth." Außerdem schaut doch kaum jemand mehr seine Serien im Fernsehen, sondern streamt sie eher im Originalton, was zur Folge hat, dass man im echten Leben schon mal Tom und Donna aus Parks and Recreation („Treat yo self") oder Karen aus Will & Grace („Oh, shoulda coulda Prada") zitiert.

Not gonna lie, mein Wortschatz besteht aus so einigen Next-Level-Anglizismen. Als letzte Woche eine sehr supere Kollegin hier im Büro meinte, ich würde „truen", hab' ich mich gewundert und gefreut, dass truen jetzt anscheinend auch schon legit ist. Aber, fuck, ja, es ist schon schlimm und auch creepy, dass es Deutsch bald nicht mehr geben wird, wenn wir weiterhin so viele Wörter einfach nicht mehr verwenden. Und wenn wir mal wirklich kurz sprachwissenschaftlich werden, gibt es so etwas wie das „echte Deutsch" sowieso nicht—immerhin sind Wörter wie Bankrott, Garage, Pyjama, Haschisch, Limousine, Terrasse oder auch das österreichische Hawara ebenfalls nicht „ursprünglich" Deutsch, sondern aus dem Arabischen, Französischen und Hebräischen übernommen.

Sprache entwickelt sich also stetig weiter und neue Wörter werden immer wieder dazukommen. So exzessiv neue Wörter erzwingen könnte aber vielleicht in die Hose gehen und irgendwann nur noch in shitty Kauderwelsch resultieren. Ich sollte wohl versuchen, meinen Use von englischen Wörtern zu reduzieren, um meine Muttersprache vor dem Aussterben zu retten, auch wenn es mir wirklich schwer fällt. Außerdem kann's sonst auch schnell nervig werden. Anglizismen? Yes please. Sprachtod? Hell no.

Twittert Franz eure Thoughts: @FranzLicht