Ich habe fünf Tage lang wie Gwyneth Paltrow gelebt
Foto: Dominik Pichler

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Ich habe fünf Tage lang wie Gwyneth Paltrow gelebt

Kennt ihr diese Leute, die jedem mit ihrem gesunden Lebensstil auf die Nerven gehen? So lebt es sich in der Haut eines prätentiösen Food-Fetischisten.

Ich liebe Gwyneth Paltrow. Ähnlich wie meine Liebe zu Blauschimmelkäse oder dem Macarena (der einzige Sommerhit, der den Test der Zeit besteht!) können meine Freunde diese Zuneigung nicht ganz nachvollziehen. „Gwyneth Paltrow? Ist das nicht die, die den Leuten vorschreibt, sich nur von Algen und Sprossen zu ernähren und sich ihre Vaginas mit Dampf reinigen zu lassen?", fragen sie mich dann. Pffft, Vorurteile! Wenn man Vorurteilen glaubt, bin ich „dieser nervige Junge, der ständig nur über sich selbst oder Beyoncé spricht", was—zugegeben—eine ziemlich treffende Beschreibung meiner Person ist.

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Ja, Gwyneth ist eine dieser nervigen Personen, die mehr Lebens-Optimierungs-Tipps auf Lager haben, als ich Fun-Facts über Queen Bey. Generell hasse ich Menschen, die mir einreden wollen, dass mein Lebensstil nicht „gut genug" ist: Ich ernähre mich großteils vegetarisch und habe letzte Woche zwei Sit-ups gemacht—ich lebe mein bestes Leben, Leute! In Sachen gesunder Ernährung auf dem neuesten Stand zu bleiben, scheint mir zudem ähnlich anstrengend und überflüssig, wie Neuigkeiten über das „crazy life" der Slimani-Geschwister zu verfolgen.

Vor einem Jahr zum Beispiel war Agavendicksaft noch der absolute Renner bei meinen ernährungsbewussten Freunden; letzten Monat aber habe ich eine Torte damit gebacken und wurde behandelt, als hätte ich ihnen heimlich Crack unterjubeln wollen. Der Grund: Agavendicksaft ist nun doch nicht gesund, sondern verursacht Krebs (es scheint mir, als würde es bei Lebensmitteln nur diese zwei Extreme geben: gesund oder Krebs).

Die einzige Person, der ich in Sachen Lifestyle-Optimierung daher noch Glauben schenken kann, ist Gwyneth. Vor einigen Tagen sah ich mir in einer Buchhandlung ihr Kochbuch It's All Good an, in dem sie gesunde Rezepte präsentiert, die … alle gut sind, wie ich annehme? Der Klappentext jedenfalls versprach mir, dass ich durch dieses Buch „gutes Aussehen" erlangen würde. Es muss ein Zauberbuch sein. Gekauft!

Ich habe eine Woche lang zu allem JA gesagt und bin im Krankenhaus gelandet.

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Schon beim Lesen des Vorwortes fiel mir auf, dass GP und ich zwei völlig unterschiedliche Menschen sind. Wer leben möchte wie Michael Buchinger, muss einfach nur sehr viel Wein trinken und den Begriff „All You Can Eat" viel zu wörtlich nehmen. Wer leben möchte wie Gwyneth, muss dagegen folgende Dinge aus seinem Leben verbannen: Kaffee, Alkohol, Milch, Eier, Zucker, Meeresfrüchte, Tiefseefische (?), Erdäpfel, Paradeiser, Paprika, Melanzani, Mais, Gluten, Fleisch und Soja, a.k.a. „die köstlichsten Dinge der Welt".

Schockiert riss ich meinen Mund auf und war mir ziemlich sicher, dass dabei ein Tiefseefisch und ein paar Paprikas rauspurzelten: Würde es mir gelingen, zumindest ein paar Tage lang, ein „richtiges" Leben zu führen und wie die Königin der prätentiösen Lifestyle-Optimierung zu speisen? Ich war auf jeden Fall gewillt, es zu probieren.

TAG 1

Foto: Michael Buchinger

An jedem Morgen der Paltrow-Diät soll man einen „Green Juice" pressen, der laut Gwyneth genau wie Kaffee ist und großteils aus widerwärtigen Zutaten besteht, die ich nie im Leben in fester Form konsumieren würde (Kohl, Ingwer, Minze, Zitronen). Dazu kommt, dass ich Angst vor meinem Entsafter habe; einem alten und lauten Gerät, während dessen Betrieb nicht selten Rauch aus dem Motor aufsteigt. Ein Merkmal für Top-Qualität! Sobald ihn jemand anwirft, bin ich ähnlich angespannt wie ein Hund an Silvester.

Meiner bevorstehenden Schönheit zuliebe springe ich aber über meinen Schatten und hantiere mit dem Entsafter aus der Hölle—ein gefährliches Unterfangen, das ich nur haarscharf überlebe. Ich nippe in etwa so genüsslich an meiner grünen Brühe, als spiele ich die Hauptrolle in einem Remake von Two Girls One Cup. Sie schmeckt nicht fürchterlich und verwundert muss ich feststellen, dass ich tatsächlich fitter werde.

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Tagsüber snacke ich an Mandeln, die ich 6 Stunden lang in Wasser eingelegt habe. Gwyneth sagt, dies sei der „ideale Snack für Zwischendurch". Hmm … ob Gwyneth wohl schon mal Chili Cheese Fries probiert hat? Sie vergisst zu erwähnen, dass dieser Snack einfach nach nichts schmeckt, aber ich verzeihe ihr, denn am Abend bin ich auf einer Dinner-Party bei Freunden eingeladen.

VIDEO: Weniger prätentiös, aber auch ziemlich krass ist das Hundefleischfestival von Yulin.

Fun Fact: Gwyneth liebt Dinner-Partys, aber nur, wenn sie in Europa stattfinden, denn mit ihren europäischen Freunden spricht sie ausschließlich über Kunst und Politik. Einmal aber war sie auf einer Party in Amerika und wurde von der Frau, die neben ihr gesessen hat, ernsthaft gefragt, wo sie ihre Jeans kauft. JEANS! Sie konnte es kaum erwarten, wieder in Europa zu sein.

Ich beschließe also, als aufmerksames Dessert Gwyneths glutenfreien Beeren-Crumble mit Quinoa-Flocken mitzubringen (ein lustiges Spiel für die Feiertage wäre es übrigens, dieses Gericht euren Großeltern zu erklären). Der Crumble ist ein regelrechter Hit auf der Party. Meine Freundin Sarah—eine großartige Köchin—lobt mich mehrmals dafür, dass ich so ein köstliches Dessert mitgebracht habe. Ich fühle mich ihr leicht überlegen. Ob Sarah schon einmal Mandeln in Wasser eingelegt hat? Ich bezweifle es. Die Dinner-Party ist ein voller Erfolg und keiner steuert auch nur im Geringsten das Thema „Jeans" an.

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TAG 2

Foto: Dominik Pichler

Der zweite Tag meines Experiments steht ganz im Zeichen von Gwyneths legendärer Miso-Suppe mit Shiitake-Pilzen und getrockneten Bonito-Flocken. Einmal, so gesteht sie kokett in ihrem ersten Kochbuch My Father's Daughter, habe sie diese Miso-Suppe zum Frühstück und zum Abendessen gegessen. GWYNETH! Zweimal die gleiche Suppe? Du bist mir ja eine.

Ich bin gewillt, Gwyneths Miso-Exzess zu kopieren und schlendere in den Supermarkt um die Ecke, wo ich mich an eine Mitarbeiterin wende. „Entschuldigen Sie, wo finde ich denn hier die getrockneten Bonito-Flocken?", frage ich, meine Hand wissbegierig ans Kinn gelegt. Sie sieht mich mit einem Blick an, den ich als „Bitte verlassen Sie meinen Laden" deute und verschwindet wortlos. Ugh, ich kann es kaum erwarten, wieder in Europa zu sein.

Auch ohne Bonito-Flocken schmeckt die Suppe toll. Während des Verzehrs beschließe ich, mir Interviews mit Gwyneth auf YouTube anzusehen und fühle mich meiner Mentorin dabei so verbunden, dass ich mich ab und an dabei erwische, wie ich mit dem Bildschirm spreche. „Gwyneth, ich habe leider keine Bonito-Flocken bekommen …", gestehe ich demütig und ich glaube, sie verzeiht mir. „Ich kann noch immer nicht glauben, dass du diese Suppe zweimal an einem Tag gegessen hast!", kichere ich dann. Ich sollte mehr unter Menschen gehen.

Wie man gesund lebt, ohne ein Arschloch zu sein.

„Wusstest ihr, dass Gwyneth eine Zigarette in der Woche raucht?", frage ich an diesem Abend meine zwei besten Freunde in unserer Stammbar und warte nicht ihre Antwort ab. Es ist nur einer von vielen Paltrow-Fun-Facts, die ich an diesem Abend rausplappere. Gepaart mit der Tatsache, dass ich meine Freunde spaßeshalber abwechselnd „Apple" und „Moses" nenne, kann ich fühlen, dass sie allmählich die Pros und Contras einer Freundschaft mit mir abwägen. „Sie hält sich auch nicht ständig an ihre Diät, also ist meine Ausnahme völlig OK!", sage ich viel zu laut, während ich an einem Bier nippe. „Hey DJ, kannst du vielleicht Gwyneth Paltrows Cover des CeeLo Green Hits ‚Forget You' auflegen?" Meine Freunde blicken so drein, als würden sie bereuen, mir verraten zu haben, wo sie regelmäßig abhängen.

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Nach unserer dritten Runde Bier (ups) schlägt meine Freundin Apple vor, dass wir diese Woche gemeinsam Yoga machen sollten und ich erkenne darin einen dünn verschleierten Versuch, mich endlich zum Schweigen zu bringen. Ekstatisch willige ich ein. Wir machen gemeinsam Yoga UND sprechen nicht über Jeans! Gwyneth würde diesen Scheiß lieben.

TAG 3

Foto: Michael Buchinger

Vielleicht liegt es an den Bieren, aber heute fühle ich mich schwach und stehe kurz davor, meiner Diät ein Ende zu setzen. Offensichtlich bin ich nicht so willensstark wie Gwyneth, die an ihrem Geburtstag im Jahr 2012 auf eine Torte verzichtet und stattdessen mit ihren guten Freundinnen Cameron Diaz und Sofia Coppola von einer „Geburtstagsobstplatte" genascht hat.

Doch dann erinnere ich mich an das eine Mal, als Gwyneth in Arizona wandern war und sich eingebildet hat, dass die Felsen ihr das Mantra „Du hast die Antworten, du bist die Lehrerin!" zuflüsterten. Ich bin also ganz leise und hoffe, dass mir die Wände ebenfalls etwas zuflüstern. Stattdessen höre ich, wie meine ältere Nachbarin laut hustet und dann spuckt.

Ich beschließe, eine Fitness-DVD namens Metamorphosis von Tracy Anderson, Gwyneths Trainerin und Erfinderin der „Tracy Anderson Method", nachzuturnen und mache das „Cardio Workout", bei dem Tracy nicht spricht, sondern einfach nur 30 Minuten lang zu hektischer Pornomusik tanzt, als wäre sie auf Drogen. Ob sie nebenbei wohl noch das „Tracy Anderson Meth Lab" betreibt? Ich schließe es nicht aus.

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Ich tanze fleißig mit Tracy mit und interagiere mit ihr, als wäre sie Dora the Explorer, doch anstatt neu erlernter Vokabeln brülle ich ihr Schimpfwörter entgegen. Nach 30 Minuten bin ich nicht nur verschwitzt, sondern auch vollkommen am Ende. Ich lege mich auf den Boden und träume von Gluten.

TAG 4

Foto: Dominik Pichler

Ich habe ein bisschen Muskelkater, kann mich aber dennoch aufraffen, um in den Bio-Laden zu gehen, wo ich Zutaten für „Baked Beans mit Melasse" kaufen möchte. Im Bio-Laden entdecke ich das Unfassbare: getrocknete Bonito-Flocken! Es gibt sie wirklich! Auch andere Gwyneth-Goodies wie brauner Reissirup, glutenfreier Toast und Mandelmehl sind hier zu finden. Für einen kurzen Moment glaube ich, dass eine Tüte Dinkelpasta mir „Du hast die Antworten, du bist der Lehrer!" zuflüstert.

Ich koche die Bohnen und sie schmecken vollkommen OK, sehen aber aus, als hätten sie schon eine Runde in jemandes Verdauungstrakt gedreht, weswegen ich meinen Instagram-Followern diesen Anblick lieber vorenthalte.

Wenige Stunden später treffe ich mich mit meinen Freunden Apple und Moses, um gemeinsam unsere im Suff vereinbarte Yoga-Stunde zu besuchen. Zu Beginn verläuft die Probestunde relativ reibungslos, abgesehen davon, dass ich mich als ungelenkiger Mensch nur schwer davon abhalten kann, bei gewissen Positionen Geräusche von mir zu geben, die man sonst nur von Michael Jackson kennt. Doch hier ein ernst gemeinter Rat: Solltet ihr es ja für eine gute Idee halten, kurze Zeit vor einer Yoga-Stunde unzählige Bohnen zu essen—tut es nicht! Es war bereits während des Sonnengrußes, als in meinem Körper etwas völlig anderes laut „HALLO!" sagte.

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Yoga ist mir zwar definitiv lieber als Tracy Andersons Ecstasy-Tanz-Spektakel, aber meine Lieblingsstellung bleibt dennoch „Shavasana", bei der man einfach nur breitbeinig auf dem Boden liegt, als hätte man beim Inder etwas Schlechtes gegessen.

Tag 5

Foto: Dominik Pichler

Als sich Gwyneth Paltrow im März 2014 von ihrem Ehemann Chris Martin trennte, bezeichnete sie diese Scheidung auf goop als „Conscious Uncoupling", also „Bewusste Entpaarung". Gwyneth hat mir einiges voraus: Wenn mich jemand abserviert, erzähle ich meinen Freunden einfach, dass diese Person bei einem Bootsunglück gestorben sei.

Wie dem auch sei! Am fünften Tag meines Paltrow-Palooza beschließe ich, mich bewusst von Gwyneth zu entpaaren. Ein letztes Mal presse ich mir einen Green Juice aus, snacke nasse Mandeln und lade einige Freunde zum Abendessen zu mir nach Hause ein, wo ich Gwyneths vegetarische Teigtaschen zubereiten möchte.

Abendessen im Hause Buchinger sind für gewöhnlich riesige Debakel, bei denen meine Freunde nicht davor zurückschrecken, vor meinen Augen nach Lieferservicen zu googeln, um sich „etwas Anständiges" zu bestellen. Heute steht also sehr viel auf dem Spiel und ich bin nervöser als ein Toupet-Träger während der Wirbelsturm-Saison (Gags, Gags, Gags!). Während ich mein Gericht zubereite, kann ich nicht anders, als über die vergangenen Tage zu reflektieren. Klar: Gwyneth Paltrow ist in vielerlei Hinsicht eine exzentrische Person, über die man sich leicht lustig machen kann—besonders, wenn sie mit Felsen in Arizona kommuniziert oder mit einem Dampfbügeleisen ihre Vagina attackiert. Aber sie weiß auf jeden Fall, wie man ein gutes Leben führt.

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Alle von mir erprobten Rezepte aus ihrem Buch waren köstlich. Ich fühlte mich selten hungrig und habe vor Kurzem eine Nachricht auf Facebook erhalten, in der mich ein älterer Mann als „fescher Boy xD" bezeichnete, also bin ich vermutlich auch ein bisschen schöner geworden. Auch die Teigtaschen enttäuschen nicht und meine Freunde können kaum glauben, dass solch ein köstliches Gericht aus meiner Küche—Zuhause von verkohlten Weihnachtskeksen und dem Horror-Entsafter—kommen konnte. Wenn ich mich nicht prostituieren müsste, um diesen Lebensstil zu finanzieren, würde ich jeden Tag so kochen. Vielleicht liegen die ganzen Ernährungsnervensägen gar nicht so falsch, wie ich immer gedacht hatte.

Mein Selbstexperiment findet mit jenem Abend ein fulminantes Ende und ich fühle mich so, als würde Gwyneth neben mir am Tisch sitzen—mit einem stolzen Lächeln im Gesicht und einem Blick der sagt „Wehe du fragst nach meinen Jeans".

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