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Drogen

'Breaking Bad' am Niederrhein: Eine Familie kochte Amphetaminöl auf ihrem Bauernhof

Und gemäß der berühmten deutschen Effizienz hatten sie Produktionsleiter, Vorarbeiter und Lieferanten.
Ein Spielzeugtraktor vor drei Bahnen weißen Pulvers
Collage: VICE || Lines: Imago/suedraumfoto || Traktor: Imago/Science Photo Library

Es war vor rund einem Jahr, ein Dienstag im April, als mehrere Polizeiwagen zu einem abgelegenen Bauernhof am Niederrhein rauschten und dort eine Drogenküche fanden, die so aussah, als hätten Walter White und Jesse Pinkman persönlich sie eingerichtet. Die Beamten umstellten das Gelände, über ihnen kreiste ein Hubschrauber, ein SEK-Kommando mit Gasmasken und Schutzwesten stürmte das Labor. Drinnen fanden sie acht Kochstellen: Schläuche, mehrere bauchige Glaskolben mit einer cognacfarbenen Flüssigkeit darin, angeschlossen an blaue Plastiktonnen. Die Ermittler vermuteten, dass auf diesem Hof Drogen "im großen Stil" produziert wurden. Später würden sie herausfinden, dass dort über Monate Amphetaminöl hergestellt wurde – und ein Familienbetrieb dahintersteckte.

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Die Geschichte beginnt 2017 mit einem Niederländer. Ein Sprecher des Landgerichts Kleve beschreibt den 40-Jährigen gegenüber VICE als "Spieler", der so lange zockte, bis er 100.000 Euro Spielschulden hatte. Die unbekannten Hintermänner zwingen ihn mit Gewalt, seine Schulden auszugleichen. Sie schicken ihn nach Deutschland, wo er nach einem geeigneten Ort suchen soll, um eine Küche für Amphetaminöl aufzubauen. Fündig wird er in einem alten Bauernhof bei Wachtendonk, einer kleinen Gemeinde an der holländischen Grenze. Der Niederländer kontaktiert die Eigentümerin, eine Mutter mit zwei Söhnen, und handelt mit ihr den Mietpreis aus: mindestens 1.500 Euro im Monat für eine Halle, in der Drogen produziert werden.


Auch bei VICE: Der echte Walter White


Laut Gericht weiß der Mann, wie man Drogen produziert. Er bestellt Kochequipment und baut eine Drogenküche auf. Der damals 31-jährige Sohn bemerkt den Aufbau, wird vom Niederländer eingeweiht und steigt in die Produktion ein. Sie werben einen polnischen Lkw-Fahrer an, der regelmäßig Rohmaterial zum Bauernhof transportiert. Das Geschäft läuft gut: Der Sohn lernt schnell den komplizierten Prozess, steigt zum "Vorarbeiter" auf und leitet dann die Produktion, während sein Komplize das Öl über die holländische Grenze schmuggelt. Dafür bekommt er 2.500 Euro pro Woche. Als die Arbeit zu viel wird, wirbt der Sohn einen Hofgehilfen an und gibt ihm 1.000 Euro ab. Später steigt auch sein jüngerer Bruder ins Geschäft ein. Dabei verkaufen die Männer das Öl nie an Endkonsumenten, so der Sprecher, sondern transportieren es nur in die Niederlande. An wen, weiß niemand.

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Zwischen Januar und April 2018 produzieren die Männer insgesamt 743 Liter Amphetaminöl, genug, um es in über drei Tonnen Speed weiterzuverarbeiten. Im Vergleich wurden 2017 nur 1,7 Tonnen Amphetamine in ganz Deutschland sichergestellt, so der Gerichtssprecher.

Als die Polizisten den Bauernhof am 24. April 2018 umstellten, verlief der Zugriff vermutlich etwas ruhiger als bei Walter White, der Hank, seinem Schwager von der Drogenbehörde DEA, durch eine chaotischen Schießerei entkommt. Rund 150 Einsatzkräfte waren im Einsatz. Weil unsicher war, ob die Chemikalien richtig gelagert waren, kam auch die Feuerwehr. Gegen Mittag stürmt das SEK das Drogenlabor. Der jüngere Bruder versuchte noch, mit dem Fahrrad zu fliehen, wurde durch den Hubschrauber jedoch schnell gefasst. Insgesamt nahmen die Ermittler fünf Personen fest: die Mutter, die zwei Söhne, den Hofgehilfen und die Lebensgefährtin eines Bruders, die am selben Tag wieder freigelassen wurde.

"Ich habe eine große Abneigung gegen Drogen", sagte die Mutter

Kurz darauf wurde der polnische Kraftfahrer gefasst, der Drahtzieher der Bande flog einen Tag später durch einen Tipp auf. "Einer der Angeklagten erzählte, dass er sich mit dem Niederländer zu einer Drogenübergabe verabredet hatte", sagt der Gerichtssprecher, Treffpunkt war ein Hotel in Moers, knapp 30 Kilometer vom Bauernhof entfernt.

Im Dezember begann der Prozess vor dem Landgericht Kleve. Angeklagt waren der Niederländer, die Mutter, ihre zwei Söhne, der polnische Lieferant und der Hofgehilfe. Die Mutter habe erst kurz vor der Razzia von den Drogen auf ihrem Grundstück erfahren, sagte sie in einer Verhandlung. "Ich habe eine große Abneigung gegen Drogen." Auch der jüngere Sohn gab zwar zu, geholfen zu haben, "aber nur vier oder fünf Tage". An der Herstellung des Öls sei er nicht beteiligt gewesen, er habe nur Kartons zerteilt und in gelbe Säcke gesteckt.

Am vergangenen Mittwoch wurde das Urteil gesprochen. Die sechs Angeklagten wurden wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln oder der Beihilfe dazu verurteilt. Zusammengerechnet müssen sie 33 Jahre ins Gefängnis. Die Höchststrafe von zehn Jahren bekam der Niederländer, der zusätzlich noch 60.000 Euro zahlen muss, die er durch den Drogenhandel verdient hat.

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