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Die FDP will Sex-Roboter auf Rezept – doch die Bundesregierung sagt Nein

Die Regierung hält die Idee offenbar, gelinde gesagt, für Bullshit.
Foto: imago | Stefan Zeitz

Man kann der FDP vieles vorwerfen, aber nicht, dass die Partei die Deutschen nicht unterhält: Sie plakatierten das Land mit einem Parteichef in Unterhemd. Von einem Tag auf den anderen ghosteten die Liberalen öffentlchkeitswirksam bei den Koalitionsverhandlungen Union und Grüne. Und FDP-Chef Christian Lindner füllt Sommerloch-Zeitungsseiten mit seiner neuen Liebe zu einer RTL-Moderatorin. Doch in diesem Sommer legen FDP-Politiker noch einen drauf und wollen die deutschen Wähler mit dem eigentlich naheliegendsten und doch politisch vernachlässigsten Thema überhaupt ködern: Sex. Vögeln sollen die Deutschen zukünftig auf Kosten der Steuerzahler. Allerdings nicht mit anderen Menschen.

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Doch von Anfang an: In der vergangenen Woche hatte das Ministerium für Bildung und Forschung auf eine 34 Fragen lange Kleine Anfrage der FDP geantwortet. Eingereicht hatte sie unter anderem der technologiepolitische Sprecher der FDP, Mario Brandenburg. Er und seine Parteikollegen wollten wissen, wie die Regierung künstliche Intelligenz (KI) und Roboter als Streitschlichter einsetzen will. Für Menschen, die mit Robotern höchstens einen mittelmäßigen Will-Smith-Actionstreifen verbinden, mag das wenig aufregend klingen. Doch Brandenburg brannten eben auch wichtigere Fragen zur Zukunft unseres Sexlebens unter den Nägeln.

Als seine Sprecherin uns die Kleine Anfrage weiterleitet, bittet sie uns am Telefon, uns in der Berichterstattung nicht nur auf die Sex-Roboter zu konzentrieren. Das hätte sich die FDP allerdings vorher überlegen sollen. Denn in Frage 27 fragt die Bundestagsfraktion der Partei: "Wie steht die Bundesregierung zu sogenannten Sex-Robotern?" Und weiter: "Können Ärzte eine Behandlung mit Sex-Robotern verschreiben? Wenn ja, wird die Behandlung von den Krankenkassen erstattet werden?"


Auch bei VICE: Die erste realistische männliche Sexpuppe der Welt kommt


Die Chancen, die Bundesregierung für gesundheitsfördernde Sex-Roboter zu begeistern, standen dabei gar nicht so schlecht: Erst im Juli hatte die Regierung in einem Eckpunkt-Blatt geschrieben, sie wolle "den Nutzen von KI für die Bürgerinnen und Bürger in den Fokus [ihrer] Bemühungen stellen". Dennoch scheint sie von der Idee einer künstlichen Vagina zu Therapiezwecken noch nicht vollends überzeugt zu sein. In der Antwort an die FDP-Anfrage hieß es, es sei "nicht ersichtlich", wie Sexroboter zur Verbesserung des Gesundheitszustandes von Krankenkassenversicherten beitragen würden. Kurzum: Die Bundesregierung hält Sex-Roboter auf Rezept für Blödsinn.

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Sex-Roboter sollen Männern mit Erektionsstörungen helfen

Mario Brandenburg schrieb am Mittwoch auf Twitter, die Bundesregierung sei "visionslos und nicht bereit, außerhalb der Box zu denken". In einem offiziellen Statement, das seine Sprecherin VICE zukommen ließ, verlieh er seiner Fassungslosigkeit Nachdruck: "Die Bundesregierung verschläft einmal mehr die Zukunft."

Die Zukunft besteht in diesem Fall aus elektronischen Sexpuppen, die einer (ziemlich idealisierten) echten Frau nachempfunden sind. Sie haben mehrere Löcher, mit denen Männer Sex haben können. Glaubt man den Befürwortenden der Sex-Roboter, haben diese neben ihrem trieborientierten Spaßfaktor allerdings auch andere Vorteile: Es heißt, die KI-Puppen könnten bei der Therapie von Sexualstraftätern eingesetzt werden und in Bordellen genutzt werden, um die Ausbreitung von sexuell übertragbaren Krankheiten verringern. Außerdem argumentieren KI-Fans, die Roboter würden Männern mit Erektionsstörungen helfen, indem sie diesen den Druck beim Sex nehmen. Darauf bezieht sich in ihrer Anfrage offensichtlich auch die FDP. Dabei gibt es allerdings ein Problem: In der Forschung gibt es für die gesundheitsfördernde Wirkung von Sex-Robotern etwa so viele beweiskräftige Studien wie für Globuli, die Liebeskummer und Eifersucht heilen sollen.

Die britischen Wissenschaftlerinnen Chantal Cox-George und Susan Bewley sagen, es gäbe kaum Studien zu den Nutzen von Sex-Robotern. In einem Call-to-Action ermutigten sie vor Kurzem Sexualtherapeuten und -therapeutinnen dazu, empirische Studien mit Sex-Robotern zu starten. "Die meisten Kunden und Kundinnen kaufen Sex-Roboter wahrscheinlich zu sexuellen und nicht zu gesundheitlichen Zwecken", erklärte Cox-George im Juni gegenüber Reuters. Es sei aber wichtig für Menschen in Gesundheitsberufen, die Nutzen und Risiken von Sex-Robotern in der Therapie zu kennen.

Es ist also nicht vollkommen ausgeschlossen, dass der penistragende und versicherte Teil der Menschheit seine Probleme schon bald nicht mehr auf einer ledernen Chaise-Longue in einem Behandlungszimmer überwindet, sondern auf einem Sex-Roboter mit begrenztem Wortschatz. Vielleicht ist die Absage der Bundesregierung am Ende also doch nicht das Ende der Zukunft – sondern einfach nur eine dornige Chance.

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