Ein Taubenzüchter hält ein Taubenküken in die Kamera
Der Taubenzüchter Lorenzo van Russel | Alle Fotos: bereitgestellt von der Autorin
Menschen

Ein Züchter erklärt, wie du mit Tauben eine Menge Geld machst

Sie gelten als die Ratten der Lüfte. Dabei können Tauben ihre Züchter zu Millionären machen.

Wenn wir an Tauben denken, haben wir vor allem Bilder von leicht zerzausten, irre dreinblickenden Vögeln im Kopf, die in den Innenstädten dieser Welt alles vollscheißen. Was uns eher nicht in den Sinn kommt: eine millionenschwere Industrie. Dabei können dich Tauben richtig reich machen. Anfang des Jahres wurde eine Taube zum Beispiel für ganze 1,25 Millionen Euro verkauft. Nicht schlecht für eine Ratte der Lüfte.

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Der 31-jährige Taubenzüchter Lorenzo van Russel lebt in den Niederlanden und geht dieser Tätigkeit bereits seit seinem elften Lebensjahr nach. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten, wir lukrativ und anstrengend das Tauben-Business wirklich ist.

Mehrere Tauben in einem Verschlag

VICE: Hey Lorenzo. Kann man wirklich von der Taubenzucht leben?
Lorenzo van Russel: Ich schon, aber bei vielen Taubenzüchtern ist das anders. Die meisten sehen das nur als Hobby. Ich hingegen verdiene auch Geld als Vermittler zwischen Taubenzüchtern und ihren Kunden. So verdiene ich pro Monat fast 10.000 Euro.

Wie bist du zur Taubenzucht gekommen?
Ich fing mit zehn Jahren an. Als ich 14 war, gewann eine meiner Tauben die niederländische Meisterschaft. Ich hätte sie für viel Geld verkaufen können. Wenn man es aber als Taubenzüchter schaffen will, muss man die besten Tauben für die eigene Zucht behalten.


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Verdienst du mehr Geld als Taubenzüchter oder als Taubenvermittler?
Im Allgemeinen bringen meine eigenen Tauben mehr Geld, aber das kommt natürlich drauf an. Als Vermittler bekomme ich immer mindestens zehn Prozent Kommission. Letztens habe ich zum Beispiel einen Deal mit einem Verkaufspreis von 800.000 Euro in die Wege geleitet. Davon gingen dann einfach so 80.000 Euro an mich.

Wie genau verkaufst du deine Tauben?
Wenn ich eine Taube verkaufen will, schreibe ich meinen Stammkunden eine Mail mit meiner Preisvorstellung. Ich habe überall auf der Welt Kunden – etwa in China, in Taiwan oder im Irak. Dort boomt die Taubenindustrie. Wenn die Taube dann verkauft ist, verschicke ich sie per Flugzeug in einem Reisekorb.

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Zwei Taubenküken

Wie viel Zeit und Geld investierst du in deine Tauben?
Ich verbringe täglich zehn Stunden damit, meine Tauben zu trainieren, die Käfige sauber zu machen und den Kundenkontakt zu pflegen. Und das sieben Tage die Woche. Wenn man das Ganze nur zum Spaß macht, kostet es nicht viel. Wir unterstützen neue Taubenzüchter in unserer Community – vor allem die jungen, weil wir nicht wollen, dass dieser Sport ausstirbt. Deshalb schenken wir neuen Mitgliedern oft einen Käfig und ein paar Tauben. Wenn man das Ganze aber professionell aufziehen will, ist das eine andere Geschichte. Allein der Bau meiner Käfige hat mich 35.000 Euro gekostet.

Bei euch gibt es auch Wettbewerbe. Wie läuft so ein Taubenrennen ab?
Tausende Tauben werden nach Belgien oder Frankreich gebracht und dort freigelassen. Sie müssen dann wieder nach Hause fliegen. Ihre Geschwindigkeit wird dabei elektronisch erfasst und online dokumentiert – deshalb haben alle Tauben auch einen Chip. Je besser eine Taube abschneidet, desto wertvoller ist sie.

Es gibt kleinere und größere Wettbewerbe. Und wer die Landesmeisterschaft gewinnt, darf bei der Europa- und dann bei der Weltmeisterschaft antreten.

Wie trainiert man eine Taube?
Eigentlich muss man Tauben gar nicht beibringen, wieder nach Hause zu fliegen. Das machen sie von alleine. Tauben sind sehr schlau: Selbst wenn man ihnen die Augen verbindet und sie an einen Ort bringt, an dem sie noch nie gewesen sind, finden sie ihren Weg zurück nach Hause. Sie vertrauen ganz auf ihren inneren Kompass.

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Eine Taube

Wie belohnst du deine Tauben?
Mit Essen. Die Männchen kommen zudem wegen der Weibchen zurück. Deswegen lasse ich normalerweise auch nur Männchen bei den Wettbewerben antreten, die Weibchen bleiben zu Hause. Vor den Wettkämpfen lasse ich sie noch ein bisschen kuscheln, damit sie richtig verliebt sind. Dann fliegen sie extraschnell.

Was kann man bei Taubenwettbewerben gewinnen?
Bei manchen Wettkämpfen geht es nur um die Ehre, bei anderen um Geldpreise um die 10.000 Euro. Im März nahm ich an einem Wettkampf teil, bei dem sogar 100.000 Euro Preisgeld winkten. Eine meiner Tauben schaffte es in die Finalrunde, ist dann aber nie nach Hause gekommen. Wahrscheinlich hat sie sich verflogen oder wurde von einem Raubvogel gefressen. Sehr schade, denn es gibt nichts Schöneres, als deine Taube nach einem 700-Kilometer-Flug wieder nach Hause kommen zu sehen.

Der Taubenzüchter Lorenzo van Russel im jungen Alter

Mit so viel Geld kannst du ja einiges machen.
Theoretisch ja. Aber vor sechs Jahren habe ich mir mal einen dicken Mercedes gegönnt, wegen dem ich dann ständig von der Polizei angehalten wurde. Die Beamten hielten einen jungen Mann wie mich in einem teuren Auto für verdächtig. Deswegen habe ich den Mercedes wieder verkauft und investiere seitdem mein ganzes Geld in die Taubenzucht.

Hast du da überhaupt noch Freizeit?
Natürlich! Ich mache auch ab und zu Urlaub. OK, der hat dann immer etwas mit Tauben zu tun, zum Beispiel wenn ich für die Europameisterschaft nach Portugal, Spanien oder Teneriffa fliege. Aber richtig wohl fühle ich mich sowieso nur zu Hause. Ich will ja da sein, wenn meine Tauben heimkehren.

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