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Rassismus

In Sachsen erhängt jemand eine Schwarze Baby-Puppe – die Polizei ist nicht sicher, ob das rassistisch gemeint ist

"Es ist für mich ein Aufruf zur Lynchjustiz", sagt ein Augenzeuge über die Tat.
Foto: Facebook | Spektrum360 – Libertäre Linke Erzgebirge | mit freundlicher Genehmigung

Mit einem weißen Strick um den Hals baumelt ein schlaffer Kinderkörper über dem Kreisel der Bundesstraße 101 im sächsischen Schwarzenberg. Das jedenfalls könnte der Finder gedacht haben, als er die Stoffpuppe entdeckt hat. Den Kopf leicht abgeknickt, sieht es auf Fotos so aus, als hänge ein Schwarzes Baby an der rostigen Eisenbahnbrücke.

"Es ist für mich ein Aufruf zur Nachahmung, zur Lynchjustiz", interpretiert der Augenzeuge die Tat. Für die Polizei Chemnitz ist der Fall nicht so eindeutig: Eine Puppe aufzuhängen, sei an sich nicht strafbar, erklärt die Sprecherin der Polizeidirektion Chemnitz gegenüber VICE.

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Sieht das nicht danach aus, als ob damit die Hinrichtung eines Schwarzen Kindes gemeint ist? "Da kann man viel hineindeuten", war die erste Reaktion der Chemnitzer Polizei am Wochenende gegenüber der Lokalpresse. "Wir deuten nichts, wir beschäftigen uns mit den Fakten", sagt die Polizeisprecherin heute. Momentan suche die Polizei noch nach Hinweisen, wie einem Schriftzug oder einem Zettel, der an der Puppe geklebt haben könnte.


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Die Chemnitzer Staatsanwaltschaft hatte im letzten Jahr einen vergleichbaren Fall vorliegen. Es ging damals um einen Mann, der 2015 Galgen mit zwei Schlingen für Angela Merkel und Sigmar Gabriel gebaut und mit zu einer Pegida-Demo in Dresden gebracht hatte. Zwei Tatbestände wurden damals geprüft: Paragraf 111 (Öffentliche Aufforderung zu Straftaten), Paragraf 140 (Belohnung und Billigung von Straftaten). Damals entschied die Staatsanwaltschaft: Die Galgen seien nicht strafbar, sondern fallen unter die Meinungsfreiheit.

Der Hersteller des "Original-Galgens", der 2015 zum ersten Mal bei einer Demonstration in Berlin auftauchte, ist ein Werkzeughersteller aus Schwarzenberg. Doch nicht nur deswegen liegt eine Verbindung der Puppe zur rechten Szene nah: Der Ort im Erzgebirge ist NPD-Hochburg. Auch am Wochenende nach dem Fund versammelten sich 300 Neonazis und träumten gemeinsam von einer "freien Republik". Der Verein "Freigeist" hatte zum "freigeistigen Sommerabend" aufgerufen. Wo sich sonst Touris und Hochzeitspaare vor der Burgkulisse fotografieren lassen, bauten die NPD-Anhänger und -Anhängerinnen ihre Bühnen auf, stimmten Militärlieder und völkische Gesänge an.

"Uns ist das Treffen in Schwarzenberg bekannt und es wird auch in die Bewertung der Tat mit einfließen", sagt die Chemnitzer Polizeisprecherin. Doch das reiche nicht, um eine tatverdächtige Person auszumachen.

Auch auf Twitter wird der Fall heftig diskutiert. Die Polizei Sachsen reagierte auf einen Tweet des Störungsmelder-Autors Henrik Merker mit den Worten: "Wir treffen eine objektive Einschätzung hinsichtlich einer gefahrenabwehr- oder strafrechtlichen Relevanz."

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