FYI.

This story is over 5 years old.

Inklusion

Warum Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderung wichtig wäre

Am Tag der Inklusion erklärt Albert Brandstätter, Generalsekretär der Lebenshilfe Österreich, welche Forderungen er an die Bundesregierung stellt.

In den letzten Jahren haben sich die Ansprüche an die Dienstleistungen für Menschen mit Behinderungen stark verändert. Heute stehen zunehmend individualisierte Unterstützungen im Mittelpunkt. Persönliche Assistenz ermöglicht, dass sich Personen unabhängig von Gruppenbetreuungen ihre Unterstützung selbst aussuchen: wo, wann und von wem sie wollen. Persönliche Assistent_innen unterstützen Menschen mit Behinderungen dabei, ihr Leben selbstbestimmt zu führen.

Anzeige

Damit unterscheidet sich die Persönliche Assistenz deutlich von anderen Dienstleistungen, bei der sich die Personen in der Regel ihre Betreuungsperson nicht aussuchen können. Auch unterscheidet sich Persönliche Assistenz von der herkömmlichen Begleitung, die meist eine Gruppe in einer festen Tagesstruktur unterstützt.

Menschen mit Behinderungen führen ein selbstbestimmtes Leben. Sie übernehmen die Regie.

Für den weiteren langen Weg zur Inklusion ist Persönliche Assistenz unverzichtbar, da sie ein wichtiges Element von selbstbestimmter Alltagsgestaltung und dadurch von Teilhabe an der Gesellschaft ist. Genau darum geht es in Zukunft: Menschen mit Behinderungen führen ein selbstbestimmtes Leben. Sie übernehmen die Regie in ihrem Leben. Unabhängig vom Ausmaß und der Art der Beeinträchtigung gilt das für alle Menschen. Durch geeignete Unterstützung sollen sie in die Lage versetzt werden, Entscheidungen zu treffen und diese zu kommunizieren.

Dabei sollen Menschen mit Behinderungen aus einer breiten Palette an Unterstützungsangeboten die für ihre individuellen Lebenssituationen passenden Angebote auswählen können. Persönliche Assistenz bietet dem Auftraggeber oder der Auftraggeberin dabei die selbstbestimmteste und individuellste Form der Lebensgestaltung.

Hanna Kamrat (vorne) ist Klientin der Lebenshilfe, die dank ihrer persönlichen Assistentin Andrea Putz in ihrer eigenen Wohnung leben kann. Als Vorsitzende des Selbstvertretungs-Beirats setzt sich Kamrat für das Recht auf Persönliche Assistenz für alle ein.

Seit einigen Jahren können Menschen mit körperlicher Behinderungen diese Leistung in Anspruch nehmen. Die Selbstbestimmt Leben-Initiative hat Assistenzdienste in den 1990er-Jahren in Österreich etabliert.

Anzeige

Einen Rechtsanspruch gibt es auch für Menschen mit körperlichen Behinderungen nicht, jedoch besteht die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung für ein gewisses Stundenausmaß an Persönlicher Assistenz im Monat zu erhalten. Leider sind in Österreich Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung sowie besachwaltertete Menschen nach wie vor mehrheitlich von der Persönlichen Assistenz ausgeschlossen.

Ziel muss es sein, Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderung zu verwirklichen.

Das liegt zum einen daran, dass der Gesetzgeber die Organisationsfähigkeit von intellektuell Beeinträchtigten in Frage stellt, zum anderen daran, dass persönliche Assistenz in einigen Bundesländern erst ab der Pflegestufe 4 möglich ist. Bei Menschen mit Lernschwierigkeiten ist meiner Ansicht nach aber nicht der Pflegebedarf, sondern der Unterstützungsbedarf für die Persönliche Assistenz ausschlaggebend. Außerdem finde ich es falsch, die Assistenzleistung zeitlich zu begrenzen.

Ziel muss es sein, Persönliche Assistenz für alle Menschen mit Behinderung zu verwirklichen. Das entspricht der UN-Behindertenrechtskonvention, zu deren Umsetzung sich Österreich verpflichtet hat: "Die persönliche Assistenz als ein wichtiges Hilfsmittel zum selbstbestimmten Leben soll ausgebaut und im Sinne der UN-Konvention grundsätzlich für alle Arten von Behinderungen angeboten werden", heißt es im Nationalen Aktionsplan (2012 – 2020) der Bundesregierung.

Unsere Forderungen an die Bundesregierung

Die Umsetzung dieser Zielsetzung erscheint aus unserer Perspektive fraglich. Deshalb fordern wir gemeinsam mit anderen Behindertenorganisationen die Bundesregierung auf, folgende Forderungen rasch umzusetzen – um die Lebensqualität und Selbstbestimmung von Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung zu verbessern:

  • Die Erarbeitung eines nationalen Rechtsanspruches auf Persönliche Assistenz sowie auf personenzentrierte Unterstützung für alle Menschen mit Behinderungen unabhängig vom Ausmaß und Art der Beeinträchtigung. Der Anspruch wird alleine durch die Notwendigkeit nach Unterstützung in einem oder mehreren Bereichen des Lebens begründet.
  • Menschen mit Behinderungen sollen direkt Geldleistungen in Form eines Persönlichen Budgets erhalten, damit sie die Unterstützungsleistungen ihrer Wahl selbst bezahlen können.
  • Persönliche Assistenz sollte einer bundeseinheitlichen Regelung unterliegen. Die AntragstellerInnen bzw. AuftraggeberInnen haben unabhängig von der finanziellen Situation der Kostenträger einen Rechtsanspruch auf Finanzierung ihrer Persönlichen Assistenz.
  • Die Erarbeitung einer österreichweit einheitlichen Bedarfserhebung für Unterstützung.
  • Umfassende Informationen über Persönliche Assistenz und Persönliches Budget sollten für alle Menschen mit Behinderungen barrierefrei – in Form von Leichter Sprache oder Piktogrammen – in unabhängigen Stellen zur Verfügung gestellt werden.
  • Der Aufbau von Monitoring- und Beratungsstellen für Persönliche Assistenz, sowie eine Ausbildung von AssistentInnen.
  • Die Schaffung von Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Angeboten, inklusive Persönlicher Assistenz.

Hier findest Du weitere Infos zum Thema Persönliche Assistenz sowie zur Kampagne der Lebenshilfe "Gegen Barrieren in Kopf und Alltag".