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Der VICE Guide zum Überleben in Österreichs Städten

Der VICE Guide zum Überleben in Linz

Hab keine Angst vor der Altstadt, geh nicht zum Leberkas Pepi am Bahnhof, sag "überhaupst" mit "s" und frag jemanden in einer Lederjacke nach dem Nirvana-Konzert in der Kapu.
Grafik Vice Guide zum Überleben in Linz
Grafik von VICE Media

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Linz verändert. So lautet der offizielle Slogan der Stadt. Und Veränderung kann ja bekanntlich viel bedeuten. Es gibt Veränderung im Sinne eines Teambuilding-Seminars, aus dem manche Buchhalter als neue Menschen herauskommen—und es gibt Veränderung im Sinne von Colonel Kurtz aus Apocalypse Now, der im Dschungel wahnsinnig wird, sich das Gesicht mit Erde einreibt, ein eigenes Reich ausruft und "The horror, the horror" sagt. Linz ist ein bisschen von beidem.

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Für Hitler war es die absolute Lieblingsstadt, für Bushido ist es der "Arsch der Welt", hart wie Nutella. Für Sprachwissenschaftler ist Linz außerdem der moderne Name von Lentos, was "biegsam und gekrümmt" bedeutet und damit auch die perfekte Beschreibung seiner heutigen Bewohner darstellt.

Vor allem aber ist Linz die drittgrößte Stadt Österreichs (ja, wir finden das auch traurig) und das inoffizielle Zentrum von Chemie und Stahl und wenn du dich länger in diesem Land aufhältst, wirst du nicht vermeiden können, irgendwann mal für einen Schulausflug, Verwandtenbesuch oder einfach nur fürs Tanken hier Halt zu machen. Hier sind ein paar Tipps, die dir als Fremder das Überleben als in der oberösterreichischen Hauptstadt hoffentlich erleichtern.

  • Lerne, dass "überhaupt" in Linz ein "s" beinhaltet und als "überhaupst" ausgesprochen wird.
  • Lache niemals, wenn jemand "überhaupst" sagt. Es ist normal. Erwähne es nicht, sonst Bauchstich.
  • Geh niemals zum Leberkas Pepi am Bahnhof.
  • Geh immer zum Leberkas Pepi in der Rathausgasse.
  • Erwähne bei keinem der Linzer Leberkas Pepis, dass es Leberkas Pepi eh in Wien auch gibt und du nicht verstehst, was bitte der Unterschied sein soll.
  • Weiche nie zu weit von der Landstraße ab. Zwei Querstraßen weiter ist Linz ein einziger postkommunistischer Plattenbau, wo es außer Trafiken und Raiffeisenbanken nichts gibt.
  • Wenn dich fremde Menschen im Supermarkt ansprechen, wollen sie dir (meistens) nichts Böses, sondern praktizieren eine Sache namens "Höflichkeit". Sie ist nicht tödlich, aber ansteckend. Du bist informiert.
  • Lass dir von niemandem einreden, dass die Altstadt der gefährlichste Ort der Stadt ist. Es gibt hier genau so viele Schlägereien wie überall sonst, wo man alle Jugendkulturen wie bei den Hunger Games an einem Ort zusammenpfercht.
  • Lass dir von niemandem einreden, dass die Altstadt deshalb ein guter Ort ist. Selbst, wenn du nicht den einzigen Feidl-Fight des Jahrzehnts miterlebst, wirst du vermutlich von irgendjemandem in eine Diskussion über Politik (sprich: über Heinz-Christian Strache) verwickelt oder beinhart angespieben.
  • Lass dich im El Mariachi nicht vom Preis für Long Island Ice Tea in die Irre führen und glaube nicht, dass deshalb wenig Alkohol drin wäre (es ist nur Alkohol drin und niemand sollte vom Gesetz her mehr als zwei davon trinken dürfen).
  • Die Sega Bar ist nicht nur eine Linzer Institution; sie ist ein Initiationsritus. Wenn du sie überlebst, darfst du dich als erwachsen und als Linzer bezeichnen.
  • Wenn du am Samstagmorgen gerade vom Fortgehen kommst, schau unbedingt am Hauptplatz beim Flohmarkt vorbei. Du wirst dich zum ersten Mal blendend mit den alten Zirbenschnapstrinkern verstehen, die hier ihre alten Familienfotos verkaufen, und die Gesichter der Menschen werden wirken, als würdest du das erste Mal in HD sehen.
  • Sag nie, nie, nie "In Linz beginnt's". Nie. Nicht mal, wenn du es als Verbot sagen willst. Lass es. Es sollte nicht mal geschrieben werden. Dieser Punkt war ein Fehler.
  • Kauf dir immer einen Fahrschein. Immer. Sogar, wenn du nicht mit den Öffis fährst. Kontrolleure sind in Linz das Äquivalent zu Spendensammlern: Es ist ein Job, den 18-Jährige in Baggy Pants machen und am Ende weißt du nie, wie sie dich gekriegt haben.
  • Wenn du in der Öffentlichkeit unbeobachtet Sex haben willst, geht das abseits der Landstraße überall ab 22 Uhr. Auf der Landstraße empfiehlt es sich, bis nach 23 Uhr zu warten.
  • "Wir treffen uns in der Stadt" heißt "Wir treffen uns am Taubenmarkt". Taubenmarkt für immer.
  • Der Schillerpark ist kein Vergnügungspark (genauso wenig, wie der Europapark in Klagenfurt einer ist), aber ein netter Platz, um alte Menschen und Punks zu treffen und gemeinsam mit ihren Hunden seine Notdurft zu verrichten.
  • Bei einem der beiden Würstelstände in der Nähe des Casinos am Schillerpark kannst du dir eine Visitenkarte holen und ein Wunschwürstl vorbestellen. Um es dir nicht zu einfach zu machen, verraten wir hier nicht, bei welchem. (Überleben in Linz will verdient werden.)
  • Linzer Torte ist das Beste. Obwohl es keine Torte ist, sondern Kuchen. Und obwohl dieser Kuchen im Mund staubt, als würde man bei der Zimt-Challenge mitmachen.
  • Echte Linzer Torte ist von Jindrak. Das ist keine Schleichwerbung, sondern Schreiwerbung. KAUF GEFÄLLIGST DIE LINZER TORTE BEIM JINDRAK.
  • Auch, wenn Linzer Torte das Beste ist, musst du keinen Linzer-Torten-Backkurs machen. Diese Kurse sind ausschließlich für Touristen aus noch kleineren Städten und niemand wird dich noch ernst nehmen, nachdem du sie besucht hast.
  • Verwende das Wort "Donaubrücke" so selten wie möglich innerhalb der Stadtgrenzen—und noch seltener, je näher du der Donau kommst (über die viel zu wenige Brücken führen).
  • Nimm deine demographische Verantwortung wahr und hebe den Altersdurchschnitt auf der Donaulände, indem du an diesem Ort kurzzeitig existierst.
  • Ich will nicht sagen, dass man beim Arcotel an der Donaulände über den Garagen-Hintereingang ins Hotel und weiter aufs Dach kommt, aber es gibt Leute, die das sagen. Es sind böse Leute und ihr könnt euch am Dach vom Arcotel bei ihnen beschweren, während ihr die Aussicht genießt.
  • Wenn du mit deinen Freunden unbedingt von der Lände aus einen Abstecher auf eins der Donau-Kreuzfahrtschiffe machen musst, geh sicher, dass ihr euch vorher absprecht, welche Zimmernummer ihr nennen wollt, falls ihr von einem der Stewards im Morgengrauen im Whirlpool überrascht werdet. Andernfalls kann es zu unschönen Szenen kommen. Irgendwer hat danach immer ein blaues Auge. Habe ich gehört.
  • Wundere dich nicht, wenn sich nachts der Himmel orange färbt. Es liegt wahrscheinlich nur am Hochofen-Abstich in der Voestalpine. (Das heißt übrigens nicht, dass dir niemand etwas ins Trinken gemischt hat.)
  • Kauf dein Bier in der Unterführung bei der Rudolfstraße, eine Station vom Hauptplatz entfernt. Hier gibt es Dosen für maximal 2 Euro und zwar die ganze Nacht lang.
  • Überhaupt solltest du nur in der Rudolfstraße-Unterführung fortgehen oder dich zumindest nicht weiter als 500 Meter von ihr entfernen, wenn du eine gute Nacht in Linz haben willst.
  • Bestelle Bosna und beschwere dich, wenn sie dir ohne Ketchup serviert wird.
  • Echte Bosna ist immer mit Ketchup und echte Linzer werden immer darauf bestehen, eine echte Bosna zu bekommen.
  • Mach einen Abstecher zum Warmen Hans, wenn dir nach Wurst ist. Hans ist Wurst und Wurst ist Hans.
  • Hör dir von der Stammkundschaft vom Warmen Hans Geschichten darüber an, wie sie hier vor zirka zwei Weltkriegen mit David Hasselhoff Bier getrunken haben.
  • Press irgendein Körperteil gegen die Glasscheibe des Studios von DorfTV, um zumindest für 10 Kunstuni-Studierende unsterblich zu werden.
  • Jeder Mensch, der gebückt geht und Tauben füttert, hat Hitler noch persönlich getroffen. Bedenke das, falls du vorhast, in Linz etwas Schlechtes über Hitler zu sagen.
  • Es gibt einen öffentlichen Bus, der durch die Voestalpine fährt. Die Stationen in der Voest sollten dich NICHT interessieren. Steig auf KEINEN Fall aus, wenn du keine Befugnis hast, das Voest-Gelände zu betreten und schau dich BLOSS NICHT aus Neugierde hier um.
  • Der Froschberg ist nicht so lustig wie er klingt. Außer du findest Frösche absolut unlustig und denkst dabei an das Linzer Äquivalent zu Döblinger Snobs. Dann ist der Froschberg exakt so lustig wie er klingt.
  • Der Linzer Hafen ist sowas wie das zweite Linz. Hier gibt es alle Subkulturen noch mal, nur besser, und noch dazu einen Burger King.
  • Der Wissensturm klingt wie etwas aus Herr der Ringe, ist aber mehr wie etwas aus Stromberg. Du musst hier nicht hin.
  • Wenn über dir etwas explodiert, ist wahrscheinlich nicht Dritter Weltkrieg, sondern die Linzer "Klangwolke" findet statt. Behandle beides gleich und verbarrikadiere dich zuhause.
  • Wenn du auf der Straße einem Rohrbacher begegnest (Kennzeichen: RO), halte dich rechts oder fahr sofort in den Graben.
  • Die Plus City ist ein Blick in eine Shopping-Parallelwelt, in der die Lugner City seit dem 19. Jahrhundert irgendwann mal renoviert wurde.
  • Außerdem gibt es in der Plus City die größte Glaskuppel der Welt. Wirklich. Für den Lokalsender LT1 macht das Linz (beziehungsweise Pasching) zu einer Metropole, die sich künftig in einem Atemzug mit "New York, London, Dubai" nennen darf. Wenn irgendjemand Linz disst, antworte also immer mit "Aber die Glaskuppel!"
  • Mach unbedingt einen Abstecher ans andere Donauufer nach Urfahr. Nach mehr als zwei Tagen auf der Linzer Uferseite ist der Perspektivenwechsel überlebensnotwendig, weil sich dein Gehirn sonst wegen Inaktivität abschaltet.
  • Geh ins Florentine, die Schiffsbar am Urfahraner Ufer, um einerseits sowas wie Großstadt-Flair zu erleben und andererseits Leute zu treffen, die sich immer noch beschweren, weil der Rothe Krebs zugesperrt hat.
  • Beschwere dich darüber, dass der Rothe Krebs zugesperrt hat.
  • Finde dich damit ab, dass es in Linz keine Studenten gibt (außer du fährst mit der Linie 1 oder 2 bis zu den Uni-Enklaven bei der Endstation). Es heißt immerhin Stahlstadt, nicht Studistadt.
  • Die Rückseite des Brucknerhauses ist der beste Ort an der Donau, um sich zu betrinken. Vorausgesetzt, du sitzt gern auf Lüftungsgittern zwischen Punks und schaust durch die Glasscheiben bei Orchesterproben zu.
  • Das Design Center ist nicht im Zentrum und hat nichts mit Design zu tun. Geh nur hierher, wenn du zu einer FPÖ-Tagung willst.
  • Besuche den Urfahraner Jahrmarkt, um die Seele der Linzer zu verstehen. Besuche ihn davor am besten hier schon mal online, um mitreißende Live-Berichte vom letzten Urfahraner Jahrmarkt nachzulesen—wie zum Beispiel: "Der Markt zeigt sich heute teilweise von seiner herbstlichen Seite. Das Wetter sollte aber nun mit jeder Stunde besser werden."
  • Spare Geld und spiel im Café Strom beim Wuzeln um Bier.
  • Die Stufen vor dem Ars Electronica Center sind in warmen Sommernächten so ziemlich der beste Platz zum Rumhängen.
  • Schau der Fassade vom Ars Electronica Center dabei zu, wie sie mit deinem Kopf Tetris spielt.
  • Ignoriere die Beleuchtung der Brückenkopf-Gebäude am Hauptplatz, wenn du vom Strom oder den Ars Electronica-Treppen in die Stadt zurückkommst. Linzer wissen, dass es aussieht wie etwas aus einem Nazi-Film (und dass das nicht mal wirklich Zufall ist), aber sie wollen nicht darüber reden.
  • Such dir irgendjemanden mit einer speckigen Lederjacke und frag ihn nach dem Nirvana-Konzert in der Kapu. Seine Augen werden aufleuchten und er wird dir danach wie ein Schutzengel für immer zur Seite stehen.
  • Auf den Parkbänken am Schlossberg wechseln sich nachts Dealer und Liebespaare ab. Pass in der Nacht auf, von wem du dir was schnorrst.
  • Verlass dich nicht auf die Stadtwache, äh, den Ordnungsdienst. Besonders nicht im Sommer.
  • Wenn du dabei sein willst, wie sich alle Linzer der Welt nach jahrelangem, gezieltem Aus-dem-Weg-gehen endlich wieder treffen, geh am 23. Dezember in die Altstadt. Tu das Gegenteil, wenn du das nicht mitansehen willst.
  • Jeder einzelne Linzer hat schon mal ein Ferialpraktikum in der Voestalpine gemacht. Sei dir dessen bewusst, wenn du über die Voestalpine redest oder Witze über die "Stahlstadt" machst.
  • Wenn du in Feierlaune bist und willst, dass dich am nächsten Tag niemand wieder erkennt, geh an einem Samstagabend in den Cembrankeller und krieche am Sonntagmorgen als neuer Mensch wieder heraus. Danach darfst du Monologe halten wie Rutger Hauer am Ende von Blade Runner und Sachen sagen wie "Ich habe Dinge gesehen, die ihr Menschen niemals glauben würdet …"
  • Geh niemals in das Lokal rechts vom Cembrankeller.
  • Die Grottenbahn hat jeden Witz, der dir zu ihr einfällt, verdient.
  • Die Grottenbahn hat auch jeden Vergleich, der dir zu ihr einfällt, verdient.
  • Wenn du Wiener Caféhaus-Flair willst, geh ins Traxlmayr, dreh eine Runde und inhaliere tief. Du wirst es nicht bereuen—außer du bleibst.
  • Bars haben hier immer noch Namen wie Remembar. Finde dich damit ab, sonst wird dein Gehirn an deinem ersten Abend um 23 Uhr explodieren.
  • Lass dich nicht vom "Höhenrausch" verarschen. Er hat nichts mit Rausch zu tun und ist kein Codewort für irgendwas, sondern ein Dachspaziergang durch Linz.
  • Trage keine Jogginghosen, wenn du ein ernsthaftes Anliegen hast oder in Geschäften bedient werden willst. Für Linzer wirst du mit Jogginghosen sofort unsichtbar. Zieh stattdessen Camp David-Shirts an (ja, auch unten).
  • Die Tabakfabrik ist gut, weil sie wie eine Backsteinhalle in Manchester aussieht, in der Partys wie in Manchester gefeiert werden, auf denen die Menschen aussehen wie in Manchester. Außerdem hat sie als Wahrzeichen eine bronzefarbene Zigarettenpackung. Wenn du die Gelegenheit hast, geh hierher feiern. Es wird dein Leben um ein Jahr verkürzen, aber die Zeit davor wird umso besser sein.
  • Diskutiere nie mit einem Linzer darüber, ob die Straßenbahn für die paar Stationen, während derer sie unterirdisch fährt, zur U-Bahn wird oder nicht. Erwähne nicht, dass du weißt, wie U-Bahnen ausschauen und sag überhaupt nie "U-Bahn".
  • Das "Pflasterspektakel" ist kein Spektakel und du solltest dir Pflaster über die Augen kleben, wenn es stattfindet.
  • Auch Linz war schon mal Kulturhauptstadt—wie fast jede europäische Kleinstadt. Würdige ersteres, verschweige zweiteres.

Falls ihr selbst aus Linz seid und euch irgendein Punkt unter den Stahlstadt-Nägeln brennt, der hier fehlt, schreibt uns einfach auf Facebook. Wenn ihr recht habt, bauen wir euren Input gern nachträglich ein.

Markus auf Twitter: @wurstzombie