Köttbullar statt Weihnachtsgans: Menschen, die aufs Festmahl scheißen
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Köttbullar statt Weihnachtsgans: Menschen, die aufs Festmahl scheißen

Der kleinste gemeinsame Nenner zu Weihnachten ist für viele das Festtagsessen. Aber es gibt auch Leute, die lieber zu Burger und Fischstäbchen greifen.

Der tiefere Sinn von Weihnachten mag für jeden Menschen in etwas anderem liegen, aber die zwei Dinge, auf die sich die meisten von uns einigen können, sind wahrscheinlich Essen und Geschenke.

In vielen österreichischen Haushalten gehört das Festmahl am Heiligabend so sehr dazu, dass manche sogar behaupten, die Festtage würden nur deshalb Festtage heißen, weil das die Statur der einzelnen Familienmitglieder zu dieser Jahreszeit am besten beschreibt. Ende 2015 machte kurz die Meldung die Runde, dass Österreich das verfressenste Land der Welt sein soll—und auch, wenn sich die Rechnung als nicht ganz richtig herausstellte, protestierte irgendwie trotzdem niemand so wirklich, weil es eben doch ziemlich gut zu uns gepasst hätte.

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Und weil es außerdem Österreich ist, von dem wir hier reden, isst man natürlich nicht einfach irgendwas, sondern in vielen Familien jedes Jahr dasselbe: Bei den einen gibt es traditionell Weihnachtsgans, bei den anderen einen frisch aus der Badewanne gefischten Weihnachtskarpfen und einige besonders brave Katholiken kasteien sich sogar mit einem Paar einfachen Sacherwürsteln oder Bratwurst mit Sauerkraut (und zwar im Nicht-Rammstein-Sinn der Worte). Aber nicht überall regiert die Tradition. Manche scheißen auch komplett auf Omas feine Stube und das Silberbesteck und greifen am 24. 12. stattdessen zu Burger oder IKEA-Fleischbällchen. Das hier sind ihre Geschichten.

Fredi, 24: Big Mac

Zu Weihnachten esse ich eigentlich am liebsten Big Mac, weil ich zwar schon öfters beim Fast Food-Laden meiner Wahl esse, mich aber oft von Saison-Burgern oder Angeboten begeistern lasse. Weihnachten ist ein guter Tag um sich auf etwas Traditionelles zu besinnen. Meine Familie wohnt nicht in Wien und wenn ich sie besuche, kochen sie eh. Die Hauptspeise ist bei uns immer Karpfen, was ich echt ekelhaft finde. Da Weihnachten für mich eigentlich nur den Wert der Gönnung hat, gönne ich mir eben mein Lieblingsessen. Wenn ich zu Weihnachten mal dort bin, dann esse ich meistens heimlich am Hinweg beim Fast Food-Laden. Wenn ich wegen der Arbeit in Wien bleibe, dann höre ich Mariah Carey und zelebriere meinen heißgeliebten Big Mäc.

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Franz, 23: Fischstäbchen

Meine Oma—Gott hab sie selig—war eine sehr fromme Frau. Sie ist der Grund dafür, warum ich ein zerfleddertes Bild vom Heiligen Josef in meiner Brieftasche mit mir herumtrage, seit ich 15 bin und einen Rosenkranz rückwärts pfeifen kann. Als Katholikin und Matriarchin führte sie an hohen kirchlichen Feiertagen ein strenges, fleischloses Regiment—ich schwöre, einmal hat sie mich in meinen Träumen heimgesucht, nachdem ich am Aschermittwoch versehentlich in eine Leberkässemmel gebissen hab.

Während also im Rest von Kärnten an Heiligabend traditionell Selchwürstel mit Sauerkraut serviert wird, gibt es bei uns bis heute Fischstäbchen von Dr. Iglo. Aber die guten, die mit Spinat oder Käse gefüllt sind. Nur echt, wenn sie nicht etwa im Backofen, sondern in reichlich heißem Öl frittiert werden und damit dem gesamten Haus über zwei Wochen lang diesen heimeligen Duft nach ranzigem Fett verleihen. Mmmh, da liegt Weihnachten in der Luft.

Christoph, 30: Pizza

Ich esse zu Weihnachten Pizza, weil mir Weihnachten nichts bedeutet und ich deshalb auch nichts anderes esse als sonst. Die einzige Ausnahme ist das "Fake-Weihnachtsessen" mit meiner Verwandtschaft—da wird natürlich aufgetischt, aber das ist meist erst so zwischen 26. und 28. Dezember. Pizza wird es meistens deshalb, weil ich mit meiner Freundin zusammen wohne und sie über die Feiertage aber zu ihren Verwandten ins Ausland fährt. Früher bei der Oma gab's auch einen Braten oder Fisch, oft sogar mehrere Gänge. Aber alleine finde ich das weird. Außerdem ist mir als Atheist Weihnachten als religiöser Feiertag völlig egal.

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Sabrina, 27: Grillen

Als mein Bruder im Sommer einen Kugelgriller zum Geburtstag geschenkt bekommen hat, haben wir ab diesem Zeitpunkt jedes Wochenende zu Hause gegrillt. Jeden Sonntag ist irgendein anderes Stück Fleisch auf dem Rost gelegen und wurde mit Kirschblütenholz geräuchert—auch am Weihnachtsabend.

Es war zwar ein bisschen komisch, Grillsaucen und Knoblauchbrot am Heiligen Abend vorzubereiten, aber Rinderfilet zu essen war schon irgendwie weihnachtlich. Mein Bruder stand in der Kälte auf unserer Terrasse zwischen der Weihnachtsbeleuchtung, um das Fleisch zu bewachen. Meine Mutter war einfach nur froh, dass sie sich in dem Jahr nicht mit dem Weihnachtsessen auseinandersetzen musste. Ihr ist eigentlich eh nur wichtig, dass wir den Zeitplan einhalten. Um 18 Uhr ist nämlich Bescherung, sonst ist zu Hause die Hölle los.

Tori, 25: Köttbullar

Meine Großmutter ist in etwa die schwedischste Schwedin, die man sich vorstellen kann. Obwohl sie mittlerweile auch wieder in Schweden lebt und nur alle paar Jahre bei uns in Österreich Weihnachten feiert, haben sich in meiner Familie einige schwedische Traditionen bis heute gehalten. Wir schmeißen zwar keine Christbäume aus dem Fenster, dafür gibt es zu Weihnachten aber jedes Jahr schwedisches Essen—und mit schwedischem Essen meine ich neben töpfeweise Kartoffelpüree in erster Linie die berühmt-berüchtigten Köttbullar. Was ihr vermutlich ausschließlich in der IKEA-Cafetaria esst, wenn euch nach einer stundenlangen Modell-Wohnzimmer-Odysse der Erschöpfungshunger überkommt, ist in meiner Familie der vielleicht essentiellste Bestandteil des Weihnachtsfestes.

An diesem Punkt erwartet ihr wahrscheinlich, dass ich euch erkläre, wie grausig die IKEA-Köttbullar verglichen mit selbstgemachten Fleischbällchen meiner Oma sind. Die Wahrheit ist aber: Der Großteil meiner Familie liebt die IKEA-Köttbullar genau so sehr wie ihr. In den Jahren, in denen meine Oma nicht hier in Österreich sondern in Schweden Weihnachten gefeiert hat, sind die anderen Familienmitglieder teilweise sogar dazu übergegangen, zu Weihnachten allen Ernstes säckeweise Köttbullar bei Ikea zu kaufen, statt sie selbst zu machen.

Abschließend möchte ich noch anmerken: Man sagt "Schöttbullar", nicht "Köttbullar". Das "K" wird im Schwedischen nämlich aus mir nicht ersichtlichen Gründen oft als "SCH" ausgesprochen. Ich möchte hier nicht besserwisserisch wirken, aber meine Familie hat mir von kleinauf eingetrichtert, deutschsprachige Menschen bei jeder Gelegenheit über diese Tatsache aufzuklären. Denkt an mich und meine Oma, wenn ihr das nächste Mal in der IKEA-Cafeteria sitzt. Frohes Fest!


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