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Wie lange können die Märkte den Klimawandel noch leugnen?

Shane Smith reagiert auf eine unwissenschaftliche „Analyse“ seines neusten Films über das Gletscherschmelzen in Grönland.

Eigentlich mag ich Forbes. Die Leute dort stellen eine Plattform für hochwertige Texte zur Verfügung und schreiben viele nette Dinge über uns.

Umso mehr hat mich der Müll von John Tamny irritiert, den Forbes am Wochenende veröffentlicht hat. In Reaktion auf zuletzt gelaufene HBO-Episode über die schmelzenden Gletscher in Grönland nennt mich Tamny einen „Alarmisten“ und fragt, ob ich angesichts des steigenden Meeresspiegels nicht nach Dallas, Texas, fliehen will.

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Am Tag darauf berichtete die New York Times ironischerweise von der verschärften Warnung des Klimarats vor den Folgen der Erderwärmung. Ein ähnlich ausgerichteter Artikel im Wall Street Journal titelte, dass laut UN der Klimawandel weitreichende Auswirkungen hat und Wissenschaftler eine zügige Senkung der Treibhausgasemissionen fordern.

Beide Artikel beziehen sich auf den am Montag veröffentlichten Bericht des UN-Klimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), der die Ergebnisse von 309 Wissenschaftlern aus 70 Ländern zusammenfasst, die sich wiederum auf mehr als 12.000 Forschungsbeiträge stützen. Der Guardian bezeichnete diesen Bericht als „die bisher umfassendste Darstellung der Gefahren des Klimawandels“.

Rajendra Pachauri, der Vorsitzende des IPCC, veräußerte in einer Pressekonferenz die Hoffnung, dass der Bericht „die Leute aufrütteln und zum Handeln bewegen“ würde. In dem Bericht wird der weltweite Anstieg von Lauffeuern, Dürre und Überschwemmungen mit dem Klimawandel in Verbindung gebracht.

„Wir leben in einer Zeit, in der der Klimawandel keine Hypothese mehr ist, die irgendwann in der Zukunft eintritt“, zitiert der Guardian den leitenden Autor des Berichts Chris Field. „Wir leben in einer Welt, in der die Auswirkungen des Klimawandels bereits spürbar und weit verbreitet sind.“

Inzwischen hat US-Außenminister John Kerry klar Stellung bezogen und erklärt, dass „das Klima und unsere Lebensweise im wahrsten Sinne des Wortes in Gefahr“ sind, wenn die Menschheit nicht „grundlegend und schnell“ handle. Wissenschaftliche Erkenntnisse abzustreiten, sei eine „Untat.

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Tamny will seine „Analyse“ „ganz und gar unwissenschaftlich“ verstanden wissen, „da ich kein Wissenschaftler bin“. Dennoch verzichtet er nicht darauf zu bezweifeln, dass das Abschmelzen des Eisschilds in Grönland Auswirkungen auf den globalen Meeresspiegel habe, und zieht einen verwirrenden Vergleich mit einem in einer Tasse Wasser schmelzenden Eiswürfel heran. Wahrscheinlich hat er im März den Bericht in der Zeitschrift Nature Climate Change übersehen, in dem es um das signifikante Schrumpfen von Eismassen im Nordosten Grönlands ging, die lange für stabil gehalten wurden.

„Das grönländische Eisschild hat in den letzten 20 Jahren wesentlich zum Anstieg des Meeresspiegels beigetragen“, heißt es in dem Forschungsbericht. Die Verfasser glauben, dass die Prognosen hinsichtlich des globalen Meeresspiegelanstiegs zu niedrig gegriffen waren, da niemand mit einem solchen Anstieg gerechnet hat.

Statt der Wissenschaft vertraut Tamny lieber „Marktsignalen“, die, wie er sagt, „auf eine katastrophenfreie Zukunft hindeuten und die Ansichten von ,Leugnern‘ des Klimawandels stützen.“

Haben die Märkte Hurrikan Katrina vorhergesehen? (Schaden/Kosten von 125 Milliarden Dollar)

Haben sie Hurrikan Sandy vorhergesehen? (Schaden/Kosten von 71 Milliarden Dollar)

Oder die Katastrophe von Fukushima? (Sanierungskosten von 58 Milliarden Dollar)

Taifun Haiyan? (7.500 Tote bzw. Vermisste und 12,5 Milliarden Dollar Folgekosten)

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Die Dürre in Kalifornien? (geschätzte Einkommenseinbußen von 5 Milliarden Dollar für 2014)

Nein.

Diese Katastrophen wurden von keinem Marktanalytiker vorhergesehen, da ihr Fokus auf der Wirtschaft und nicht auf der Umwelt liegt. Diesen Leuten geht es darum, Geld zu verdienen. Die Mehrzahl der Wissenschaftler ist sich währenddessen nicht nur einig, dass die Erderwärmung stattfindet, sondern auch, dass die schlimmsten Folgen noch ausstehen.

Tamnys Argumentation ist heimtückisch. Er steckt nicht nur den Kopf in den Sand, was schon schlimm genug wäre, sondern behauptet letzten Endes, dass die Erderwärmung nicht stattfindet, weil es reiche Leute gibt, die Häuser an der Küste kaufen. Er benutzt Forbes als Plattform, um den reinsten Schwachsinn zu verbreiten.

Und mit was für einem Timing! Gerade in dem Moment, in dem die Welt zum Handeln gegen den Klimawandel aufgerufen wird, leugnet Forbes, dass dieser überhaupt stattfindet. Warum? Laut Tamny offenbar deshalb, weil Warren Buffett es so gesagt hat.

(In Wirklichkeit scheint Buffets Standpunkt jedoch differenzierter zu sein, als es bei Tamny den Anschein erweckt.)

Um schließlich noch Ihre Frage zu beantworten, Mr. Tamny: Nein, ich werde nicht nach Texas ziehen—einen Staat, der 2011 die schlimmste Dürreperiode seiner Geschichte erlebt hat.