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Luxushotel, Drogen und Cadillac – Wie ich mit 100 Euro in Venezuela einen Monat wie ein König lebte

In einem Land, in dem eine komplette Tankfüllung umgerechnet 30 Cent kostet, ist mit diesem Geldbetrag so einiges möglich.

Venezuelas amtierender Staatspräsident Nicolás Maduro | Foto: Imago/Xinhua

Die globale Finanzmarktkrise und der heimische Schwarzmarkt haben in Venezuelas Wirtschaft zu extremen Verwerfungen geführt und selbst das größte Ölvorkommen der Welt konnte diese Entwicklung nicht aufhalten.

Unsere Währung, der venezolanischer Bolívar, ist total im Keller. Für einen Euro erhält man offiziell 8,3 Bolívar (BsF). Am Schwarzmarkt bekommt man für einen Euro dagegen 812 BsF. Ich habe nicht den geringsten Plan von wirtschaftlichen Dingen. Dieser Zustand hat aber irgendetwas mit den offiziellen Wechselkursen zu tun. Hätte ich eine Ahnung von diesen Dingen, dann hätte ich vor zwei Jahren mein ganzes Geld in Dollar oder Euro umgewechselt, um von der Wirtschaftskrise nicht betroffen zu sein.

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Ich wollte mein Land, in dem man vier Stunden in der Warteschlange stehen muss, wenn man Toilettenpapier kaufen will, und den heimischen Tourismus etwas zurückgeben, damit jeder stolz auf mich sein kann. Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, mit 100 Euro einen Monat lang wie ein König in Venezuela zu leben. Dabei kamen mir spontan auch gleich ein paar lustige Ideen, die mir meinen normalen venezolanischen Alltag doch ziemlich versüßen sollten:

- Einen Monat lang ein zentral liegendes Zimmer mieten

- Eine Nacht in einem 5-Sterne-Hotelzimmer unterkommen

- In die Hauptstadt Venezuelas fliegen

- Einen Tag lang in einem Cabrio durch die Stadt fahren

- Einfach so 238 Flaschen Bier kaufen

- Mit Kokain und 21 Gramm Marihuana Party machen

- Jedem Autobesitzer in meinem Apartmentkomplex einen vollen Tank spendieren

- In den fünf besten Restaurants der Stadt zu Abend essen

- Mich massieren lassen

Nachdem ich mir damit einen groben Plan zurechtgelegt hatte, musste ich meine 100 Euro auf dem berüchtigten „Schwarzmarkt" umtauschen. Du denkst jetzt sicher, dass man dafür zu irgendeinem schmierigen Typen gehen muss, aber Pustekuchen! In Venezuela ist der inoffizielle Geldwechsel ganz einfach: Man schreibt einfach bei Facebook, dass man 100 Euro verkaufen will. Dann werden sich auf jeden Fall mindestens zwei oder drei Leute melden, die interessiert sind. Da die Menge an venezolanischen Banknoten im Wert von 100 Euro einfach zu groß und unsicher ist, wird ein solches Geschäft normalerweise per Überweisung abgewickelt.

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150 Euro in venezolanischen Bolívares

Nun war es an der Zeit, nach einem Zimmer zu suchen, in dem ich nach jedem Abenteuer wie ein König schlafen konnte. Ich wurde auch fündig und zahlte für einen ganzen Monat umgerechnet 12 Euro. Der Vermieter war wirklich gütig, denn heutzutage ist die Wohnungssuche in Venezuela dank der unrealistischen Preise und der hohen Inflation extrem schwierig.

Mein nächstes Abenteuer sollte schon ein wenig mehr Spannung bereithalten und deshalb beschloss ich, eine Nacht in einem 5-Sterne-Hotel (das übrigens von der venezolanischen Regierung subventioniert wird) zu verbringen. Der Preis erschien mir dabei fast schon lächerlich niedrig: umgerechnet 8,70 Euro—inklusive Frühstücks-Buffet und Pool-Benutzung. Als ich mich ins frisch gemacht Bett fallen ließ, fühlte ich mich wie der coolste Mensch der Welt, weil ich hier ja quasi am arbeiten war.

Schließlich stand das Flugticket nach Caracas auf dem Programm, weil ich in der Hauptstadt Venezuelas sowieso noch bei einer Veranstaltung eingeladen war. Zwar ist dort alles ein bisschen teurer (wie wohl in jeder Hauptstadt), aber mit meinem Budget konnte ich dort trotzdem noch ziemlich viel Spaß haben. Der Flug hat mich übrigens gut acht Euro gekostet. Lang lebe Chávez, Maduro und Miss Venezuela.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich 54,70 Euro ausgegeben, aber viele Vorhaben meiner Liste standen noch offen.

Das Fahren des Cadillac-Cabrios hat mir wohl am meisten Spaß gemacht. Es kostete auch umgerechnet nur sechs Euro, diese Schönheit 12 Stunden lang auszuleihen—Fahrer auf Wunsch inklusive.

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Als ich so in meinem Cadillac durch die Gegend brauste, fühlte ich mich wie ein richtiger Filmstar. Anscheinend muss ich auf die Leute auch so gewirkt haben, denn ich sollte im Laufe des Tages für mehr als 30 Bilder posieren.

Kraftstoff ist in meinem Heimatland derzeit ein hochbrisantes Thema. Ein Liter normales Benzin kostet 0,097 Bolívares, ein Liter Diesel 0,048 Bolívares. Das bedeutet, dass das Auffüllen eines 60-Liter-Tanks keine sechs Bolívares kostet—umgerechnet also nicht mal 0,30 Cent. Ja, du kannst jetzt ruhig neidisch sein.

Der nächste Punkt meiner Liste bestand daraus, ohne Grund 238 Flaschen Bier zu kaufen. Für diese Zahl könnte ich mir jetzt irgendeine bescheuerte Erklärung aus der Nase ziehen, aber in Wahrheit steckte da kein wirklicher Sinn dahinter. 238 klang einfach schön exotisch.

Also ging es ab in den nächsten Getränkemarkt, wo ich sieben Kästen Bier kaufte (ein Kasten enthält hier nämlich 34 Flaschen). Für diese Menge musste ich umgerechnet nur zehn Euro auf den Tisch legen. Ja, du hast richtig gelesen: 238 Flaschen Bier für zehn Euro. Hier in Venezuela geht es vielleicht anderweitig den Bach runter, aber immerhin haben wie noch ehrliche Bier- und Benzinpreise.

Ein solches Abenteuer muss natürlich auch irgendwie Drogen beinhalten. Hier in Venezuela bekommst du drei Gramm qualitativ hochwertiges Kokain für umgerechnet gut fünf Euro. Wenn das schon wie Musik in deinen Ohren klingt, dann warte erst mal die Cannabis-Preise ab.

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Für sieben Euro kannst du hier 20 Gramm Marihuana kaufen. Jetzt steht deiner Venezuela-Reise wirklich nichts mehr im Weg, denn diese Information hat mit ziemlicher Sicherheit auch deine letzten Zweifel bezüglich des hier herrschenden Gewalt- und Überfallproblems weggewischt, oder?

Nachdem das ganze Unterfangen bisher ein ziemlicher Ego-Trip gewesen war, hatte ich ein ziemlich schlechtes Gewissen und wollte der Welt deswegen etwas zurückgeben. Normalerweise lebe ich in einem Apartmentkomplex, wo noch 45 andere Menschen wohnen—mehr als ein „Hallo" habe ich allerdings mit noch keinem von ihnen gesprochen. Das wollte ich nun wiedergutmachen und schenkte deshalb jedem meiner Nachbarn eine volle Tankfüllung. Bei 32 Autos kostete mich das Ganze dann auch nicht mal zwei Euro.

Kommen wir nun zu einer Sache, die jeder liebt: Essen. Ich sehe mich selbst als Kenner der Gastro-Szene meiner Heimatstadt und ich muss sagen, dass es da ein paar echt gute Restaurants gibt. Davon habe ich mir meine fünf Lieblingslokale herausgepickt, um zu sehen, wie viel mich fünf reichhaltige Abendessen kosten würden.

Ein Euro in acht 100-Bolívares-Scheinen (übrigens der größte Schein, den es hier in Venezuela gibt)

Auf meiner Speisekarte standen Pasta, ein Caesar Salad, Pizza, Fisch, ein Burger und ein Reisgericht. Durch meine Reisen habe ich schon mitbekommen, wie viel mich solche Mahlzeiten in anderen Ländern gekostet hätten—nämlich im besten Falle um die 50 Euro.

Zum Glück lebe ich jedoch in Venezuela und nach diesen fünf Abendessen inklusive Getränken war ich um schlappe neun Euro ärmer!

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Ich war schon fast ein wenig traurig darüber, dass mein Experiment bald zu Ende sein würde, als mir die glorreiche Idee kam, mich in einem asiatischen Massagesalon massieren zu lassen. Als ich das Etablissement betrat, fühlte ich mich direkt wie in einer anderen Welt, denn die entspannte Stimmung war quasi das komplette Gegenteil zur Hektik einer jeden venezolanischen Großstadt.

Als ich mich für meine Massage-Akupunktur-Kombo fertig machte, war der in der Luft liegende Marihuana-Geruch so stark, dass ich am Empfang nachfragen musste. Eine bessere Antwort hätte ich mir allerdings nicht ausdenken können: „Aber klar. Das sind die medizinischen Kräuter, mit denen unsere Mitarbeiter vor der Behandlung ihre Hände einreiben."

Besagte Massage-Akupunktur-Kombo war übrigens sehr angenehm und ich würde das Ganze wohl wieder machen. Außerdem musste ich dafür umgerechnet nur 2,50 Euro aus der Tasche ziehen.

Nachdem ich noch mal alles durchgerechnet hatte, fiel mir auf, dass noch ein bisschen Geld übrig war. Also bin ich direkt zurück in den Massagesalon gegangen und habe mich noch zwei weitere Male durchkneten lassen.

Munchies: Venezolaner kündigen ihre Jobs um illegales Bier zu brauen

Als mein Monat als König schließlich endgültig vorbei war, wurde ich mir wieder bewusst, in welcher traurigen Realität die Einwohner Venezuelas eigentlich leben müssen. Es ist jedoch nicht alles traurig, mein Freund. Für dich ist dieses Land hier auf jeden Fall ein preisliches Paradies.

Jetzt weißt du, was in Venezuela mit einem 100-Euro-Schein alles möglich ist. Zum Abschluss will ich dir nun noch schnell zeigen, was du hier mit einem 100-Bolívares-Schein kaufen kannst:

Für die armen Menschen, die nicht wissen, was das ist: Bei Ovomaltine handelt es sich um einen köstlichen, süßen Brotaufstrich.