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Campus, Sex und Ravioli

Die Uni Zürich hat das Latinum abgeschafft und wir feiern!

Endlich wurde der Latinums-Zwang auch an der Uni Zürich abgeschafft. Die kränkliche alte Frau aka das Latinum ist tot. Es lebe die Faulheit!
Titelbild von OpenClips

Das Schreckensgespenst der Geisteswissenschafts- und Sprachstudenten hat endlich den Todesstoss bekommen: Ab sofort braucht es an der Uni Zürich für die Studiengänge Philosophie, Anglistik, Deutsche Sprachwissenschaft und Kunstgeschichte kein Latinum mehr. Für mich heisst das konkret: Der Traum vom abgeschlossenen Studium ist greifbar geworden und ich werde den Studiengang nicht noch einmal wechseln.

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Voller Enthusiasmus startete ich vor einem Jahr ins Philosophiestudium. Dieses Mal halte ich durch, habe ich mir geschworen und das obligatorische Latein mit Schulterzucken zur Kenntnis genommen. Anfangs besuchte ich die sieben Stunden Lateinunterricht pro Woche regelmässig und verrichtete die auferlegten Hausaufgaben gewissenhaft. Ich übersetzte Texte, in denen von Crassus (dem reichsten Römer, der je gelebt hat), Cloelia (die trotz ihrem niederen Geschlecht vom Kaiser geehrt wurde) und anderen römischen Celebs die Rede war und schluckte den Ärger über den Ablativ konsequent hinunter. Bis es mir, wie gefühlt jedem anderen Studenten, zu viel wurde und ich auf das Latein schiss. Ich ging nicht mehr hin, kein einziges Mal und beschwichtigte mein Gewissen mit dem Vorsatz, das Latein einfach an der Uni Innsbruck abzuschliessen.

Bis und mit diesem Semester konnte man das Latinum nämlich bequem mit Selbststudium in Innsbruck ablegen. Dort reichte es, mithilfe eines Wörterbuchs einen verhältnismässig einfachen Text zu übersetzen. Kein Vergleich zum Latinum in Zürich: Sieben Stunden Latein pro Woche für einen schriftlichen und einen mündlichen Test (inklusive Römische Geschichte) machten einen ganzen Tag Präsenzzeit, an dem ich stattdessen hätte Geld scheffeln oder lernen können (was ich dann natürlich beides nicht tat). Leidensgenossen hatte ich genug kennengelernt und wie ich hatten auch sie vor, ihr Glück im Ausland zu versuchen. Zuerst war noch die Rede davon gewesen die Prüfung in Innsbruck im März abzulegen, aber das wurde je länger je unrealistischer. Also verschoben wir den Grund unseres unangenehmen Juckens im Hinterkopf auf Juni.

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Bild von Wikipedia; Velvet; Public Domain Mark 1.0

Da ich von Natur aus ein relativ gemütlicher Mensch bin, der sich gerne übernimmt (VICE, Arbeit in einer Bar, Studium), glaubte nicht mal ich, dass ich die Prüfung dann antrete und bestehe. Statt mich dem Latinum zu stellen, schob ich die unangenehme Herausforderung einfach wie einen noch nicht vereinbarten Zahnarzttermin vor mir her und regte mich über die Uni auf, die mich mit dieser Hürde quält. In den produktivsten Stunden suchte ich nach Alternativen zum Philosophiestudium und dachte manchmal sogar daran, mein Studium ganz an den Nagel zu hängen. Dann würde ich halt auf der Strasse mit fremden Leuten philosophieren und sie dazwischen subtil um ein wenig Kleingeld bitten.

Doch dann kam alles ganz anders: Das Latinum, welches ich mir gern als alte, verdörrte, dünnhaarige Frau mit erhobenem, knochigen Zeigefinger vorstellte, starb plötzlich und überraschend. Zürich hatte genug von seinem Gezeter und streckte ihm den Mittelfinger entgegen. Nun können endlich auch Menschen wie ich ihr Studium abschliessen. Menschen, die sowohl aus Faulheit als auch Vernunft den unbequemen Status Quo ablehnten. Es lebe der Tot des Toten! Ave Cäsar, morituri te salutant.

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Titelbild von Pixabay; OpenClips; CC0 1.0