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Popkultur

Wir waren im ersten Bitcoin-Stripclub Europas

Bisher ließen vor allem Investmentbanker und Rohstoffhändler ihre Scheine im "23 Paul Street" in London. Jetzt will der Club reichen Tech-Nerds an die digitale Kohle.
Symbolfoto: brh_images | Flickr | CC BY 2.0

Eine Seitenstraße unweit vom Bahnhof Old Street, im Osten Londons. Ich stehe vor einem herrschaftlichen, vierstöckigen Gebäude. Hinter der Fassade befindet sich "23 Paul Street", der erste Stripclub Europas, in dem man mit Bitcoin bezahlen kann.

"Das klingt jetzt vielleicht richtig schlimm, vor allem, weil ich in der Sexindustrie arbeite", sagt Owen Planchart, der Geschäftsführer von 23 Paul Street, als er mich vor dem Club empfängt. "Aber jedes Mal, wenn ich mit Bitcoin bezahle, fühlt es sich an, als würde ich jemanden entjungfern."

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Peinliche Stille. Der Vergleich hängt zwischen Planchart und mir in der Luft. Ich weiß nicht, wie ich reagieren soll, lache hilflos. Dann redet Planchart einfach weiter: "Unsere Gäste wollen Spaß haben, ohne dass ihre Buchhalter und Partner davon was mitkriegen. Das ist ihnen sehr wichtig."

Kryptowährungen wie Bitcoin oder Etherium – angeblich gehört ihnen die Zukunft. Zahlen kann man mit ihnen aber noch fast nirgends. Mit der Entscheidung, Bitcoin als Zahlungsmittel einzuführen, ist 23 Paul Street in Europa ein Vorreiter, in der Stripclub-Branche sowieso. Selbst in den USA gibt es wohl nur einen einzigen Club, der Kryptowährungen akzeptiert, in Las Vegas.


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Ich darf schon eine Stunde, bevor er aufmacht, in den Club. Frauen sehe ich da noch keine. Aber auch ohne die etwa 35 Stripperinnen, die hier später auftreten werden, erinnert mich 23 Paul Street an eine Mischung aus Privatclub in Soho und Eyes Wide Shut. Das liegt an der außergewöhnlichen Inneneinrichtung, die eher in ein traditionelles englisches Stadthaus passen würde; an der Box voller schicker Kleider direkt vorm DJ-Pult ("viel von dem, was hier passiert, hat was von Kostüm-Festival", sagt Planchart); und an den ziemlich stolzen Preisen.

Kunden, die zum ersten Mal da sind, zahlen im Voraus. Im zweiten Stock hängt irgendein Fummel von der Decke. Zusammen mit den dicken Ledersofas stiftet es ein bisschen Privatsphäre. Dafür kostet eine halbe Stunde hier auch 220 Pfund, also knapp 250 Euro. Im Luxusbereich blättert man sogar über 800 Euro pro Stunde hin – und der unvermeidliche Champagner aus der Minibar ist da noch gar nicht mit drin. Sagen wir so: 23 Paul Street ist nicht die Art von Billo-Schuppen, die man hier in der Gegend öfter findet. Hier läuft ganz sicher keine leicht bekleidete, apathische Angestellte mit einem Eimer durch die Gegend und sammelt Ein-Pfund-Stücke ein. Hier hängt man besser ein paar Nullen dran.

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Der Reiz der Tech-Nerds: null social skills, aber Kohle bis zum Umfallen

Bisher taten das im 23 Paul Street mit ziemlicher Verlässlichkeit die Investmentbanker aus Londons Finanzzentrum und die Rohstoffhändler aus dem West End. Mit dem Bitcoin-Coup wollen die Betreiber jetzt die nächste dicke Geldquelle anzapfen.

"Ich würde gern die Techies in den Club kriegen", sagt Planchart. "Eigentlich sind das die perfekten Kunden für einen Laden wie uns: Die haben null social skills, aber mehr Geld in den Taschen, als sie zählen können." Und genügend Nerds müsste es hier eigentlich auch geben. London gilt noch immer als die Start-up-Hauptstadt Europas, vor Berlin.

Investmentbanker zum Beispiel hätten zig andere Möglichkeiten, sich zu beschäftigen, fährt der Geschäftsführer fort. "Meines Wissens hat sich aber noch nie jemand drum gekümmert, herauszufinden, was diesen Tech-Typen Laune macht", sagt er.

Vor ein paar Monaten hat zum ersten Mal jemand ungefähr 1.200 Pfund (etwa 1.350 Euro) in Bitcoins bezahlt. Gegen ein bisschen zusätzliche Aufmerksamkeit der Tänzerinnen brachte er den Angestellten des Clubs dann die Grundlagen von Kryptowährungen bei. Der Typ halte TED-Talks, sagt Planchart. Genauer wird er nicht, der Kunde wolle anonym bleiben.

Alle Mitarbeiter im Club sollen die neue Technik beherrschen. Und alle sollen an ihr verdienen. "Ich will, dass die Mädchen finanziell gut dastehen, wenn sie diesem Club irgendwann den Rücken kehren", sagt Planchart. "Unser Ziel ist es, hier gemeinsam auf ein positives Ergebnis hinzuarbeiten."

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Das Bezahlen dauert so lange, dass es fast wehtut zuzuschauen

Wie nobel. Leider ist im 23 Paul Street noch zu wenig los, um herauszufinden, wie viel Wahrheit tatsächlich in Plancharts Aussage steckt. Immerhin kann ich mich noch einmal kurz mit der Frau unterhalten, die mich gleich am Anfang durch den Club geführt hat. Ihren Namen will sie zwar nicht verraten, aber sie erzählt, dass sie sich im 23 Paul Street sicher und wohl fühle. Mittlerweile tanze sie deshalb auch für Kunden. Vorher habe sie eine "bekleidete Rolle" gespielt.

Dann zeigt mir Planchart, wie so eine Bitcoin-Zahlung abläuft. Zumindest versucht er es. Ich benutze normalerweise "Jaxx Wallet". Planchart bevorzugt "Coinbase". Beide Programme gehören zu den beliebtesten Apps für Kryptowährung-Überweisungen. Mein erster Eindruck: Für einen Laden, in dem alles so diskret und reibungslos wie möglich ablaufen soll, dauert die Prozedur erstaunlich lange. So lange, dass es mir schon beim Zugucken fast wehtut.

Wieder diese peinlichen Momente der Stille zwischen Planchart und mir. Er hat ganz schön zu kämpfen mit Coinbase ("OK: kaufe ich jetzt Bitcoins?", fragt er irgendwann. "Oder verkaufe ich sie? Nein, ich kaufe!"). Am Ende brechen wir die Probeüberweisung ab. Lange bevor wir auch nur in die Nähe der Zahlung gekommen sind.

"Das neue Coinbase-Interface hat mich ganz schön dumm aussehen lassen", sagt Planchart. "Normalerweise hält man da nur sein Smartphone drauf und das war's."

Aber im Grunde hab' ich Glück gehabt. Hey, ich bin Journalist. Eine Privat-Vorführung im 23 Paul Street kann ich mir eh nicht leisten.

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