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Sex

Wie ein preisgekrönter Pornostar zum Männerrechtler wurde

Ein Gespräch mit Philipp Tanzer, besser bekannt aus Schwulenpornos als "Logan McCree".
Foto mit freundlicher Genehmigung von Philipp Tanzer

Wie landet ein Star des Schwulenpornos in der Männerrechtsbewegung? Diese Frage stellte ich mir, als ich vergangenen Monat in London die größte Männerrechtskonferenz der Welt besuchte: die International Conference on Men's Issues.

Bei der Veranstaltung lernte ich auch Philipp Tanzer kennen. Der gebürtige Pforzheimer kann auf eine abwechslungsreiche Karriere zurückblicken. Er arbeitete als Maskenbildner am Theater, machte eine Ausbildung zum Friseur und ging schließlich zur Bundeswehr, wo er als Ausbilder arbeitete. 2004 wurde er German Mr. Leather, legte als DJ Krieger auf Schwulenpartys auf und begann schließlich 2007 seine Karriere als Pornodarsteller beim US-Studio Raging Stallion. 2009 wurde er bei den GayVN Awards für den besten Dreier und als Darsteller des Jahres ausgezeichnet.

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2012 verabschiedete sich Tanzer aus der Pornowelt und zog in das schottische 400-Seelen-Dorf Durness, in den nordwestlichen Highlands. Während sich der heute 40-Jährige in der lokalen Feuerwehr engagiert und eine Kunstgalerie betreibt, scheint er auch immer weiter in die Szene der Männerrechtsaktivisten abzurutschen.


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Rückblickend kann ich nur schwer festmachen, was ich an Tanzers Wandel so bemerkenswert fand. Es ist ja nicht gerade so, als sei die Welt des Schwulenpornos bekannt für ihren progressiven Blick auf Geschlechterfragen. Aber ich wollte wissen, warum gerade er sich so sehr mit der MRA-Welt identifiziert.

Als wir nach der Konferenz am Telefon miteinander sprechen, besteht Tanzer darauf, schon immer die Gleichstellung der Geschlechter unterstützt zu haben. Das Problem für ihn sei allerdings, dass die meisten Feministinnen Gleichheitsprinzipien beschneiden würden, um Frauen zu bevorzugen. Gleichzeitig, so Tanzer, würden sie sich als Opfer präsentieren. Am Ende ist es aber vor allem das Thema Sorgerecht, das Tanzer zu einem überzeugten MRA gemacht hat.

Besonders außergewöhnlich ist das nicht, gehört die Sorgerechtsfrage doch schon seit Urzeiten zu den Kernthemen von Männerrechtsaktivisten. Allerdings hat Tanzer weder Kinder noch eine Partnerin, die sie ihm potenziell wegnehmen könnte.

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"Lange Zeit war ich in erster Linie an Männern interessiert", sagt er. "Ich habe mich nicht als schwul identifiziert, weil ich nicht wirklich in die schwule Kultur gepasst habe. Eine Zeit lang habe ich mich sogar als asexuell bezeichnet, mit einer Präferenz für Männer."

Tanzer habe, wie er sagt, aber immer schon eine Familie gewollt. "Und es war wichtig für mich, diese mit einer Partnerin zu gründen, damit meine Kinder das Produkt einer Liebesbeziehung sind. Als ich in meine Dreißiger kam, habe ich wieder angefangen, mit Frauen auszugehen und eine Familiengründung in Betracht zu ziehen."

Wenig verwunderlich stieß die unerwartete Nachricht von Tanzers Familiensinn bei seinen Fans auf wenig Gegenliebe. Er veröffentlichte daraufhin ein Statement, in dem er den Vorwurf zurückwies, dass seine Filmkarriere nicht mehr als ein besonders zynischer Fall von "Gay for Pay" gewesen sei. Er war gerade erst aus einer langjährigen Beziehung mit Darstellerkollege Vinnie D'Angelo gekommen und schlief auch weiter mit Männern, während er mit Frauen ausging. Mit dem Einverständnis seiner damaligen Freundin natürlich.

Je mehr er sich mit der Familiengründung beschäftigte, desto besessener wurde Tanzer von der Vorstellung, dass er seine Kinder vielleicht eines Tages verlieren könnte. Warum ihm genau das passieren sollte, will er nicht sagen. Es sei jedoch seine "größte Angst". Geschichten von Männern, die derartiges erleben mussten, hätten ihn tief bewegt. Geschichten von Männern, die darauf bestanden, Opfer eines Systems zu sein, das herzlos ihre Rechte und ihr Wohlergehen als Väter missachte.

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Aber eventuell steckt dahinter noch mehr. 2011 sprach Tanzer anlässlich seines Umzugs nach Durness mit The Northern Times über seine eigene Familiengeschichte. Als er zehn war, habe seine Mutter die Familie verlassen, um mit ihrem neuen Mann, Dirk, zusammenzuleben – einem südafrikanischer Spion und Waffenhändler. Nachdem sie die kommenden Jahre im Ausland verbracht hatte, wollte sie wieder nach Deutschland zurückkommen. Aber Dirk, "der alles in seinem Leben verloren hatte, sah keinen anderen Ausweg, als sein Leben und das Leben meiner Mutter zu beenden", so Tanzer gegenüber der Northern Times. Als Dirk seine Frau erschoss, telefonierte sie gerade mit ihren Söhnen, Philipp Tanzer und seinem Bruder. Er selbst sei zu dem Zeitpunkt 16 gewesen.

Ob und wie viel dieses tragische Erlebnis zu seiner aktuellen Position beigesteuert hat, sei dahingestellt. Abgesehen von den rückständig-konservativen Positionen, die Tanzer in unserem Gespräch vertritt – nur mit einer Partnerin könne er Kinder in einer "liebevollen Beziehung" aufziehen –, ist Tanzer in meinen Augen ein gutes Beispiel dafür, wie die MRA-Ideologie die Ängste von Männern auszunutzen weiß. Diese Taktik hatte ich während meiner Beschäftigung mit der Bewegung immer wieder beobachten können.

Bei all ihrem Gepolter über Feminismus als "Kult der Opferrolle" können MRAs ziemlich schamlos die Opferwahrnehmung von Männern fördern und schließlich ausnutzen. Wenn man sich zum Beispiel ansieht, wie MRAs über Missbrauchsvorwürfe – natürlich immer von Feministinnen erfunden, um Männer aus ihren Jobs zu jagen – sprechen, fällt auf, dass sie vor allem eins tun: Sie versuchen, ein Gefühl der Machtlosigkeit heraufzubeschwören – und den Eindruck, dass es jeden treffen kann. Sie sprechen die Ängste und das Eigeninteresse ihrer Zuhörer an und das oftmals sehr effektiv.

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Foto mit freundlicher Genehmigung von Philipp Tanzer

Nach einigen Diskussionen zum Familienrecht frage ich Tanzer, ob seine Pornokarriere seine Sicht gefördert habe, dass Männer von unserer Gesellschaft schlecht behandelt werden. Was hält er von der Kritik, dass die Branche ein Nährboden für Ausbeutung ist, in der mächtige Männer regelmäßig ihre Positionen missbrauchen?

"Ich hatte das Glück, positive Erfahrungen in der Pornobranche gemacht zu haben", sagt er. "Das Team, mit dem ich gearbeitet habe, war wie eine Familie. Alle haben sich gegenseitig unterstützt. Natürlich gab es auch ein paar Probleme – mit einigen Darstellern und Drogen zum Beispiel –, aber die Produktionsfirma hat wirklich versucht, Menschen damit zu helfen."

Für die Heterobranche hat er jedoch nicht nur Lob. "Bei uns war es im Vergleich auch viel besser als bei den Heteroproduktionen. Obwohl ich selbst nur mit Männern gedreht habe, haben wir ein paar Mal mit anderen Crews das Set geteilt. Ich habe Männer gesehen, die von den Darstellerinnen wie Scheiße behandelt wurden. Die wurden angeschrien. Ihnen wurde exakt gesagt, was sie tun konnten und was nicht."

Am überraschendsten an Tanzers Wandel ist gar nicht seine berufliche Vergangenheit. Es ist vielmehr, dass er bei aller augenscheinlichen Unangepasstheit ein dermaßen klassisches Familienbild anstrebt. Denn damit unterstützt er eben jene Geschlechternormen, die ihm mehr geschadet als geholfen haben dürften.

Es ist die grausame Ironie der antifeministischen Bewegung, dass viele Männer, die sich als Fußsoldaten des Patriarchats hergeben, seine eigentlichen Opfer sind: die Nerds, die Außenseiter, die Unbeholfenen und die Einsamen. Tanzers Geschichte ist in vielerlei Hinsicht einzigartig – auf eine traurige Art aber auch Normalität.

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