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diskriminierung

Diese Menschen mit Kleinwuchs wollen beim Parookaville-Festival "Kurze" ausschenken – trotz Protesten

Für die einen ist die Aktion menschenverachtend, für die anderen ein Zeichen der Selbstbestimmung. Jetzt soll das Ordnungsamt entscheiden.
Die "Timebandits" Peter Brownbill, Frank Ramirez und Peter Gatzweiler (v.l.) || Foto: Privat

Das "Wacky Shack" will ein Club ohne Regeln sein. Es gibt jedoch drei Ausnahmen: Erstens, eine der Theken geht dir nur bis zur Hüfte, dahinter stehen, zweitens, drei Männer mit Kleinwuchs in schwarz-goldenen Dompteurs-Kostümen und geben, drittens, nur Shots aus. "Mini-Bar" nennen Peter Brownbill und zwei Kollegen die Theke, mit der sie an diesem Wochenende in dem Zelt-Club auf dem Parookaville-Festival stehen. "Timebandits" heißt die Firma der drei Schauspieler. Laut ihrer Website wollen sie den Gästen ein "neues Erlebnis schaffen", bei dem sich Gäste sich "in die Welt kleinwüchsiger Menschen versetzen" sollen. Andere Menschen mit Kleinwuchs fühlen sich eher in einen schlechten Film versetzt und haben die Aktion dem Ordnungsamt gemeldet.

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Der "Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien" (BKMF) hat sich am Donnerstag an die zuständige Behörde von Weeze in Nordrhein-Westfalen gewandt. "Timebandits" verstoße gegen die Gewerbeordnung. Die untersagt in §33a eine Schaustellung von Personen, wenn diese "den guten Sitten zuwiderläuft". Gegenüber VICE schreibt der Pressesprecher Michel Arriens: "Wir denken, dass die hier angesprochene Darstellungsform den Menschen auf die Behinderung 'Kleinwuchs' reduziert". Der BKMF sehe seine jahrelange Arbeit für Akzeptanz und vollwertige Inklusion torpediert. Dabei spiele es keine Rolle, ob Menschen diese Aktion freiwillig machen würden, so Arriens. Die Menschenwürde als Grundrecht sei wichtiger als das Recht auf freie Berufswahl und die Kunstfreiheit.

Peter Brownbill: "Wir wollen machen dürfen, was unser Wunsch ist"

100.000 Menschen mit Kleinwuchs vertritt der BKMF nach eigenen Angaben. Für Peter Brownbill spreche der Verein allerdings nicht, stattdessen bevormunde er ihn – sagt Brownbill selbst; "im Endeffekt will der BKMF verhindern, dass wir das machen dürfen, was wir wollen." Er und seine Kollegen seien selbst an das Parookaville herangetreten, das Bar-Konzept "mit dem Wortwitz und den Kurzen" sei ihre Idee gewesen. Bei der ganzen Aktion diskriminiere sie derzeit nur der Verband durch sein Einschreiten.


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Der 50-Jährige arbeitete früher als Verwaltungsfachangestellter, dann kündigte er, um in die Schauspielerei zu wechseln. Erst dadurch habe er seine eigene Behinderung wirklich akzeptieren können. Kleinwüchsige Menschen würden so oft aus dem Alltag ausgeschlossen, sagt Brownbill, "warum sollen wir nicht mal in Rollen schlüpfen, in denen wir zum Beispiel nicht arbeiten können, so wie jetzt als Barkeeper". Er wolle durch die ironische Inszenierung sichtbarer werden und dadurch mit anderen Menschen ins Gespräch kommen. Wortspiele wie "Mini-Bar" fänden er und seine Kollegen "einfach nur witzig". Und dass sie nur Kurze verteilen wollen, liege auch an einem logistischen Problem: "Wir sind keine Profis, die wissen, wie man schnell ein Bier zapft und einen Cocktail mischt. Und größere Gläser sind auch nicht gerade einfach zu tragen.”

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Parookaville: "Sie verstecken sich nicht, sondern gehen damit nach außen, um Berührungsängste abzubauen"

Das Festival hat sie dafür bereits verteidigt wie ein Fußballclub einen eigenwilligen Profispieler. Brownbill, Gatzweiler und Ramirez gingen "offen und offensiv mit ihrer Kleinwüchsigkeit" um, sagte ein Sprecher des Parookaville der Rheinischen Post. "Sie verstecken sich nicht, sondern gehen damit nach außen, auch um Berührungsängste abzubauen." Größere Menschen müssen sich an der Theke bücken oder hinhocken und sich so den Kleinwüchsigen anpassen – das würde sie zum Nachdenken bringen.

Der BKMF glaube nicht daran, dass das auf diese Weise erreicht werden kann: "Kleinwüchsige Menschen zur Belustigung zu missbrauchen und zum Gespött anderer zu machen, lehnen wir strikt ab", schreibt Pressesprecher Arriens. Die Bar missachte die Menschenwürde. Das Ordnungsamt prüft nun die Beschwerde des Vereins.

Peter Brownbill hofft, dass die Behörde nicht einschreitet. Geht es nach ihm, soll sich der BKMF lieber darauf konzentrieren, dass Festivals behindertengerechter werden würden. Das sei nicht seine Aufgabe als Schauspieler. Er möchte weiterhin einfach nur unterhalten dürfen, so "wie jeder andere auch" – eben auch mit Klischees. Demnächst wolle er LKW-Fahren, "das traut man uns nämlich auch nicht zu".

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