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Schon wieder Wahlen!!!

Der Zauberer "Magic Christian" will nicht mit Bundeskanzler Kern verwechselt werden

Und ihr dachtet, der bisherige Wahlkampf war schon genug Satire.

Tagebuch zu schreiben, ist gar nicht so einfach, wie ihr denkt. Erst recht nicht, wenn es auch noch gut und kurz sein soll. Ein gutes Beispiel für beides war Leo Tolstoi, der zum Beispiel am 25. Jänner 1851 folgenden Eintrag in sein Tagebuch schrieb: "Ich habe mich verliebt oder bilde es mir wenigstens ein; ging auf eine Feier und verlor meinen Kopf. Kaufte ein Pferd, das ich absolut nicht brauche." Was für ein Burner von einem Tagebucheintrag!

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Andererseits schrieb Tolstoi auch über Partys und Liebe und sinnlose Pferdekäufe und nicht über den österreichischen Nationalratswahlkampf. Das macht unsere Ausgangslage natürlich um einiges schwieriger. Weil wir aber überzeugt sind, dass ihr im Wahlkampf die Erheiterung viel dringender nötig habt als Tolstoi, wenn er Jahre später seine besoffenen Notizen durchgeblättert hat, versuchen wir trotzdem unser Bestes und schreiben jeden Tag bis zur Wahl am 15. Oktober für euch auf, was sich politisch in unsrem Land und in unsren Köpfen tut.


03. 10. 2017

Liebes Tagebuch,
wir nähern uns dem Wahltag wie Heinz-Christian Strache sich einem Ibiza-Urlaub – also mit schnellen Schritten und einem delirierenden Funkeln in den Augen, aus lauter Vorfreude darauf, endlich am anderen Ende der Reise anzukommen. Bis dahin stehen uns trotzdem noch ein paar TV-Duelle, Silberstein-Debatten und Dirty-Campaigning-Anschuldigungen bevor. Umso dankbarer bin ich über jede Auflockerung an der Wahlkampffront. Und was die FPÖ Sierning gestern konnte, schafft der 72-jähriger Zauberkünstler Magic Christian™® aus Mauthausen schon lange.

In einer bezahlten Aussendung von heute Morgen wirft Magic Christian™® wortwörtlich "Missbrauch vom Künstlername Magic Christian in Verbindung mit Christian Kern" vor – wem genau, wird allerdings nicht ganz klar. Magic Christian™® kritisiert jedenfalls, dass seine hohe Zauberkunst mit den "faulen Tricks" eines Christian Kern in Zusammenhang gebracht werden. Das ist würdig und recht. Unklar ist nur, ob Magic Christian™® damit Christian Kern selbst oder die Berichterstattung über Christian Kern in den Medien meint – also ob er sagen will: "Hört auf, meinen Namen und den von Christian Kern in den Dreck zu ziehen." oder doch eher: "Der andere Christian ist bitte nicht so Magic wie ich!"

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Jetzt werdet ihr vermutlich denken, dass diese gefinkelte Mehrdeutigkeit auch mit seinem Zauberberuf zu tun haben könnte – und das könnte sie wirklich, wenn Magic Christian™® nicht ansonsten ziemlich gerne sehr ausführlich über alles reden würde; wie zum Beispiel in diesem 53-minütigen Interview-Monolog mit der Stadt Wien. Was ich aber nach dem Durchskippen des Videos viel eher vermute, ist dass Magic Christian™® mit den Händen besser ist als mit Worten. Das legt zumindest der Teil nahe, in dem Magic Christian™® die Verführung durch Magier zuerst mit den alten Sumerern und dann mit der Verführung durch Politiker und die Nazis vergleicht und man am Ende nicht mal mehr weiß, in welcher Hand er jetzt seinen Verstand versteckt hat.

Aber die eigentliche Ironie der Geschichte liegt, wie das bei Zaubertricks so üblich ist, ganz woanders: In bester Face- und Handpalm-Manier verschweigt Magic Christian™® uns in seiner Aussendung, was "Magic Christian" auch ist: nämlich der Titel eines Romans von Terry Southern aus 1959 und eines gleichnamigen Films mit Peter Sellers und Ringo Starr aus dem Jahr 1969. Dabei wäre Magic Christian™®, der eigentlcih Christian Stenzel heißt, als Jahrgang 1945 durchaus alt genug, um beides zu kennen. Wie auch immer – meines Wissens hat bisher keiner der Urheber von Magic Christian eine Beschwerdemitteilung gegen Magic Christian™® veröffentlicht. Terry Southern ist außerdem schon seit 1995 verstorben. Ringo Starr würde allerdings noch leben. Nur, falls ihm jemand Bescheid sagen will.

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02. 10. 2017

Der zweite Mann von rechts liest noch schnell seinen Text fertig ("Weil Österreich die zügellose Zuwanderung … satt hat") | Screenshot via Facebook

Liebes Tagebuch,
nach diesem Wochenende haben wir ein bisschen Auflockerung dringend nötig. Zum einen, weil Tal Silberstein und sein angeblich 12-köpfiges Team (von dem Sebastian Kurz als einziger etwas gewusst zu haben scheint) eine Silberspur des Grauens durch die SPÖ gezogen hat. Und zum anderen, weil eben Wochenende war und niemand mit ein bisschen Anstand und Gespür für Psychohygiene unbeschadet in der neuen Woche angekommen ist (ich sage nur: Vermummungsverbot, katalanisches Referendum und Dirty Campaigning).

Und wie immer ist für gute Stimmung natürlich Verlass auf die Gemeindeparteien. Das gilt bei jedem Bierzelt-Megaevent genauso wie (und sogar ganz besonders) bei Facebook-Videos in der Wahlkampfzeit. Womit wir bei der FPÖ Sierning wären.

Hier kurz zusammengefasst, was wir unter Begleitung der Klänge aus "Immer wieder Österreich!" von der John-Otti-Band sehen:

- Kamerafahrt von links nach rechts (get it?) durch die leere Landschaft (Sierning?)
- Es ist wirklich eine sehr, sehr leere Landschaft
- Das Wetter ist auch nicht gut
- Ich verliere langsam den Lebenswillen
- Die Kamera fährt manchmal ein bisschen schneller, als würde sie am rechten Rand jemanden oder etwas erwarten (GET IT??)
- Überblendung vom Feldweg zum selben Feldweg, nur ein bisschen später
- Auftritt der FPÖ Sierning in Gestalt eines Elektro-Scooter-Fahrers mit Österreich-Flagge
- Hinter ihm fährt jemand auf einem Rad und zieht ein Strache-Plakat nach
- Die Landschaft ist jetzt nicht mehr leer, sondern am Wegesrand gesäumt von anderen FPÖlern mit genau denselben Strache-Plakaten
- Zoom-in, dann harter Schnitt zur Bezirkspartei von Sierning; einer liest noch seinen Text vom Schummelzettel ab, eine andere verspricht sich ("Weil Kurz einfach … kurz gesagt, Strache mein Favorit ist!")
- Mein Lebenswille packt alles für eine Überfahrt nach Amerika
- Die aufgestellte Mannschaft aus 14 sichtbaren Personen (und einer verdeckten) hebt teilweise die Daumen (einige davon mit der gut erkennbaren Regieanweisung "Mach DYNAMISCH")
- Überblendung zu einer digitalen wehenden Österreich-Flagge und dem Claim: "Auf Nummer sicher wählen!"

Vorhang. Applaus.

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Die Facebook-Crowd (bis dato: 3 User) dankten es der FPÖ Sierning mit Kommentaren wie "Der Most entfaltet seine Wirkung" und "Warum verwenden Sie illegalerweise die Bundesdienstflagge? Gesetze werden überbewertet, oder wie sieht das die FPÖ?" – zumindest, bis die Kommentare von der deklarierten Meinungsfreiheits-Partei FPÖ wieder gelöscht wurden.

Noch schöner als die Machart, die an eine Mischung aus Die Tagespresse und Stromberg erinnert, ist aber eigentlich, dass die FPÖ Sierning mit ihrem "Wahl-Werbefilm" auch gleich die Frage beantwortet, wer eigentlich der faule, leicht dickliche Herr aus der anderen Fahrrad-Werbung der Freiheitlichen ist, der Österreich bremst:

Hier zum Vergleich:

Da liegen die Zeichen die längste Zeit direkt vor uns und dann braucht es trotzdem erst eine Bezirks-FPÖ, damit wir die Wahrheit erkennen. Schande über unseren Berufsstand. Alles Heil der FPÖ.


01. 10. 2017

Liebes Tagebuch,
heute hat Kanzler Kern auf die Vorwürfe zur Facebook-Kampagne gegen Kurz geantwortet. Er verspricht eine lückenlose Aufklärung. Wie gestern gesagt, weiß ich nicht, ob es uns wirklich beruhigen sollte, wenn das SPÖ-Team nichts von den Social-Media-Schmutzkampagnen in den eigenen Reihen wusste.

Andererseits ist das alles sowieso egal. Eine nichtrepräsentative Umfrage in meinem Freundeskreis hat ergeben, dass man am anderen Ende der Nachrichten ohnehin nur den Rücktritt von Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler mitbekommen hat (der am 2. September noch forderte: "Kurz-VP muss Sudelkampagne sofort einstellen!"). Von einer Facebook-Seite oder einer Schmutzkampagne wusste keiner irgendwas. Aber was will man auch von einer Page erwarten, die trotz 500.000 Euro Budget nur 16.000 Fans hatte

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30. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
kannst du dich noch erinnern, als die Freiheitlichen rechts waren? Zur Erinnerung: Das waren die mit dem älteren Kurz als Parteiobmann und dem etwas dunkleren Blau als Parteifarbe. Es waren glorreiche, einfache Zeiten, in denen man immer wusste, auf wen man mit dem nackten Finger zeigen konnte und auf welcher Seite des Fingers man dabei stehen musste. Zeiten, in denen wir wir und die die waren – und "wir" noch gerne in die Filterblasen-Kathedralen für die Social-Media-Messen zur Selbstbeweihräucherung gepilgert sind.

Heute ist das alles vorbei. Das Schlaraffenland ist verwüstet, der Ponyhof hat zugesperrt, die Kinderjause ist beendet. Die FPÖ ist zwar nicht weniger rechtsextrem geworden, aber andere haben sich in ihr Gravitationsfeld begeben und das ganze verdammte innenpolitische Sonnensystem mit nach rechts gezogen.

Das ist soweit nicht neu. Dass die ÖVP unter Kurz die FPÖ unter Strache längst rechts überholt, wenn es um Flüchtlingsfragen geht, und Kurz wie ein junger Strache bei jeder TV-Debatte nach dem kürzesten Weg zum Asylthema sucht, ist inzwischen wohl auch schon bei jenen angekommen, die einen Soft-Spot für fesche, frisierte Figuren wie Sebastian Kurz oder Hansi Hinterseer haben.

Drum war bis vor kurzem auch klar: Wenn irgendwo im Internet eine Kampagne mit der Botschaft "Kurz ist das neue Rechts!" oder "Ja, aber Strache war es schon vorher!" auftaucht, dann ist sie mit ziemlicher Sicherheit entweder von Kurz oder von Strache. Aber nur, weil wir schon zwei rechte Großparteien haben, die sich um den Thron der Menschenverachtung battlen, heißt das noch lange nicht, dass nicht die dritte Großpartei auch ein bisschen beim Hate-Game-of-Thrones mitmischen will.

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Screenshot via Die Presse

Auftritt: SPÖ. Oder genauer: Tal Silberstein. Der ehemalige SPÖ-Berater, der am 14. August von der israelischen Polizei wegen des Verdachts auf Geldwäsche in Milliardenhöhe verhaftet wurde, soll hinter der Facebook-Seite "Die Wahrheit über Sebastian Kurz" stehen, wie profil berichtet. Die inzwischen offline genommene Page postete regelmäßig wilde Verschwörungstheorien über Kurz' Verstrickungen in dubiose politische Netzwerke und framte ihn als flipfloppenden Islam-Versteher.

Dass ausgerechnet ein israelischer Politikberater eine antisemitische Kampagne für die sozialdemokratische Partei aufgezogen haben soll, wäre unter anderen Umständen wahrscheinlich ganz witzig. Zum Beispiel, wenn es sich dabei um einen dystopischen Roman von Michel Houellebecq und nicht die Realität von 2017 handeln würde.

Wenn die Vorwürfe stimmen, ist entweder Tal Silberstein ein Renegade, den die SPÖ nicht im Griff hatte, oder die SPÖ ein Scheißverein, der Tal Silberstein damit durchkommen ließ.

Aber wenn die Vorwürfe stimmen, ist entweder Tal Silberstein ein Renegade, den die SPÖ nicht im Griff hatte, oder die SPÖ ein Scheißverein, der Tal Silberstein damit durchkommen ließ. Beides ist gruselig; das eine aus Unfähigkeit, das andere aus Überzeugung. Und angesichts der noch viel schlimmeren Alternativen bei dieser Wahl fällt es schwer, sich eins von beidem einzugestehen.

Die SPÖ könnte sich das jedenfalls zum Anlass nehmen, um kurz über sich nachzudenken. Viel Zeit bleibt nicht mehr. Aber alles ist besser als die Aussicht darauf, dass wir uns in ein paar Jahren fragen: "Kannst du dich noch erinnern, als nur die FPÖ, ÖVP und SPÖ rechts waren? Das waren noch Zeiten!"

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29. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
es ist Freitagabend und damit alles ein bisschen egal. Menschen gehen nachhause, rempeln auf dem Weg Kinder an und zertreten die Gratiszeitungen, die sie vor zirka 10 Stunden noch religiös durchgeblättert haben. Ich habe keine Ahnung, ob die Zeit im Bild am Freitagabend niedrigere Einschaltquoten als die an den restlichen Tagen hat, aber ich würde darauf wetten.

Insofern müsste sich auch wirklich niemand die Mühe machen, an diesem strategisch ungünstigen Datum (oder in diesem strategisch ungünstigen Jahr, wenn wir schon dabei sind) noch mit Fakten zu argumentieren. Trotzdem ist es spannend, was Ulrike Lunacek im ORF-Duell mit Sebastian Kurz aufgezeigt hat.

Die Grünen-Chefin konfrontierte den sichtlich angespannten ÖVP-Boss mit der Behauptung "Österreich liegt im europäischen Spitzenfeld", was die Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit in Europa angeht. Bis heute Mittag war die Grafik auch mit dem Claim auf der Website online, wie ein Blick ins Internet-Archiv zeigt. Interessanterweise verwies die offizielle ÖVP-Seite sogar auf die Originalquelle der OECD – wo Österreich aber nicht auf dem 4., sondern auf dem 12. Platz liegt.

Die Kurz-Partei streicht also einfach die Top 8 Länder aus einer OECD-Statistik, damit Österreich vorrückt und wir beruhigt weiter "Wia tan bitte eh gnuag, wos woin de no olles von uns?" wutbürgern – und hat dabei offenbar ein so großes Grundvertrauen in die Medien-Inkompetenz ihrer Wähler, dass sie sogar ungeniert auf die Quelle verlinkt.

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Und das völlig zurecht. Die Wurschtigkeit der Freitagsmeschen in Kombination mit Journalisten, die in ihrem TV-Tagebuch zur Wahl über so ziemlich alles schreiben und die "schiefe Ebene" in Richtung der Grünen kritisieren, aber kein Wort über die manipulierte Statistik verlieren (ich will hier keine Namen oder Medien nennen, aber Oliver Pink und Die Presse), braucht sich der Volkspartei-Führer wirklich vor nichts mehr fürchten.

Dass Kurz zumindest ein kompliziertes Verhältnis zu Zahlen und Fakten hat, zeigte im Juli 2017 ein geleaktes Word-Dokument zur Islam-Kindergärten-Studie. Auch, wenn Kurz selbst alle Vorwürfe bestreitet und sich in bester Führungsmanier an seinen Beamten abputzte, wurden die Ergebnisse zumindest dezent an das gewünschte Outcome angepasst, wie der Falter berichtete: "Islamische Werte" blieb stehen, die Auflistung "wie Respekt, Gelassenheit, Individualität des Kindes, Hygiene" und so weiter wurden gestrichen.

Aber auch das ist natürlich egal. Weil Freitagabend ist und ich gleich mit John Waters essen gehe. Ich hoffe, ich hau auf dem Weg nicht zu viele Kinder um.


28. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
in Also sprach Zarathustra schreibt Friedrich Nietzsche sinngemäß: Ich habe so viele Meinungen, dass man mich nicht auch noch nach den Gründen dafür fragen kann (hier der genaue Wortlaut). Keine Ahnung, warum mir das gerade jetzt einfällt, aber es wird wohl irgendwas mit dem Auftritt von Sebastian Kurz beim 5. Familienfest der Islamischen Föderation Wien im Jahr 2013 zu tun haben, der gestern wieder in meiner Timeline hochgespült wurde.

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Damals lobte Kurz nämlich noch die Vielfalt von Österreich und insbesondere Wien. Ja, derselbe Sebastian "Ich bin kein Rassist, ich mag nur wirklich hart gewinnen" Kurz, der heute die Inselkonzentrationslager von Australien lobt und einen "Arbeitsdienst für Asylwerber" fordert. Und weil man so unfassbar absurde Sachen – genau wie bei sehr großen Zahlen – einfach in Worten vor sich braucht, um sie wirklich zu verstehen, hier ein kleines Transkript seiner Dankesworte, die auf seine Begrüßung ("Schön, dass ich dabei sein darf!") folgten:

"Österreich ist mittlerweile ein vielfältiges Land, Wien ist eine vielfältige Stadt geworden. Und da ist es glaube ich wichtig, diese Vielfalt auch als Chance zu sehen – nicht immer nur an Probleme zu denken, sondern vor allem auch daran zu denken, wie sehr uns diese Vielfalt eigentlich bereichern kann."

In Bezug auf die Spenden und den Zusammenhalt der Community meinte er abschließend noch: "Da darf ich als Mitglied der Bundesregierung auch sagen: Ich bin sehr stolz, dass das in Wien passiert und dass das in Wien von Ihnen geleistet wird." Nietzsche hätte seine Freude.


27. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
dass Ulrike Lunacek schwimmen kann, haben sich zwar die meisten von uns gedacht, aber gesehen haben es trotzdem nur 1.500 Leute. Zumindest auf YouTube und bis zum Zeitpunkt, in dem ich diese Zeilen schreibe. Dabei ist das Wahlkampf-Video der Grünen jetzt schon ganze 5 Tage online und lockt nicht nur im Universum-Stil mit wilden Tieren und einer fitten Spitzenkandidatin, sondern auch mit einer Sprecherstimme, die bestimmt nur ganz zufällig klingt wie Alexander Van der Bellen.

Obwohl ein bisschen bewusster Retro-Touch in diesem Wahlkampf sicher nicht verkehrt wäre. Jetzt wo auch Schwarzblau wieder vor der Tür steht und eine Regierungspartei mit Opposition droht, wenn sie verlieren sollte. Die KurzVP probiert es sogar mit noch mehr Retro-Flair:

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Nachdem ihr Führer Sebastian "Team Kurz" Kurz schon letztes Jahr einen gewissen Faible für faschistoide Positionen gezeigt hat, indem er Australien für seine Einwanderungspolitik lobte (zur Erinnerung: Australien, das sind die mit den Inselkonzentrationslagern), legt er jetzt nach – und will (nicht ganz) neuerdings "null Zuwanderung" in Kombination mit einem "Arbeitsdienst für Asylwerber", wie Der Standard heute berichtet.

Screenshot via ÖVP.at

Auch für Medien hat sich Sebastian "Ein neuer Stil" Kurz etwas überlegt: Seine Pläne zur ORF-Reform kann man mittlerweile, ganze zwei Wochen vor der Wahl, endlich auch offiziell nachlesen – unter dem Punkt "Ordnung und Sicherheit" in seinem Wahlprogramm.

Manche vorlauten Nestbeschmutzer fragen sich jetzt bestimmt, was das alles soll. Aber nicht ich. Habt ihr denn gar nichts aus dem ÖVP-Wahlkampf gelernt? Kurz wird euch sagen, was Sache ist, sobald ihr ihn gewählt habt. Also bald genug. Dann wissen wir auch endlich, ob die Kurz'sche Asylpolitik weiterhin als "rechts" oder eben schon als "retro" gilt. Obwohl das ganze Recycling von Jahrzehnte altem Rechtsmief ja fast schon wieder vintage ist. Jedenfalls bleibt die Antwort abzuwarten. Genau wie jene auf die Frage, ob der Masterplan die Fusion von ÖVP und FPÖ unter der Parteifarbe "Durchsichtig" ist. Ich werde bis dahin längst als Hofschreiber im Kurz-Bunker arbeiten. Macht's gut, ihr Idioten!


26. 09. 2017

Hintergrundfoto: Sherry's Rose Cottage | Flickr | CC BY 2.0, Kurz-Porträt: Dragan Tatic | Wikimedia | CC BY 2.0, Collage von VICE Media

Liebes Tagebuch,
das Wichtigste an der Politik ist ja, nahe an den Menschen zu sein. Die Frage ist nur, wie nahe und an welchen Menschen – immerhin sollte man bei dem ganzen Hineinversetzen nicht auf die eigene Haltung vergessen. Das bedeutet für manche Parteien zum Beispiel, die ein bis zwei Prozent an hartgekochten Kellernazis vor den Kopf zu stoßen, und für andere, genau das Gegenteil zu tun.

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Screenshot via Twitter

Im Fall der Konservativen, Christlich-Sozialen und Neoliberalen heißt es aber auch, den Unternehmern und Großverdienern und ihren hauptberuflichen Söhnen und Töchtern eine Politik zu geben, mit der sie "relaten" und "resonaten" können. Entsprechend hat die KurzVP Montagnacht via Twitter klargemacht, wie ihr Konzept gegen Armut aussieht: und zwar, indem man sich halt einfach Eigentum anschafft.

Screenshot via Twitter

Und damit sind die Kurz'schen nicht alleine: Auch die NEOS haben vor ein paar Tagen in einem Angriff auf die SPÖ die typische Wiener Studentin als jemanden charakterisiert, der am Juridicum studiert und im Ersten Bezirk lebt. (Warum sie trotzdem auf einem Schemel sitzt, geht aus dem Scherenschnitt nicht hervor – aber die logischste Erklärung scheint mir, dass sie nicht zuhause abgebildet ist, sondern den Schemel auf der Uni mit hat, wo normale Menschen auf dem Boden sitzen.)

Ein bisschen erinnert das Ganze natürlich an das berühmte Zitat von Marie Antoinette: "Wenn sie kein Brot haben, sollen sie doch Kuchen essen." Dass Marie Antoinette das ziemlich sicher nie gesagt hat, ist eigentlich genauso egal, wie der Umstand, dass Studenten nicht im Ersten Bezirk wohnen und Menschen, die von Armut betroffen sind, in der Regel nicht Kaufverträge wie Autogrammkarten unterschreiben. Man kann aber sowieso auch auf ein moderneres Beispiel ausweichen und statt Marie Antoinette einfach Mr. Peanut Butter aus BoJack Horseman paraphrasieren: Kein Zuhause zu haben ist doch eigentlich ziemlich toll, solange es bequeme Hotels gibt. Auch das ist Realpolitik – wenn deine Realität der Meinl am Graben ist.

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25. 09. 2017

Screenshot via Michael Niavaranis Facebook-Seite

Liebes Tagebuch,
weil wir gestern gerade bei Zufällen waren: Es ist ziemlich erstaunlich, wie oft in letzter Zeit jemand zufällig den Kanzler trifft. Zuerst Michael Niavarani, dann ein paar SPÖ-Wahlkampfhelfer, und immer begleitet von Social-Posts, die die Lässigkeit und Spontaneität des Kanzlers unterstreichen.

Jetzt ist es natürlich so, dass echte Zufälle weniger wie solche wirken, wenn sie im Internet alle untereinander gesammelt aufscheinen. Eh. Und ich will auch keine Verschwörungstheorie aus etwas stricken, das sich vielleicht ohne Verschwörungstheorie genauso gut erklären lässt (weil bekanntlich die einfachere Erklärung unter Berücksichtigung aller Fakten oft die richtigere ist und so).

Aber wenn unser Bundeskanzler "zufällig" von Michael Niavarani, der ihm herrschaftlich huldigt, auf der Straße angetroffen wird (völlig überraschenderweise vor dem Bundeskanzleramt), unser Bundeskanzler natürlich sofort auswendig weiß, was Michael Niavarani über ihn gepostet hat und unser Bundeskanzler selbstverständlich kein Problem damit hat, wenn das Ganze sofort auf Facebook Live landet (weil sich Christian Kern bekanntermaßen sehr einfach damit tut, die Kontrolle abzugeben), dann fühlt sich diese ganze Authentizitäts-Inszenierung doch ein bisschen ein bisschen fake an – oder sagen wir zumindest: genauso echt spontan wie ein Catfight in Der Bachelor.

Nicht, dass es verwunderlich oder verwerflich wäre, wenn Politiker Fakes produzieren. Man nennt es normalerweise Wahl-Werbung und die ist völlig legitim. Zumindest, solange sie als das ausgewiesen wird, was sie eben ist. Und solange man nicht gleichzeitig auf Biegen und Brechen auf seine eigene Unverbiegbarkeit und ungebrochene Authentizität hinweist.

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Aber am Schönsten und Selbstentlarvendsten sagen es ironischerweise Kern und Niavarani selbst in ihrem total improvisierten Facebook-Live-Stück:

Niavarani: "Das war wirklich ein zufälliges Treffen, oder?"
Kern: (Pause) "Sie haben mich nachdenklich gemacht."


24. 09. 2017

Screenshot via Twitter

Liebes Tagebuch,
mit dem Zufall ist das so eine Sache. Natürlich kann jemand von einer bestimmten Partei zufällig jemand anders von derselben Partei auf der Straße treffen und total ungeplant zu Parteithemen befragen. Wie zufällig das Ganze wirklich war, muss man sich dann aber trotzdem als Frage gefallen lassen. Obwohl man genauso zugeben muss, dass es zumindest transparenter ist, wenn jemand einen Kurz-Button am Revers trägt, als wenn sich jemand ohne SPÖ-Button eine Pizza vom Kanzler liefern lässt. So oder so bleibt in beiden Fällen offen, wie sinnvoll es ist, die eigenen Fanboys für O-Töne vor die Kamera zu karren. Aber vielleicht gibt es ja auch einen Masterplan. Oder wie Friedrich Nietzsche schreibt: "Kein Sieger glaubt an den Zufall."


23. 09. 2017

Screenshot via Twitter

Liebes Tagebuch,
2014 habe ich den Kongress der Zeugen Jehovas im Wiener Ernst-Happel-Stadion besucht und ein kleines Video darüber gemacht. Darin sieht man unter anderem euphorische Massentaufen, fanatisch eingeschworene Gläubige mit gleichgeschalteten Antworten und einen Pressesprecher, der seltsam exakte Vorstellungen davon hat, wie lange die Gästeliste im Himmel ist.

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Keine Ahnung, warum mir das gerade alles einfällt. Wie heißt es im Nachspann von Filmen immer? Jede Ähnlichkeit mit lebenden Personen ist rein zufällig. Nicht, dass das hier ein Spielfilm wäre (oder ich jedem ÖVPler das Attribut "Person" zuschreiben würde), aber ihr wisst, was ich meine. Ansonsten gibt es zum Monsterkongress der Kurz-Jünger nicht besonders viel zu sagen, das nicht schon Sebastian Huber auf Facebook ventiliert hätte. Außer vielleicht: Warum musste Manfred Juraczka eigentlich so weit hinten sitzen? Und das, obwohl er doch so sehr brav und blutleckend wahlkämpft?


22. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute mache ich mal Pause. Das bin ich dir und meiner Psychohygiene schuldig. Außerdem ist es ein langsamer Tag in der Wahlkampf-Welt und ein noch langsamerer abseits davon. Das könnte daran liegen, dass sich alle im Brace-Yourself-Modus vor der deutschen Bundestagswahl am Sonntag befinden – oder daran, dass ich in Marseille am Strand unterwegs bin. Wir werden es wohl nie erfahren.


21. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
Handzeichen sind in der Politik eine komplizierte Sache. Vor allem bei uns in Österreich sind die Grenzen zwischen Hitlergruß, Kühnegruß und drei Bier bestellen manchmal fließend. Das neueste Beispiel liefert ein Foto aus dem Flickr-Archiv der ÖVP, das inzwischen von genau dort wieder verschwunden ist und Sebastian "Team/Kanzler" Kurz in trauter Umarmung von vier Grinsemännern zeigt, von denen drei die Finger so halten, dass man darin einen Wolfsgruß erkennen könnte. Also: auch. Aber: nicht nur. Weil: es wie immer nicht so einfach ist mit den Handzeichen.

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Das Symbol steht nämlich einerseits für den Gruß der faschistischen Grauen Wölfe, aber andererseits auch für den sogenannten "Leisefuchs", den Pädagogen verwenden, um größere Gruppen zum Schweigen zu bringen. Ob sie damit seit den 1950ern viel Erfolg haben, weiß ich nicht. Aber irgendwie passt auch diese zweite Bedeutung gar nicht so schlecht zu Kurz. Eine dritte wäre übrigens der "Wolf Head"-Gruß einer eingeschworenen Bro-Gruppierung aus der Wrestling-Welt der Jahrtausendwende. Auch hier gilt: Sowohl zeitgeschichtlich, als auch bro-technisch würde sich eine gewisse Deckungsgleiche mit der ÖVP ergeben.

Viel komischer als der Gruß selbst, an dem Sebastian Kurz nicht mal beteiligt war, ist aber sowieso, dass sein flippig-modernes Leader-Team das dazugehörige Foto wie gesagt inzwischen gelöscht hat. Und das, obwohl Menschen außerhalb der ÖVP seit ein, zwei Jahrzehnten wissen, dass man Dinge, die auch andere Leute schon im Internet gepostet haben, sowieso nicht durch das Löschen der Originalquelle aus der Welt zu bekommen sind. Aber ja, man muss als Partei im Wahlkampf natürlich nicht logisch handeln. Das kostet einen nur Stimmen.


20. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
dieser Wahlkampf erinnert mich langsam an ein frühes Semester in meinem Studium, das ich ausschließlich damit verbracht habe, ein einziges Videospiel zu spielen – und davon nur die Demo-Version, in endloser Wiederholung. Es war WWE Raw für den PC und man konnte nur genau zwei Wrestler auswählen. Ich habe trotzdem tagelange Turniere mit ihnen gespielt, dabei die Augen zusammengekniffen und mir vorgestellt, sie wären jemand anders.

Genau das ist es, was seit einigen Wochen in den endlosen TV-Debatten um uns herum passiert. Insgesamt wird es 41 geben. Der Unterschied ist nur, dass uns das Ergebnis länger als ein Semester verfolgen wird und das ganze Augen-Zusammenkneifen der Welt nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass auch wir nur die Demo-Version einer erwachsenen Demokratie mit einer entsprechenden Diskussions- und Debattenkultur spielen. Ich wünschte, Kern und Kurz und Strache wären tatsächlich Wrestler, dann wäre der Wahlkampf zumindest unterhaltsamer (nur bitte ohne den Trump-Turn am Ende, bitte, danke).

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Einen seltenen Blick in diese Parallelwelt gewährte ein TV-Moment zwischen Bundeskanzler Kern und NEOS-Chef Matthias Strolz, bei dem der erste einen Smacktalk vom Feinsten hinlegt und der zweite sich in einem Staredown versucht, das zwar verbal endet mit: "Das war jetzt nicht das Thema", aber eigentlich bedeutet: "Waunst nu a Wuat sogst, Gschissena."


19. 09. 2017

Screenshot via Facebook

Liebes Tagebuch,
Sebastian "Liste" Kurz macht einen Kern und zeigt sich in seinem neuen Videoclip als etwas, das einem Menschen zum Verwechseln ähnlich sieht – inklusive O-Tönen von realen Personen, einem Fahrrad-Ausflug mit dem Vater und viel Herumswipen am iPhone (natürlich nicht Tinder, Kurz ist ein Ehrenmann, wo denkt ihr hin).

Gut, ein paar "Glitches" gibt es dann doch noch im Kurz-Programm (haha – apropos: Gibt es eigentlich schon das ganze Pro … ach, egal): Zum Beispiel wirkt das Auf-und-ab-Gehen in der Scheune noch ein bisschen unnatürlich und man neigt beim Schauen dazu, abzuschweifen und sich zu fragen, warum der Außenminister dauernd auf den Boden schaut wie ein Schulbub, der mit der Sneaker-Spitze im Staub Muster malt, während er von der Lehrerin geschimpft wird. Aber dafür packt Sebastian "Team" Kurz gleich zu Beginn seine besten NLP-Tricks aus und lässt einen einfachen Satz über seine Jugend am Bauernhof so klingen, als würde er gerade vor laufenden Kameras eine Affäre mit Monika Lewinsky gestehen, wenn er sagt: "Ich erinnere mich – das muss ich zugeben – extrem gern an meine Kindheit zurück."

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Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Für mich steht da schon ohne Zweifel fest: Sebastian "Es ist Zeit" Kurz ist ein integerer, treuer, verlässlicher und authentischer Mensch, der sich in Backstage-Bereichen und gegenüber fremden Frauen ganz genauso aufführt wie vor der Kamera. Oder wie es ein Kommentator unter dem offiziellen Videopost auf Facebook auf den Punkt bringt: "Radlfahrn ist auch meine Passion, darum alles Gute Sebastian Kurz."


18. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
am Wochenende war neben der großen Kern-Kurz-Strache-Diskussion auch noch die Mini-Runde der Kleinparteien, über die aber Philipp Wilhelmer im Kurier schon alles gesagt hat – abgesehen vielleicht davon, dass Düringer dort eigentlich nichts verloren hätte, weil er gar nicht Spitzenkandidat ist, was er schon eingangs mit einem total lustigen Witz bestätigte, als er das von Peter Pilz mitgebrachte ausgedruckte ORF-Gesetz mit den Worten kommentierte: "Ich hab glaubt, das ist der Koran, was da liegt" (weil der Koran wahrscheinlich das einzig dicke Buch ist, das Düringer auf die Schnelle eingefallen ist und natürlich das Strafgesetzbuch und die Bibel und Ulysses nicht zählen, ähem).

Viel dringender scheint uns aber sowieso die Frage, was eigentlich mit Kurz-Testimonial und Tor-zur-Hölle-Verwalter Peter L. (wie Leere-hinter-der-Türe) Eppinger passiert ist. Gerade noch Gesicht der Bewegung, jetzt bestenfalls in ihrem Arsch verschwunden, ist der ehemalige Ö3-Mann seit seiner Tür-Aktion beim Parteitag in Linz nicht mehr wirklich vor iPhone-Kameras getreten oder in Facebook-Live-Videos gesichtet worden. Wurde seine Werberolle endgültig eingespart und durch krone.at-Chefredakteur Richard Schmitt ersetzt? Haben seine gelöschten Pro-Refugee-Tweets aus der Vergangenheit Eppinger doch eingeholt und den Job als Aushängeschild gekostet? Oder ist er selbst durch die Tür gegangen und durchlebt jetzt für uns Sünder sämtliche Höllenkreise der ÖVP, also das multikulturelle Wien des Jahres 2015? Sachdienliche Hinweise bitte per Mail an uns.

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17. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
kurz vergessen, dass es Peter Pilz gibt – so wie Peter Pilz kurz vergessen hat, dass es sein Anti-Asyl-Papier gibt, in dem so tolle Zwei-Wort-Sager stehen wie "Österreich zuerst" und "Europa voll", leider aber nicht "Pilz = toll" und "Wurscht, wähl", was seine ideologische Haltung noch besser und authentischer zusammenfassen würde. Ob Peter Pilz jetzt eigentlich rechts oder links ist, lässt sich am besten mit dem Sager eines guten Freundes beantworten, der auf die Frage "Bier oder Whisky?" gerne sagt: Es ist keine Entweder/Oder-Welt.


16. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
gestern sind zum ersten und einzigen Mal die drei Kanzler-Kandidaten in einer Diskussionsrunde aufeinander getroffen, die wenig Diskussion und auch keine Runde war, sondern ein Abklopfen von biografischen Anekdoten und Wahlkampf-Claims, was natürlich Sinn ergibt, weil die Konfrontation von den Bundesländerzeitungen ausgerichtet wurde (also Salzburger Nachrichten, Tiroler Tageszeitung, Kleine Zeitung, Oberösterreichische Nachrichten, Vorarlberger Nachrichten und aus irgendeinem Grund Die Presse).

Entsprechend hatte die Sendung ziemlich viel Bundesländerzeitung-Flair; mit einem Strache, der wieder oft "erläbän" sagen durfte und erzählte, wie er im Fußball "als rechter Flügelstürmer eingesetzt worden [ist], aber ich konnte auch von der linken Seite überraschen und Tore schießen"; mit einem Kurz, der Average-Joe-Anekdoten über einsame österreichische Schulkinder in Ausländer-Klassen aus dem präparierten Ärmel schüttelte; und mit einem Kern, der langsam zum biografischen Äquivalent von Gerhard Schröder mutiert und wieder mal seine Alleinerzieher-Origin-Story aufrollen musste, bevor er "Ich sehe das anderst" mit T sagte.

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Sonst war nicht viel, außer dass Heinz-Christian Strache Sebastian Kurz Soletti nannte, weil er in der Regierung bei allem "immer dabei" wäre, Sebastian Kurz Heinz-Christian Strache ermahnte, weil er sich ärgern würde, wenn jemand nicht seiner Meinung wäre, aber auch, wenn man es schon täte, und Christian Kern sowohl Sebastian Kurz als auch Heinz-Christian Strache schimpfte, weil sie ihre Eheprobleme in aller Öffentlichkeit austragen und nur über Integration reden würden.


15. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute war NEOS-Chef Matthias Strolz im Kindergarten – und im Gegensatz zu so ziemlich allem anderen, was Matthias Strolz tut oder sagt, war er das nicht im metaphorischen Sinn, sondern wortwörtlich, weil: "Das ist das Wichtigste, was wir haben. Das sagen wir doch immer als Eltern: 'Die Kinder … sind das Wichtigste …… was wir HA-ben?", wobei ihm wohl alle zustimmen würden, nur dass das leider nicht bedeutet, dass ihn deshalb auch alle wählen; vor allem nicht, wenn er im nächsten Satz sagt: "Am besten, wir hängen einen Link dazu", und das Video dann völlig ohne Link gepostet wird, weil es vielleicht doch nicht ganz so viel ausgearbeitetes Programm von den NEOS zum Thema gibt, wie ein sich auf den Kopf greifen lassender Strolz uns in die Handykamera erzählt – naja schade.


14. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
kaum eine Debatte ist so österreichisch wie die um die Anti-Terror-Mauer vor dem Kanzleramt, die sich in den letzten Tagen zu einem regelrechten Austro-Watergate-Skandal zugespitzt hat – zuerst haben sich alle über die Steuergelder aufgeregt (auch wenn 325.000 Euro so wenig ist, dass man es bei den Staatsausgaben mit der Lupe suchen muss), dann über die Ironie beschwert, eine Terror-Mauer in einer so sicheren Stadt wie Wien zu bauen (obwohl sich die Österreicher genauso schnell darüber aufregen würden, wenn man ihre "Wien darf nicht Chicago werden"-Sorgen zu wenig ernst nimmt) und am Ende darüber lustig gemacht, dass die Mauer jetzt doch nicht kommt, aber stattdessen ein paar Poller aufgestellt werden sollen, um Autos aufzuhalten (und über die bezeichnenderweise niemand weiß, ob es nun 15, 30, 40 oder 42 Pfeiler sind, die da aufgestellt werden sollen).


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13. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute von der Kurz-Clique, Ortsgruppe Graz und Umgebung, daran erinnert worden, dass die "Ehe zwischen MANN und FRAU" (in All-Caps) der "Humus der Gesellschaft" ist, was gleich mehrere Fragen aufwirft, zum Beispiel: Wäre es wirklich unser Untergang gewesen, wenn homosexuelle Persönlichkeiten der Weltgeschichte einander hätten heiraten dürfen (wie Alexander der Große, Hatschepsut, Alan Turing oder Oscar Wilde)?, oder auch: Wenn die Ehe so heilig ist, wie OK findet es die türkise ÖVP dann, dass sogar Stephen Hawking mehr Ehen hatte als er Finger bewegen kann (nämlich zwei)?, oder auch: Wenn Wikipedia Recht hat und Humus "die Gesamtheit der toten organischen Substanz eines Bodens" beschreibt, ist "Humus der Gesellschaft" dann nicht eine ziemlich akkurate Beschreibung der ÖVP?


12. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
durften gestern erneut erläbän, wie kompliziert Rechtsextremismus heute geworden ist – jetzt werfen die Freiheitlichen den Grünen im Puls4-Duell Ulrike Lunacek vs. Heinz-Christian Strache von allen Dingen ausgerechnet Antisemitismus vor, weil es den unter muslimischen Zuwanderern eben auch gebe und die Grünen davor die Augen verschlössen – ignorieren aber gleichzeitig die "Einzelfälle" in den eigenen "Neuen Juden"-Reihen und zeigen gleichzeitig in Tirol ihre eigene Toleranz, indem sie die Namen von Schulkindern mit Migrationshintergrund öffentlich machen, obwohl sie selber Povysil, Vilimsky und Belakowitsch heißen


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11. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
haben erst heute, nach unserem Tanja-Playner-Binge am Wochenende, gesehen, dass am gestrigen Sonntag der übermalte "Never Again"-Schriftzug am Flakturm im Wiener Augarten jetzt angebracht wurde – weil auch die zuständige Bezirksvorsteherin und eine Wiener Gemeinderätin gemeinsam mit Aktivisten denken, dass Erinnerung nicht ausgelöscht werden sollte, was ganz gut zum heutigen 11. September passt, von dem eine ganze Generation an Unter-18-Jährigen schon nicht mehr selbst mitbekommen hat, was hier im Jahr 2001 passiert ist.


10. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute hat Pop-Art-Artistin Tanja "Pop-Art" Playner, Artistin "bei Tanja Playner Pop Art artist" und laut eigenen Angaben bekannteste Pop-Artistin des Landes, sich doch wieder mit ihren FPÖ-Fans versöhnt und wir sind endgültig verwirrt – obwohl das vielleicht einfach Pop-Art ist, wovon wir als Banausen wenig verstehen, und es nur einmal mehr zeigt, dass FPÖ und ÖVtürkisP halt doch ein bisschen wie die Volksfront von Judäa und die judäische Volksfront sind.


09. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
die berühmte Pop-Art-Artistin Tanja "Pop-Art" Playner, die laut ihrer Facebook-Bio "Künstlerin bei Tanja Playner Pop Art artist" ist, hat heute zum vielleicht ersten Mal einen Politiker, der nicht Norbert Hofer oder Heinz-Christian Strache heißt, mit ihrer abfärbenden Anwesenheit geadelt – nämlich den allseits beliebten Anstands-Hünen und Party-Recken Sebastian Kurz, der seine ganze Stattlichkeit in den Schnappschuss legt und zur zweiten Hälfte des First-Popart-Artist-Couples des Landes avanciert; pop-artist haters gonna hate #popartartisttanjaplayner!


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08. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
nachdem wir die Plakate aller Parteien einer gründlichen und total seriösen Analyse unterzogen haben, wissen wir jetzt, dass die Grünen nicht mitdenken, die Roten nicht mehr lächeln können, die Schwarztürkisen nichts zu sagen haben, die NEOS nicht wirklich wen umwerben außer sich selbst, die Liste Pilz nicht blöd bei der Ressourcen-Planung ist und die Blauen nicht sehr viel Kontrolle darüber haben, wen sie auf ihr Fahrrad steigen lassen.


07. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute von der ÖVP endlich mit Frauenpolitik beschenkt worden – wenn auch nur genau vier Sätze lang – und in der begleitenden Illustration gelernt, dass sich Menschen mit XX-Chromosomenpaar durch Füllfeder, Babyflasche, Gurke, Lippenstift, iPad und Stöckelschuhen darstellen lassen.


06. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute den Selbsttest auf wahlkabine.at gemacht und nicht nur gelernt, was die Parteien eigentlich wirklich wollen, sondern auch, dass bei absolut jedem Menschen die KPÖ rauskommt – wenn man Twitter glauben darf, sogar bei Sebastian Kurz (und wenn es auf Twitter steht, ist es bekanntlich die Wahrheit).


05. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute hat ein SPÖ-Mitglied auf Kerns Stammtisch-Video reagiert und gemäß dem antiken Verständnis von Rhetorik als "die Kunst des angemessenen Redens" folgenden Leitsatz formuliert: "Gebt diesen reaktionären Scheißdreck weg, entschuldigt euch und schämt euch in Grund und Boden, dass sowas überhaupt durchgegangen ist!"


04. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute hat Sebastian Kurz beziehungsweise die Neue Volkspartei beziehungsweise die Liste Kurz beziehungsweise die ÖVP den ersten Teil seines/ihres Wahlprogramms an die Medien weitergeleitet – was ziemlich klug von ihnen ist, weil sie bisher so inhaltsleer waren, dass schon die bloße Existenz des Wahlprogramms genug Inhalt für eine Meldung ist, wie zum Beispiel beim ORF, der heute schreibt: "Wahlprogramm: ÖVP leitet ersten Teil an Medien weiter" und sehr viel mehr muss man dann eigentlich auch gar nicht mehr über die ÖVP sagen, außer vielleicht: Lorem ipsum.


03. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute breit angelegtes Staunen über SPÖ und ÖVP bei Im Zentrum, weil beide alles ändern und eine dynamische Bewegung für junge Menschen sein wollen, aber gleichzeitig beide Parteien seit 1945 nur 7 Jahre (SPÖ) beziehungsweise 17 Jahre (ÖVP) nicht selbst mitregiert haben.


02. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute Straches "Bitte wählt nicht den Kurz"-Wahlkampfauftakt in der Lugner City mitverfolgt und anschließend beim Swipen auf Tinder heute den Kanzler entdeckt – wenn auch nicht als User, sondern nur in der Form eines Wahlkampfspenden-Aufrufs –, woraufhin wir uns gefragt haben, wie oft wohl sexhungrige Millennials wirklich 10 Euro auspacken, um dem Regierungschef unter die Arme zu greifen, wenn sie eigentlich da sind, um andere Dinge auszupacken und noch mal ganz andere anzugreifen.


01. 09. 2017

Liebes Tagebuch,
heute biedert sich Christian Kern in einem neuen SPÖ-Werbevideo der FPÖ-Wählerschaft an, indem er sich an einen Stammtisch setzt und den rassistischen Ressentiments der "Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!"-Kundschaft freien Lauf lässt – anstatt zum Beispiel auf so sinnbefreite Sager wie "Wenn ich auf der Kärntner Straße, meinem Heiligtum, jemanden in Burka sehe, bekomme ich Angst; ich weiß ja nicht, ob da ein Mann oder eine Frau drinnen ist" sowas zu antworten wie: "Wenn Sie, gnädige Frau, auf der Kärntner Straße jemanden in einer Burka sehen, ist das erstens mit ziemlicher Sicherheit eine Frau, auch wenn sie ihr Geschlechtsteil nicht frei einsehbar trägt, und zweitens wahrscheinlich eine steinreiche Touristin aus den Emiraten, keine radikalisierten Ottakringerin … denkt denn niemand an die armen Juweliere???"

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