Lick Job

Ich habe im Netz einen Mann gefunden, der mich lecken wollte – ohne Gegenleistung

"Sag mal, wie machen wir das jetzt?" "Ich weiß nicht", antwortete er. "Du bist die Erste, die sich auf meine Anzeige gemeldet hat."
Muschi lecken: Eine Frau hält eine angeschnittene Orange zwischen den Beinen

Ich bin aufgeregt. Gleich wird es an der Tür klingeln und ein Mann wird sich die fünf Stockwerke bis zu meiner Wohnung hochkämpfen. Ich habe ihn noch nie zuvor gesehen – bis auf die Fotos, die er mir bei Whatsapp geschickt hat. Aber das zählt nicht, die könnten auch fake sein. Alles, was ich von ihm weiß, ist sein Vorname und wie alt er ist. Eine klassische Tinder-Situation, eigentlich. Nur dass wir uns nicht treffen, weil wir uns auf einer Online-Dating-App attraktiv fanden. Wir treffen uns, weil er mir die Muschi lecken will.

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Kennengelernt habe ich Tim, so nenne ich ihn jetzt mal, eigentlich heißt er anders, im Netz. Es war ein grauer Sonntagnachmittag und ich hatte nichts zu tun. Also tippte ich verschiedene Dinge in den Suchschlitz bei Google ein. Dinge, die mich erregen. "Muschi lecken" zum Beispiel. Eigentlich wollte ich Pornos finden, in denen das zu sehen ist. Findet man ja nicht so oft, weil weibliche Lust in Mainstreampornos nur selten wirklich eine Rolle spielt. Stattdessen fand ich eine Kontaktanzeige.

"Lecken OHNE Gegenleistung :)" stand in der Betreffzeile, die mir ins Auge fiel. Ein Mann, der auf Oralverkehr steht und sich mit Frauen treffen will, um sie glücklich zu machen. Klang gut, aber zu gut, um wahr zu sein. Ich wurde auch misstrauisch. Wirklich? Ohne Gegenleistung? Nur lecken und dann nach Hause gehen?

Meine Skepsis hatte einen Grund: Neben vielen positiven Erfahrungen war ich auch schon mit einer ganzen Reihe von Männern im Bett, für die Cunnilingus grundsätzlich nicht zum Repertoire gehört. Die Erklärungen und Ausreden glichen sich:

"Das mache ich nicht."

"Ich mag das nicht."

"Nee, das ist immer so nass da unten."

"Nö, kein Bock."

"Och, ich bin zu faul."

"Das ist nicht sexy, dass du danach fragst."

Und mein Lieblingssatz:

"Irgendwie verirre ich mich da unter immer, also lasse ich's."

Das weibliche Geschlechtsorgan, ein kompliziertes Labyrinth, in dem man verhungert oder verdurstet, weil man den Ausgang nicht findet. Klar. Penisse hingegen finden ihr Ziel zwischen meinen Beinen irgendwie immer ganz leicht.

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Es hilft auch nicht, dass heterosexuelle Mainstream-Pornos zwar die Penetration aller möglichen weiblichen Körperöffnungen zeigen, aber in den seltensten Fällen Oralverkehr an der Frau, außer, sie werden von Frauen gemacht.

Natürlich sind sexuelle Handlungen etwas, das nur stattfinden sollte, wenn alle Beteiligten einverstanden sind. Niemand muss etwas tun, was er oder sie nicht will. Das steht außer Frage und gilt selbstverständlich auch für Männer. Trotzdem kann ich nicht umhin, in der von mir über mehrere Jahre erlebten, gehäuft auftretenden, männlich bedingten Oralsex-Verweigerung auch eine gehörige Portion Ignoranz und Machismus zu sehen. Es hilft auch nicht, dass heterosexuelle Mainstream-Pornos zwar die Penetration aller möglichen weiblichen Körperöffnungen zeigen, aber in den seltensten Fällen Oralverkehr an der Frau, außer, sie werden von Frauen gemacht. Kein Wunder, dass einige Männer nach wie vor denken, Cunnilingus sei eine Art Kink, mit dem sie sich nicht beschäftigen müssen.

Ich starrte auf die Anzeige und fühlte mich, als hätte ich ein Einhorn gefunden. Es verunsicherte mich, dass er keine Gegenleistung forderte, aber ich verunsicherte mich auch selbst. Was wenn er mich nicht attraktiv findet? Wenn das nur ein Scherz ist? Ich antwortete ihm, stellte mich kurz vor und schrieb, dass ich so was zwar noch nie gemacht hatte, es aber sehr gerne mal versuchen wollen würde – und war von der Offenheit seiner Antwort so gerührt, wie erstaunt. "Freut mich sehr, dass du schreibst", stand in seiner Mail. "Es gibt leider nicht viele Frauen, die darauf stehen. Oder ich habe einfach nur Pech. Ich bin 30, 1,81 groß, 75 kg, sportlich und gepflegt. Könntest du dir vorstellen, dass du dich entspannst und ich es bei dir tue?"

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Wie jetzt – er findet keine Frauen, die auf Cunnilingus stehen? Ist das also womöglich ein alle Geschlechter betreffendes Phänomen? Etwas, was weder Männer noch Frauen wirklich gerne tun? Und wenn ja, warum?


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"Während ich das tue, habe ich praktisch die Kontrolle über die intimste und empfindlichste Zone der Frau", schreibt er mir wenig später auf Whatsapp. "Ich liebe das Gefühl, wenn sich eine Frau fallen lassen kann und genießt, was ich tue. Außerdem ist es warm, weich, feucht und schmeckt gut. Das alles zusammen macht mich ganz verrückt und ziemlich glücklich."

Wir vereinbarten ein Treffen an einem Nachmittag in meiner Wohnung. Ich sagte mehreren Freunden und Freundinnen Bescheid und bat sie, sich im Laufe des Tages nach meinem Wohlbefinden zu erkundigen.

Als der Tag gekommen ist, stehe ich also ratlos vor dem Kleiderschrank. Schließlich entscheide ich mich für ein Outfit, das man schnell ausziehen kann: eine kurze Hose, ein durchscheinendes Top, kein BH. Schließlich kommt der Mann ja nicht zum Quatschen.

Dann klingelt es an der Tür.

"Du siehst schön aus", sagt er zur Begrüßung. Und auch ich staune: Der Mensch, der da in meinem Flur steht – ebenso nervös wie ich –, ist tatsächlich der gutaussehende Mann von den WhatsApp-Fotos. Wir tauschen ein paar Belanglosigkeiten aus, dann frage ich:

"Sag mal, wie machen wir das jetzt?"

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"Ich weiß nicht", antwortete er. "Du bist die Erste, die sich auf meine Anzeige gemeldet hat."

"Was hat Dich dazu gebracht, die Anzeige zu schalten", frage ich.

"Ich war neugierig", erzählt er mir ziemlich offen. "Der Gedanke daran hat mich erregt. Auch habe ich mir gewünscht, mit einer Frau intim werden zu können, ohne selbst dabei irgendwelchen Druck zu verspüren." Darauf sei er gekommen, weil es mal bei einem One Night Stand nicht so geklappt habe, wie es sollte. "Weil ich Oralverkehr sowieso super gerne mag, empfand ich das als eine tolle Möglichkeit."

"Seit wann stehst du drauf, Frauen zu lecken?"

"Das hab ich bei meiner ersten Freundin festgestellt. Seitdem denke ich ständig dran. Aber es will ja keine."

"Wirklich?"

Tim zuckt mit den Schultern. "Ja. Ich hatte schon mehrere Freundin und etliche Dates. Aber irgendwie war nie eine Frau dabei, die drauf stand."

Später wird er sogar sagen: "Wenn dir immer wieder Frauen sagen, dass sie nicht drauf stehen, oder es sogar ausprobieren und dann sagen, dass sie es nicht mögen, dann denkst Du irgendwann, es liegt an Dir", und das klingt irgendwie nach einem Problem, von dem ich dachte, es hätten nur Frauen.

Wirklich aussagekräftige Untersuchungen darüber, wie viele Frauen und Männer Cunnilingus praktizieren und vor allem genießen, gibt es meines Wissens nicht. Liest man sich aber die Antworten in Foren zum Thema durch, erfährt man, dass manche Frauen einfach wirklich nicht gerne geleckt werden. "Meine Klitoris (…) springt einfach nicht auf Zungen an", schreibt eine anonyme Userin auf der Fragenseite Quora. "Sie denkt sich bloß: 'Iiiihhhh. Klinisch. Seltsam. Falsche Textur. Werde ich gerade sauber gemacht?'"

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Anderen scheint die Vorstellung peinlich oder unangenehm zu sein, dass jemand ihrer Vulva so nah kommt. Schließlich suggeriere die "sich ausweitende Produktpalette der Vaginaldeodorants, Intimwaschlotionen und bedufteten Slipeinlagen", dass es sich beim weiblichen Intimbereich um ein Körperteil handelt, dass potenziell dreckig ist, schlecht riecht, in jedem Fall aber irgendwie eklig ist, wie die Soziologin Anna-Katharina Meßmer in ihrer Doktorarbeit schreibt.

Was am meisten abturnt: Wenn der Leckende keinen Spaß hat. Frauen spüren, wenn man ihnen lediglich einen Gefallen tun will.

Hinzu kommen unrealistische Schönheitsideale, denen auch der weibliche Intimbereich mittlerweile unterworfen ist. Glatt, sauber, straff und geschlossen muss eine Vulva sein, ohne sichtbare Schamlippen. Dieses Ideal, dem kaum eine Frau im normalen Leben entspricht, sorgt für Unsicherheit, die sich offenbar auch auf die Lust zum Cunnilingus auswirken kann.

Oft fühlt sich das, was der Partner da macht, auch einfach nicht gut an. Auch deshalb haben Frauen oft keine Lust auf Oralverkehr. Weil es zu unvermittelt kommt, ohne Vorspiel, und der Mann sich auf die Genitalien beschränkt. Weil die Zungenbewegungen zu schnell sind, zu rough, zu ungeduldig, weil das Engagement zu kurz ist oder an den falschen Stellen geschieht, zu viel Druck, die falschen Moves, zu sehr am Orgasmus orientiert, dem vermeintlichen Ziel. Was aber am meisten abturnt: Wenn der Leckende keinen Spaß hat. Frauen spüren, wenn man ihnen lediglich einen Gefallen tun will. Da sagen offenbar einige lieber von vornherein "Nein, danke."

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Wir gehen ins Schlafzimmer.

"Mir wäre es am liebsten, Du würdest die Regie übernehmen", bitte ich ihn. "Ich sage Bescheid, wenn mir etwas nicht gefällt." Er nickt, dann hilft er mir dabei, das Top auszuziehen und bittet mich, mich rücklings aufs Bett zu legen. Auch er zieht sich aus, behält aber die Boxershorts an. "Du darfst mich auch anfassen, wenn Du das möchtest", sagte er.

Ich schüttelte den Kopf. "Nee, das möchte ich nicht", antwortete ich. "Ich will einfach nur fühlen und genießen."

Normalerweise achte ich beim Sex darauf, dass es auch meinem Partner gut geht. Heute nicht. Es sollte einzig und allein um mein Wohlbefinden gehen, darum, dass ich mich um nichts zu kümmern brauche. "OK", sagt er und lächelt mich an. "Sehr gerne."

Er streichelt meine Brüste, küsst sie, und weitet die Liebkosungen schließlich auf meinen ganzen Oberkörper aus. "Bist Du bereit?", fragte er nach einer Weile. "Oh, ja", sagte ich, und sein Gesicht verschwindet zwischen meinen Beinen.

Ich kann nicht genau sagen, woran es lag. Die freudig-frivole Erregung, die mich schon den ganzen Tag vor dem Treffen begleitet hatte? Seine umsichtige und liebevolle Art? Die gekonnten Bewegungen seiner Finger und seiner Zunge? Dass er sofort umsetzte, worum ich ihn bat und es ihm zu gefallen schien, dass ich sagte, was mit gefällt? Oder einfach nur die Tatsache, dass so deutlich hör und spürbar war, wie sehr er den Lickjob genoss? Jedenfalls gelang es mir, mich fallen zu lassen. Ich genoss einfach, was geschah. Ich kam in Rekordzeit. Und der Orgasmus, der mich durchflutete, war wunderschön.

"Danke für dieses wunderschöne Geschenk", schreibe ich ihm später auf Whatsapp und wir vereinbaren, uns wiederzusehen.

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