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12-Stunden-Tag

Warum der schwarz-blaue 12-Stunden-Tag eine schlechte Idee ist – erklärt von Heinz-Christian Strache

FPÖ-Wähler fühlen sich durch die geplante Arbeitszeitflexibilisierung von Strache verraten. Die schärfste Kritik kommt aber vom FPÖ-Chef selbst.

Dieser Artikel ist Teil unserer laufenden Berichterstattung über die schwarz-blaue Regierung, die wir hier unter dem Namen "Schwarz-blaue Geschichten" gesammelt haben.

Wie wir seit vergangener Woche wissen, planen die Koalitionsverhandler von FPÖ und ÖVP die Erweiterung der maximalen Arbeitszeit pro Tag auf 12 Stunden. Außerdem soll die maximale Wochenarbeitszeit auf 60 Stunden erhöht werden. Diese vorweihnachtliche Überraschung haben Kurz und Strache am Mittwochabend bei einer Pressekonferenz der österreichischen Öffentlichkeit überreicht.

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Die Flexibilisierung von Arbeitszeit ist schon lange ein Thema in der österreichischen Innenpolitik. Vor allem Unternehmen fordern sie seit vielen Jahren – zuletzt etwa der KTM-Chef Stefan Pierer, der dann auch gleich mal 436.563 Euro an die ÖVP gespendet hat. Bis jetzt haben aber vor allem Gewerkschaft und Arbeiterkammer dagegengehalten.

Denn eigentlich wird in Österreich schon jetzt ziemlich viel gearbeitet. Österreich hat mit 41,4 Stunden die fünftlängsten wöchentlichen Arbeitszeiten von Vollzeitbeschäftigten in der EU. Und das ist einigen jetzt schon zu viel. Rund 20 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher würden gerne weniger arbeiten, nicht mehr.


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Die Möglichkeit von 12-Stunden-Tagen und 60-Stunden-Wochen (die Strache mittlerweile selbst als Fake-News bezeichnet) wurden dementsprechend ziemlich negativ aufgenommen. Es wird befürchtet, dass in Zukunft Überstundenzuschläge wegfallen, die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie noch schwieriger wird und die allgemeine Belastung durch Arbeit steigt.

Die Arbeitsstunden und Arbeitsmodelle – Teilzeit/ Vollzeit/Elternteilzeit – flexibler an die Lebenssituationen der Menschen anzupassen, ist aber keine Forderung, die nur von unternehmensnahen Parteien wie der ÖVP kommt. Auch die SPÖ hat im Wahlkampf eine Flexibilisierung gefordert. Die sollte laut Plan theoretisch beiden Seiten – Unternehmen und Arbeiterinnen sowie Arbeitern – zugutekommen. Aber das war vor der Wahl.

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"[Der 12-Stunden-Tag ist] eine asoziale leistungsfeindliche Idee, da dies für alle Arbeitnehmer Nettoreallohnverluste bedeutet würde." – Heinz-Christian Strache (2013)

Dass sich manche Dinge nach einem Urnengang ganz schnell ändern können, weiß auch FP-Chef Heinz-Christian Strache. Im einem Kurier-Interview 2013 hatte er noch eine ziemlich feste Meinung zum Thema Arbeitszeitflexibilisierung parat. Darum lassen wir uns am besten in seinen eigenen Worten erklären, was er von der 12-Stunden-Woche dachte, bevor sie zu einem FPÖ- und ÖVP-Vorschlag wurde:

“Eine asoziale leistungsfeindliche Idee, da dies für alle Arbeitnehmer Nettoreallohnverluste bedeutet würde. Jeder arbeitende Mensch hat es sich verdient, wenn er über acht Stunden am Tag arbeitet, diese Mehrstunden als Überstunden ausbezahlt zu erhalten.“

Viele Wählerinnen und Wähler, die in Strache den Retter des “kleinen Mannes“ gesehen haben, wundern sich jetzt ziemlich über den politischen Salto ihres Lieblingsrappers. Auf Straches Facebook-Seite entwickelte sich Ende der Woche deshalb ein kleiner Shitstorm.

“Am Bau im Sommer hackeln und im Herbst dann Sommer 'genießen'“, schreibt zum Beispiel eine Userin namens Gerwa P. Laura G. bedankt sich in der Zwischenzeit, dass sie endlich 60 Stunden arbeiten darf und schreibt weiter: "Noch viel lieber wären mir 80 oder 100 Stunden gewesen. Man tut als aufrechter Österreicher eben gerne was für den Unternehmensgewinn.”

Ein anderer User namens Harald C. sagt es ein bisschen weniger ironisch und um einiges direkter: “Wozu habe ich eigentlich blau gewählt? Zuerst der Schwachsinn das Rauchverbot auszuhebeln und jetzt die 60 Stunden Woche ohne Überstundenzuschlag. Seid mir nicht böse aber das ist nur noch krank! Blau wähle ich sicher nie mehr wieder!”

Offen bleibt, was perfider daran ist; dass ausgerechnet die angebliche "Arbeiterpartei" FPÖ noch vor dem Start der Regierungsperiode erste Entscheidungen gegen ihre Kernwählerschaft beschließt – oder dass Norbert Hofer nicht mal Präsident werden musste, damit wir uns wundern, was unter einer freiheitlichen Spitze alles möglich ist.

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