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Wir haben Insassen gefragt, was sie mit einem Lottogewinn anstellen würden

Bei Verbrechen geht es schließlich fast immer um das eine: Geld.
Collage: VICE || Geld: Pixabay || Gefängnis: Imago | Andreas Gora

Ich bin in einem Umfeld großgeworden, in dem Luxus romantisiert wurde. Schließlich gab es kaum etwas, das weiter von unserer eigenen Realität entfernt war. Von den Nadelstreifenanzügen in Mafiafilmen über die Diamanten in 2Pac-Videos bis hin zum Tourismo bei GTA, unsere Vorstellung von einem besseren Leben war durch und durch beeinflusst von Popkultur.

Für einen Haufen Kids in meiner Nachbarschaft wurde diese Sehnsucht nach Ruhm und Reichtum irgendwann so groß, dass sie begannen, Verbrechen zu begehen. Und machen wir uns nichts vor, bei Verbrechen geht es fast immer um Geld. Im Gefängnis siehst du das an den Zellenwänden, wo Poster von Porsches neben denen von Rolex-Uhren hängen.

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Aber wie es so schön heißt: Glück kannst du mit Geld nicht kaufen. Es bietet eine flüchtige Illusion, die dich einen Moment lang die ganze Scheiße um dich herum vergessen lässt.

Ich wollte wissen, wie das Gefängnis die Sicht von Häftlingen auf Geld verändert hat – und fragte sie, was sie mit einem Lottogewinn machen würden.


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Mark, 42, bewaffneter Raub

VICE: Mark, was würdest du tun, wenn du am Tag deiner Entlassung im Lotto gewinnst?
Mark: Wenn ich ehrlich bin, würde ich mir wahrscheinlich ein oder zwei Escorts bestellen. Und eine Limousine. Und sie für einen netten Abend mit ins Casino nehmen. Das klingt vielleicht etwas arm, aber für einen Gauner, der so kaputt ist wie ich, gibt es sonst keine Möglichkeit, ein gut aussehendes Mädel kennenzulernen. Ich dachte immer, dass Geld nicht alles im Leben ist, aber letztendlich macht es alles einfacher. Ich würde mir also wahrscheinlich Drogen kaufen, einen netten Anzug und die Mädchen zu Meeresfrüchten und einer Flasche französischen Wein einladen. Ich würde den beiden 1.000 Euro in die Hand drücken und dann zuschauen, wie sie an den Tischen spielen. Ich liebe das. Mädchen beim Zocken zuzugucken, ist unfassbar heiß.

Warum gleich zwei?
Ich schätze, ich genieße die Aufmerksamkeit. Reiche Menschen bekommen einen Haufen Aufmerksamkeit, im Knast bekommst du keine. Ich will sie auch gar nicht für Sexkram. Heutzutage dürfte ich eh höchsten zwei Sekunden durchhalten.

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Was sagst du zum Spruch "mehr Geld, mehr Probleme"?
Da bin ich wirklich der Falsche für, Bruder. Das größte Ding, das ich je gelandet habe, waren etwa acht Riesen – und die haben wir durch drei geteilt. Wir hatten in so einer Vorstadtvilla einen Safe entdeckt, also haben ich und ein anderer Typ das Ding da rausgetragen. Der Fahrer wollte natürlich auch bezahlt werden. Also waren es am Ende weniger als drei Riesen für jeden – und wir dachten, wir hätten das große Ding gerissen. Es hat nicht mal ein Wochenende gereicht. Wir haben die ganze Kohle für Drogen und an Spielautomaten verballert. Montagmorgen waren wir pleite.

Wenn du nie Geld gehabt hast, weißt du nicht, wie du damit umgehen sollst – und so verschwindet alles. Die reichsten Typen im Knast sind auch immer die größten Geizkragen. Es gibt hier drin Drogendealer, die ein Vermögen haben, und die sind dermaßen knauserig mit ihrem Kaffee, dass ich es kaum fassen kann. Jesus, solltest mal sehen, was diese reichen Wichser alles machen, um ihre Tabakvorräte zu verstecken und dann so zu tun, als hätten sie nicht genug zum Teilen. Eigentlich schon richtig traurig.

Glaubst du, dass Geld die Macht hat, dich zu einem besseren Menschen zu machen?
Ich glaube, Geld hat mehr Macht als Gefängnisse. Aber wie ich eben schon gesagt habe, wussten wir gleichzeitig nicht, was wir damit machen sollen, wenn wir mal welches hatten. Wir dachten, die Kohle würde all unsere Probleme lösen, aber sie hat absolut nichts gebracht. Wir wollten einfach nur mehr und mehr davon. Geld ist wie eine Droge ohne High. Du bekommst mal was, kaufst dir den Schmuck, den du schon immer haben wolltest, und eine Woche später tauscht du das Zeug beim Pfandhaus wieder zum halben Preis ein.

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Abdullah, 30, vorsätzliche schwere Körperverletzung

Was würdest du tun, wenn du am Tag deiner Freilassung im Lotto gewinnst?
Abdullah: Ich würde Tickets für meine Familie im Libanon kaufen, damit sie zu mir nach Australien kommen können. Ich würde die Hälfte vom Geld auf das Konto meiner Frau überweisen und die andere Hälfte auf das meiner Eltern. Nicht weil ich so ein Engel bin, sondern weil ich es sonst für irgendeinen blöden Scheiß verpulvern würde. Aber ein Auto müsste schon drin sein. Was Schickes wie einen allradgetriebenen Porsche, aber aufgemotzt: verdunkelte Scheiben, schwarze Felgen und ein fetter Auspuff. Meinem Alten würde ich eine Rado-Uhr kaufen. Als ich jung war, hat er sich immer die Werbung angeguckt. Ich meinte zu ihm: "Eines Tages werde ich dir so eine besorgen." Und schau mich an. Alles, was er von mir bekommen hat, ist ein gebrochenes Herz und sieben Jahre Knast.

Wie wichtig ist Geld für Häftlinge?
Wenn du in den Knast kommst, siehst du, welche Wirkung Geld wirklich auf Menschen hat. Es ist schon witzig: Im Knast machen sie alles für Geld, obwohl sie es gar nicht zu Gesicht bekommen oder überhaupt benutzen können. Wir sind von der Idee des Geldes besessen, weil die ganzen erfolgreichen Menschen auf der Welt Geld haben – und du nicht. Zu was macht dich das also? Und was tust du, um das zu ändern? Die meisten Leute sind im Knast, weil sie versucht haben, an Geld zu kommen. Kohle ist hier eigentlich unwichtig, weil du hier nichts damit anfangen kannst. Geld kann dir vielleicht Macht verschaffen, aber auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Bis zu dem Punkt, an dem man dir alles abnimmt und du mit einem Stück Stahl zwischen deinen Rippen endest.

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Wie hast du deine ewige Jagd nach Geld überwunden?
Ich habe mich meiner Religion zugewandt. Ich habe gelernt, dass Dīn, der Glaube, über Dunyā steht, der materiellen Welt. Das einzige, was in der Welt zählt, sind Dinge wie Ehrlichkeit und dich um deine Familie zu kümmern. Du musst nicht reich sein, um das zu tun und ein glückliches Leben zu führen. Mein Alter hat nie Millionen von Dollar besessen und trotzdem hat er ein gutes Leben gelebt, bevor ich es für ihn ruiniert habe. Ich war dumm und habe glaubt, dass mein schmutziges Geld ihn stolz machen würde.

Ashoor, 26, gewerbsmäßiger Handel mit Methamphetamin

Was wäre das Erste, was du nach einem Lottogewinn machen würdest?
Ashoor: Ich würde einen fetten Urlaub mit meinen Freunden organisieren. Wir würden zuerst nach Thailand, dann nach Ibiza und dann den Rest von Europa bereisen. Ich würde alle meine Jungs mitnehmen. Wir würden dann einfach alles verfeiern, bis es weg ist. So schnell leben, wie wir können. Ich habe viel zu viel Zeit hier drin verschwendet und will meine Zeit draußen mit Dingen verbringen, die ich liebe – mit Menschen, denen ich etwas bedeute. Ich würde sie auf eine Shoppingtour mitnehmen, damit wir vor unserer Reise alle richtig fresh aussehen. So ist das bei uns. Wenn du in dieser Szene bist, brichst du das Brot mit deinen Brüdern. Du mietest euch ein Separee im Stripclub, lässt die Flaschen kommen und vergisst das ganze Drama.

Welches Drama?
Die echte Welt. Die ist ein verkommener Ort voller hinterhältiger Hunde. Jeder will dem anderen in den Arsch beißen oder zum eigenen Vorteil verpfeifen. Wenn wir einen drauf machen, dann so richtig. Wir wollen die ganze Scheiße vergessen, die wir durchgemacht haben. Wir sind vor den Bomben im Irak geflohen und hierher gekommen. Aber wir waren beschissen in der Schule, also mussten wir in den Einzelhandel. Das war aber nicht gut genug. Wenn du große Träume hast, musst du große Risiken eingehen. Deswegen bin ich hier. Ich hatte einen guten Lauf, Bruder. Ich habe Geld gemacht, aber dann bin ich gierig geworden.

Hat das Geld dich gierig macht?
Schnelles Geld hat mich gierig gemacht. Als ich noch als Betonierer gearbeitet habe, war mir alles egal. Ich habe mein Geld am Abend für die Jungs verballert. Solange wir alle eine super Zeit haben, ist mir der Rest egal. Das sind die Abende, an die ich mich gerne erinnere – und nicht die Partys, als ich haufenweise Geld hatte. Da war ich nämlich von falschen Freunden umgeben, die nur mit mir abhingen, weil ich immer Hotelzimmer voller Stripperinnen hatte. Je mehr Kohle ich hatte, desto weniger habe ich mich um andere gekümmert. Ich dachte, dass mir eh nur alle ans Geld wollen. Also habe ich sie aus meinem Leben verbannt. Am Ende waren da nur noch ich und mein Geld. Dann wurde ich erwischt und hatte nicht mal mehr mein Geld.

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