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G20

"Bodenlose Frechheit" – Ein Polizist erklärt, warum er den G20 hasst

"Eine komplette Stadt wird lahmgelegt, damit Sie, liebe Staatschefs, schöne Tage in der Hansestadt Hamburg verbringen."

Der G20-Gipfel in Hamburg ist zwar erst in einem knappen Monat, geht aber jetzt schon so ziemlich allen auf den Sack. Fast niemand versteht, warum eine so große (und so umstrittene) Veranstaltung mitten in einer Großstadt stattfinden muss.

Aus Sicherheitsperspektive ist es ein Albtraum, für die Hamburger linke Szene ist es eine Provokation, und für die Anwohner kommt das Ganze sowieso einer biblischen Plage gleich: Mehrere Tage werden Tausende gestresste Polizisten mit Panzerwagen und Wasserwerfern und Zehntausende Demonstranten die Innenstadt verstopfen. Und wie sich jetzt herausstellt, macht der Rummel sogar Polizisten wütend.

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Einer von ihnen hat seinem Ärger jetzt in einem offenen Brief Luft gemacht. "Ich finde es eine bodenlose Frechheit, wie ignorant dieses Treffen geplant und gegen den Willen Hunderttausender Menschen durchgesetzt wird", schreibt der anonyme Beamte in seinem Text, den die Facebook-Seite "Polizist=Mensch" veröffentlicht hat. "Eine komplette Stadt wird lahmgelegt, damit Sie, liebe Staatschefs, Ihre Partner und Freunde, drei schöne Tage in der Hansestadt Hamburg verbringen."

Der Autor des Briefes behauptet, seit über 15 Jahren bei der Polizei zu sein. Markus Vogt, der Betreiber der Facebook-Seite, hat vorher mehrmals mit ihm kommuniziert und hat keinen Zweifel, dass es sich um einen echten Polizisten handelt. "Meine Erfahrung als Polizist, mein gesundes Misstrauen und meine Vernetzung lassen den Schluss zu, dass der Autor ein aktiver Polizist ist", sagte Vogt gegenüber VICE.

In seiner Karriere, schreibt der Autor, hat er so einiges mitgemacht, was ihm gegen den Strich gehe: Atommüll-Transporte oder Nazi-Demos beschützen, zum Beispiel. "Der von Ihnen geplante G20 setzt all diesen Dingen jedoch die Krone auf", schreibt der Mann. Was den Beamten besonders nervt, sind vor allem drei Dinge: dass der Gipfel so teuer ist, dass er eine enorme Belastung für die Polizei darstellt, und dass er die ganze Veranstaltung für komplett sinnlos hält.

"Allein die Kosten, die vermutlich erst nach dem Gipfel abzusehen sein werden, sind eine einzige Frechheit", wettert der Mann. "Wie gut könnte man das Geld in den Pflegeeinrichtungen oder in der Flüchtlingsarbeit gebrauchen?" Als Streifenpolizist kenne er genug Menschen, die das Geld dringend brauchen könnten: "Die Menschen, die ohne Obdach auf der Straße (er)frieren, oder die, die sich beim Discounter um die Ecke eine Packung Toastbrot und Käse klauen, um den Kindern Brote für die Schule zu machen."

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In mehr als einer Passage wird deutlich, dass der Mann eine ordentliche Wut auf die Politiker und ihre "Klassenfahrt" hat. "Ich bin nicht zur Polizei gegangen, um dafür zu sorgen, dass Menschen in überteuerten Anzügen noch teurer essen und Konzerte besuchen können", schreibt er. Man bekommt auch sonst manchmal das Gefühl, dass er sich so einen G20 für die Teilnehmer deutlich lustiger vorstellt, als er tatsächlich ist: Einmal vergleicht er die Veranstaltung (das "Gelage") mit "Festlichkeiten in mittelalterlichen Burgen", ein andermal schimpft er, die Staatschefs würden sich "schöne Tage mit der Familie machen", während die Familien der Polizisten durch die Überstunden "unzumutbar belastet" würden.

Aber was genau die Staatschefs beim G20 eigentlich tun, ist ihm dann auch ziemlich egal: "Wir wissen doch alle, dass Ihr milliardenschwerer Ausflug keinen Konflikt der Welt entschärfen, keine Hungerkrise lösen und kein Heilmittel für eine tödliche Krankheit liefern wird", schreibt er. Keine aus der Luft gegriffene Prognose, wenn man sich klarmacht, dass einer der Teilnehmer Donald Trump ist.

Zu guter Letzt wünscht der Polizist deshalb den G20-Gegnern "ein gutes Gelingen". Natürlich hofft er, "dass nicht Gewalt und Krawall die Nachrichten bestimmen". Aber angesichts der ganzen Punkte, die ihn an dem riesigen Gipfel so wütend machen, hält er den Protest "für sehr nötig!".

Dass der Brief jetzt noch etwas bewirkt, ist trotzdem sehr unwahrscheinlich. Das wäre auch ein bisschen spät: Immerhin hat die Hamburger Bereitschaftspolizei bereits Zehntausende Lunch-Pakete für die Polizisten im Einsatz gepackt – mit Gummibärchen! Ob die den Zorn des Ordnungshüters besänftigen werden, ist allerdings fraglich.

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