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​Was wir von der Bild-Partyflieger-Aktion lernen können

100 Leser durften sich auf Kosten der Bild-Zeitung am Ballermann betrinken. Erkenntnisse über Menschen, Alkohol und Micaela Schäfers Brüste.

Screenshot: Twitter/ReisePapa

Die Bild-Zeitung hat sich für ihre Premium-Leser etwas ganz Besonderes ausgedacht. 100 ihrer Bild+-Abonnenten nahmen sie am Wochenende mit auf einen kostenlosen Kurztrip nach Mallorca, um mit ihnen in einer von Palmas Großraumdiskotheken eine Ballermann-Schlager-Party zu feiern. Und wenn die Bild zu einer Ballermann-Schlagerparty einlädt, dann gibt es auch eine Ballermann-Schlagerparty, wie sie im Buche steht. Schon am Gate warteten „Sangria und sexy Tänzerinnen", in der Maschine selbst wurden die Gäste dann mit den größten Hits von Marcus Kuno (wir sind stolz darauf, diesen Namen an dieser Stelle zum ersten und letzten Mal tippen zu dürfen) beschallt. Neben der Tatsache, dass der 0815-Mallorca-Tourist scheinbar wirklich ein lebendes Klischee ist, gab es aber noch ein paar andere Dinge, die wir alle aus dieser 15-stündigen Party-Kaffeefahrt von Deutschlands kontroversestem Meinungsmedium lernen können (wir waren leider nicht dabei, aber haben Internet).

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Niemand kennt seine Zielgruppe besser als die Bild-Zeitung

Screenshot: Instagram/Skater2510

Größere Menschengruppen, die an der Grenze zur Unzurechnungsfähigkeit durch die Straßen ziehen und ohne Rücksicht auf Verluste grölend ihre Meinung in die Welt hinausschreien? Wenn wir ehrlich sind, ist die Bild-Zeitung der blattgewordene Ballermann. Schließlich wird sich jeder zweite Betrunkene im Vollsuff auch schon mal gedacht haben, dass jede Wahrheit einen Mutigen braucht, der sie ausspricht—und dass es nach zehn Bier niemand Geeigneteren gibt als ihn selbst.

Diesem Stammtischdenken mag auch der Plan, für die treuesten Leser eine Reise zu Deutschlands beliebtester Exil-Saufmeile zu organisieren, entsprungen sein. C-Promis, jede Menge nackte Haut und das allgemeine Ansprechen der niedersten menschlichen Bedürfnisse funktioniert ja schließlich schon in Papierform ganz hervorragend. Die Bild weiß, wer sie ist, und tut erst gar nicht so, irgendetwas anderes sein zu wollen. Dafür prosten wir ihr in Gedanken zu, hoffen allerdings nach wie vor, dass wir keine Kotze auf die Schuhe kriegen.

Micaela Schäfer ist vielleicht der traurigste Mensch der Welt

Wenn es um tendenziell alkoholisierte Menschen, Partykultur und hüpfende Brüste geht, kann Micaela Schäfer nicht weit sein. Deutschlands wohl bekanntestes Nacktmodel, das sich nicht nur vor der Kamera auszieht, sondern auch barbusig auflegt, war einer der Promigäste der Bild-Partyaktion. Nach den unwürdigen Momenten im Dschungelcamp, den Auftritten auf der Venus und dem wirklich zwanghaft minimalst bekleideten Auftritten auf roten Teppichen, kommen wir aber nicht umhin, festzustellen: Micaela tut uns leid. Wirklich.

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Wenn man mit aufgesetzten Propellerbrüsten auftreten muss, weil die echten schon so oft in Kameras gehalten wurden, dass sie für das Publikum komplett unspannend geworden sind, ist das das genaue Gegenteil von sexy. Und wenn Männer mittleren Alters geifernd die Handykamera zücken, während man mit einer anderen halbnackten Modelfreundin rumknutscht, ist vielleicht auch der Punkt erreicht, an dem man die eigenen Karriereentscheidungen überdenken sollte.

Es gibt WIRKLICH Leute, die Proll-Schlager mögen

Screenshot: Twitter/FrankOchse

Irgendwie haben wir immer gedacht, dass in Mallorca eine Art Paralleluniversum existiert, in dem Micki Krause und Co. existieren und von einer festen, leicht zu instrumentalisierenden und betrunkenen Fanbase gefeiert werden. Leuten, die sich am Strand ins geistige Nirvana gebrutzelt haben und anschließend relativ wahllos einfach irgendwie Party machen wollen. Am besten mit Musik, die man auch im Halbschlaf und Alkoholdelirium noch mitrufen kann und die einem als grundlegend tanzwilligem Gast nicht all zu viel abverlangt.

Die durchweg euphorischen Gesichter der Bild-Leser zeigen aber: Die freuen sich echt darüber, endlich mal Jürgen Drews die Hand geben zu dürfen oder neben Micki Krause verschämt in die Kamera zu grinsen. Vielleicht waren die Leute aber auch einfach echt schon betrunken. Oder wurden mit Paella und Sonnenhüten bestochen. Wir bleiben an der Sache dran.

Bild-Leser können Twitter nicht bedienen

Interessant wäre es natürlich gewesen, einen etwas genaueren Einblick darin zu bekommen, wie die Teilnehmer selbst ihren boulevardgesponserten Ausflug erlebt haben. Immerhin hatte der sogar ein eigenes Hashtag: #partyflieger. Unter ebenjenem finden sich aber fast ausschließlich Posts der mitgereisten Redakteure, die das Geschehen mit Worten wie „Yeah", „Wow" oder „OMG" für die Daheimgebliebenen erlebbar machen.

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Vielleicht sind Leute, die die Bild lesen, größtenteils einfach nicht bei Twitter oder Instagram. Vielleicht hat ihnen niemand das Hashtag verraten, weil sich die öffentliche Wahrnehmung des Trips besser steuern lässt, wenn Impressionen primär von den Springer-Mitarbeitern selbst gestreut werden. Vielleicht hatte aber auch niemand Lust, für betrunkene Postings und verwackelte Fotos Roaming-Gebühren zu zahlen. Schade eigentlich. Gerade bei solchen Leseraktionen wüsste man dann ja doch immer ganz gerne, wie spaßig das alles wirklich war. Oder ob es sich um eine Art Kaffeefahrt mit Sangria-Eimer gehandelt hat.

Alkohol macht alles besser

Umsonst-Urlaub klingt natürlich erst einmal gut. Eine öffentlich geteilte, 15-Stunden-Dauerparty mit Bild-Mitarbeitern zu schmeißen, die einen womöglich noch stetig dazu animieren, Ramona Drews nach Selfies zu fragen, wiederum erinnert eher an einen dieser Albträume, die einen klatschnass geschwitzt und mit tränenden Augen aufwachen lassen. Sangria, die es schon direkt nach dem Flug scheinbar eimerweise gab, dürfte die Schmerzgrenze der teilnehmenden Bild-Leser allerdings bedeutend nach oben verschoben haben.

Wir möchten niemanden zum Trinken animieren, aber ist es nicht gerade der Ballermann, der zeigt, dass sich mit Bier, Sekt und Schnaps selbst bei 40 Grad im Schatten und lebensgefährlichem Sonnenbrand noch ausgelassen über den Strand tanzen lässt? Von daher: Chapeau, Bild. 100 Leser zu einem Gratis-Trip einzuladen und so richtig abzufüllen, um nicht nur den selbstgewählten Status als volksnahes Meinungsmedium zu untermauern, sondern die Teilnehmer durch belastende Suff-Fotos auch noch auf ewig an sich zu binden, war ein echter Geniestreich.

Lasst euch schon mal die Leberwerte checken, demnächst fahren wir euch mit Reisebus ins Berghain.