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Ueli Maurers Absturz im Krampfjet

Braucht die Schweiz neue Kampfjets? Die Schweiz stimmt am 18. Mai über den 3.1 Mrd. teuren Kauf ab—die Fronten sind verhärtet und Bundesrat Maurer kommt unter die Räder.

Foto von Ronnie McDonald

Insgesamt 86 Kampfflugzeuge (54 vom Typ Tiger und 32 vom Typ FA-18) stehen der Schweizer Luftwaffe heute zur Verfügung, um die von ihr in der Verfassung verlangte "Sicherstellung der Lufthoheit" zu gewährleisten. Diese Aufgabe beinhaltet vor allem den Luftpolizeidienst, also die Sicherung des nationalen Luftraums vor Eindringlingen, z.B. während internationalen Kongressen wie dem WEF in Davos.

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Klopft man mit der Faust auf den alternativen Genossenschaftsstammtisch ist klar: Die 86 Jets zur Sicherheit der WEF-Gang „schiessen mit Kanonen auf Spatzen ". Aber die Schweiz kann auf diese 86 Jets nicht mehr besonders lange zählen. Ab 2016 werden die 32 Tiger-Jets aus der Rumpelkammer des VBS ausgemistet. Ab 2025 müssen auch die 54 FA-18 Jets ersetzt werden. Darum möchte sie VBS-Vorsteher Ueli Maurer durch 22 neue Jets vom Typ Gripen des schwedischen Herstellers Saab ersetzen.

Die Lieferung der 3.1 Mrd. CHF teuren Flieger und die Ausbildung der Piloten dauert anscheinend um die zehn Jahre: „Wenn wir den Kauf nicht jetzt tätigen, werden wir ab 2025 ohne Kampfflugzeuge dastehen und unseren Luftraum nicht mehr alleine sichern können", so Maurer im Interview mit der Rundschau.

Die Initianten des Referendums (SP, Grüne und GsoA) gegen den Gripen monieren, dass über die gesamte Betriebsdauer mindestens 10 Mrd. Franken für die Jets ausgegeben werden müssten. Das Geld fehlt andernorts: Beim ÖV, der Bildung oder der AHV.

Foto von Manoj Vimalassery

Während rechtsbürgerliche Parteien eine Verschwörung zur schleichenden Abschaffung der Armee sehen, anerkennt die GLP als einzige Mittepartei das eigentliche Problem: Die Bedrohungslage der Schweiz hat sich seit dem Ende des Kalten Krieges massgeblich verändert.

Während wir in den 70er-Jahren noch fleissig Panzergräben durch unser Land pflügten und Vorräte in unseren Atomschutzbunkern lagerten, fürchtet sich der Schweizer heutzutage eher vor Cyberangriffen, Naturkatastrophen, Pandemien und so manch einer auch vor dem—Achtung Schlagwort—Terrorismus. Terroristen und (Cyber-)Viren sind aber kein geeignetes Ziel für ein Kampfflugzeug, ob im Luft-Luft- oder im Luft-Boden-Kampf.

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Foto von Scott Wylie

Die EU mag ihre Macken haben, doch sie hat dem gewalttätigsten Kontinenten des letzten Jahrtausends für das kommende Jahrhundert den sicheren Frieden gebracht. So ist die Schweiz heute nicht mehr von Faschisten und Imperialisten umzingelt, sondern von beinahe schon zu Museen degenerierten EU-Ländern und (bis auf Österreich) von NATO-Staaten, welche die demokratischen Grundrechte und die Souveränität der Schweiz offensichtlich anerkennen.

Die Wahrscheinlichkeit, dass in naher Zukunft ein konventioneller Luftkrieg innerhalb der EU ausbricht oder die Schweiz gar von NATO-Truppen angegriffen wird, ist also winzig bis inexistent.

Foto von U.S. Army Europe Images

Trotzdem rüstet Maurer für den Ernstfall auf und plant, 8 der 22 Gripen Jets für den Bodenkampf auszurüsten. Ja, genau. Der von der Schweizer Luftwaffe seit 1994 nicht mehr geprobte Erdkampf aus der Luft. Das hiesse Bomben über der Schweiz. Maurer scheint sich seiner Sache so sicher zu sein, dass er bereits drei Piloten nach Göteborg in die Gripen-Ausbildung geschickt hat, obwohl der Kauf vom Stimmvolk noch gar nicht genehmigt wurde.

Im Grunde hätte Maurer ja Recht. Leider kann Herr Maurer, der seine Frau als Haushaltsgerät betrachtet, spätestens nach den Enthüllungen der letzten Wochen nicht mehr ernst genommen werden: Wenn der „Chefbeamte Sicherheitspolitik" in Maurers Departement dem schwedischen Botschafter ein internes, für eine Bundesratssitzung bestimmtes Dokument schickt, ist das schon ein Skandal. Chefbeamte dürfen Diplomaten anderer Länder nicht als Berater für Bundesratsinternas beiziehen. Die grössere Schmach ist aber, dass der schwedische Botschafter von „Maurers Tagesform" warnt und seine Tendenz zu unangebrachten Beleidigungen erwähnt. Äussert sich gar ein schwedischer Diplomat so, der immerhin ein augenblickliches Interesse daran hat, 22 Gripen zu verkaufen, fragt sich, wie viel Vertrauen denn das Schweizer Stimmvolk Bundesrat Maurer noch entgegenbringen soll.

Foto von ShashiBellamkonda

Es ist schwierig, die Gefahrenlage in 30 Jahren abzuschätzen. Genau deswegen sollte man keine überstürzten Entscheidungen treffen, welche knapp 10 Mrd. Steuergelder langfristig an ein Projekt binden, dessen Nutzen aus heutiger Sicht nicht abschätzbar ist. Man könnte viel kleinere Summen in viele absehbare Projekte investieren. Etwa in die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht und in eine Spezialisierung auf eine weitaus kleinere aber wirkungsvollere Berufsarmee, die für das21. Jahrhundert gewappnet ist. Das Volk wird das Schicksal der Schweizer Luftwaffe am 18. Mai in der Hand haben. Zumindest bis zum Abstimmungssonntag ist es noch vor Luftangriffen des unsichtbaren, jedoch omnipräsenten Feindes geschützt. Wenigstens zu den Büroöffnungszeiten versteht sich.