Ich war auf der Haustiermesse, obwohl ich Tiere hasse

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Ich war auf der Haustiermesse, obwohl ich Tiere hasse

Mich fasziniert, in welchen unterschiedlichen Zuständen man die Kreaturen hier zu sehen bekommt: lebendig, gebraten, gepresst, gefroren und aus Plüsch.

Alle Fotos von der Autorin.

Ich hasse Tiere. Ich finde sie grausig, egal ob tot oder lebendig. Zehn Jahre meines Lebens habe ich deswegen als Vegetarierin gelebt. Selbst glückliche Schweine nahm ich nur als stinkende, dreckige Viecher wahr. Von wegen reinliche Tiere, meine Nase sprach eine andere Sprache.

Spricht sie noch immer, aber mittlerweile bin ich von meinem "Ich lass euch und ihr mich in Ruhe"-Motto wieder abgekehrt und dazu übergegangen, einfach auszublenden, woher das Schnitzel auf meinem Teller kommt. Trotzdem ist es gut, seine Ansichten hin und wieder auf die Probe zu stellen und die Filterblase zu verlassen. Und welcher Ort eignet sich besser dafür, herauszufinden ob meine Abneigung gegen Tiere noch Bestand hat als die Haustiermesse Wien?

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"Ich frage mich, wo eigentlich der Stand für die LGBT-Rechte für Hunde seinen Platz hat."

Samstagvormittag reihe ich mich also in die lange Warteschlange der Marx Halle ein. Gut gelaunte Wochenendeltern warten mit aufgeregte Kindern die mit kleinen Patschehänden nach Hunden greifen, deren Größe mich eher an Kühe erinnert. Bereits jetzt bin ich von mehr Hunden umringt als meine Komfortzone zulässt.

Hunde sind mit Abstand die schlimmsten aller Tiere! Ich habe keine Angst vor ihnen, vielmehr nervt mich ihre treudoofe Art. Ich verabscheue den widerlichen Sabber der permanent aus ihrem Maul rinnt und die Tatsache, dass sie die Armlänge Sicherheitsabstand zu mir nicht einhalten. Bereits jetzt stinkt es nach Tier und Bellen ist das weiße Rauschen des Tages.

Für 9 Euro Eintritt erhält man schließlich Zutritt zur tristen Messewelt, in der Hunde die wichtigste Rolle spielen. Die gesamte Halle, die mir im Oktober beim Konzert von The Cure um einiges besser gefiel, widmet sich Hunden.

Ich singe "Shake dog shake", obwohl Robert Smith mit "dog" natürlich den Kater meinte, aber Katzen sind weit und breit keine zu sehen. Stattdessen gibt es einen Stand mit billigen Bling-Bling-Halsbändern, die billigen Luxus versprechen, glutenfreies Futter, Diätkekse, Tierurnen, eine Hundefotografin und einen Verein für Besitzer behinderter Hunde. "Behinderter Hund – Na und?", lautet der eingängige Slogan und ich frage mich, wo eigentlich der Stand für die LGBT-Rechte für Hunde seinen Platz hat.

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BesucherInnen verteilen den Durchfall eines Hundes großflächig auf dem Boden. Auf einem Kunstrasen am Rande der Halle versucht eine Tiertrainerin, mit Freiwilligen und deren Kötern einen Tanz einzustudieren, was im Wesentlichen daraus besteht, dass vier Frauen im Kreis gehen.

Ich frage die Verkäuferin am Stand von "Hund & Herrchen" ob das Hundeshampoo auch von Männern verwendet werden kann und was eigentlich mit den Frauchen ist, aber sie rattert immer wieder ihren einstudierten Text runter, bis ich verstehe, dass die Marke so heißt und nicht ihr Motto. Währenddessen bin ich kurz unachtsam und ein Hund leckt mir im Vorbeigehen über die Hand. Ich hasse Tiere noch immer.

"Irgendwie beneide ich sie alle: Außer mir hat niemand ein Handy in der Hand und die Zusehenden leben komplett im Moment, geben sich ihrer Faszination hin, die ich nie verstehen werde."

Auf einer Bühne wird Österreichs Hundestar gesucht. Die Moderatorin ist akustisch nicht zu verstehen, aber seitdem ich beim Hanfino Stand die Kekse gesehen habe, drehen sich meine Gedanken ohnehin um was anderes. "Hanf wird aus gutem Grund als Wunderpflanze oder Heilpflanze bezeichnet", steht im Flyer. Die "schmerzlindernde Wirkung" von Gras würde mir jetzt auch gut tun.

Beim Verlassen der großen Halle erinnert mich das Schild "Whoever said that diamonds are a girl's best friend never owned a dog" noch mal an die Tierbestattung. Schließlich kann man tote Wauzis zu Edelsteinen pressen lassen, diamonds und dogs sind also kein Widerspruch. War es etwa das, was David Bowie im Song „Diamond Dogs" meinte? Wahrscheinlich nicht, egal.

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In der kleineren Halle sind alle anderen Haustiere untergebracht. Bei der Katzenausstellung sitzen Katzenrassen, die ich nur aus Animationsfilmen kenne, in kleinen Käfigen und warten auf ihre Präsentation auf der Bühne. Die großangekündigte Urban-Farming-Bereich, wo man alles über Hobby-Hühnerhaltung erfährt, entpuppt sich als ein Stand mit Fertighühnerhaus, aber ohne Tiere. Eine nette Dame erklärt mir, dass aufgrund der Vogelgrippe gerade Stallpflicht herrsche und deswegen keine Hendl vor Ort sind. Von der Nagetier- stolpere ich unvermittelt in die Reptilienabteilung wo es tote Mäuse, von Baby bis ausgewachsen, praktisch abgepackt zu kaufen gibt.

Mich fasziniert, in welchen unterschiedlichen Zuständen man auf der Haustiermesse Tiere zu sehen bekommt: lebendig, gebraten, gepresst, gefroren und aus Plüsch. Um auszuruhen setze ich mich zu einem Vortrag und heuchle Interesse zum Thema Hundesprache und Giftködertraining. Ich atme auf. So groß, dass ich mir die Mühe machen würde, Hunde zu vergiften, ist mein Hass dann doch nicht.

Abschließend schleppe ich meinen mittlerweile müden Körper noch mal rüber zur Hundeshow. Zum Glück – sie entpuppt sich als Highlight meines Besuchs. Ein altmodisch angezogener Herr macht zu Zirkusmusik Kunststücke mit kleinen Hunden und eine Frau neben mir gibt vollkommen gebannt immer wieder "Wow"-Rufe von sich. Irgendwie beneide ich sie alle: Außer mir hat niemand ein Handy in der Hand und die Zusehenden leben komplett im Moment, geben sich ihrer Faszination hin, die ich nie verstehen werde.

Auf meiner Abschlussrunde frage ich mich dann, ob ich wirklich die größte anwesende Tierhasserin bin. Zumindest lasse ich die Viecher in Ruhe, sperre sie nicht in kleine Käfige auf Messen oder rüttle am Gitter und brülle wie wild "Hier Miezi, Miezi!", um verschreckte Fellknäuel auf mich aufmerksam zu machen.

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