FYI.

This story is over 5 years old.

Quellenkritik

Der britische 'Guardian' ist auf die Kurz-Satire von der 'Tagespresse' reingefallen

Demnach soll der neue ÖVP-Chef bei Google die Löschung aller Geilomobil-Einträge beantragt und mit "xxx hugs & kisses Outside minister Sebi" unterschrieben haben.

Screenshot via Die Tagespresse

Medien machen Fehler. Das gilt nicht nur online und nicht erst seit gestern – aber wenn es wie heute dann doch mal online passiert, schlagen die Wellen umso schneller höher.

Als das britische Traditionsmedium The Guardian am Mittwoch in einem Artikel über "Österreichs Macron" Sebastian Kurz behauptete, der neue ÖVP-Chef habe eine Löschanfrage bei Google mit "xxx hugs & kisses Outside minister Sebi" unterschrieben, dauerte es entsprechend nicht lange, bis die ersten "Fake News" schrien.

Anzeige

Und das zu Recht: Dass Kurz nämlich alle Hinweise auf das Geilomobil bei Google löschen lassen wollte und nicht nur mit "hugs & kisses" unterschrieben haben, sondern noch dazu "Außenminister" mit "Outside minister" übersetzt haben soll, stammt nämlich aus einem Artikel des Satire-Mediums Tagespresse. Und der Artikel stammt noch dazu aus 2014.

"Es freut uns sehr, dass wir unseren Einfluss jetzt auch nach Großbritannien ausweiten konnten. Damit haben wir den Falter als wichtigstes Recherchemedium des Landes abgehängt." – Fritz Jergitsch

Tagespresse-Gründer Fritz Jergitsch erklärt gegenüber VICE in natürlich komplett ernst gemeinter Art: "Es freut uns sehr, dass wir unseren Einfluss jetzt auch nach Großbritannien ausweiten konnten. Damit haben wir den Falter als wichtigstes Recherchemedium des Landes abgehängt."

Auf die Frage, welches Bild die Briten seiner Meinung nach von Sebastian Kurz hätten, antwortet Jergitsch nachdenklich: "In Großbritannien muss man ihn für sehr ernstzunehmend, volksnah und jugendlich halten."

Inzwischen wurde die falsch zitierte Tagespresse-Stelle aus dem Guardian-Artikel entfernt – übrigens ohne Hinweis auf die Änderung oder den Fehler. Jergitsch zeigt sich naturgemäß erbost über den infamen Diss: "Der Guardian-Chefredakteur versucht schon seit einer Stunde mich zurückzurufen, offenbar um sich zu entschuldigen. Aber leider ist die Löschung ein Affront, da hilft auch keine Entschuldigung mehr."

Anzeige

Wie gesagt ist das nicht das erste und bestimmt auch nicht das letzte Mal, dass ein Medium Satire mit Nachrichten verwechselt. So fiel in der Vergangenheit auch schon die traditionsreiche New York Times auf einen Satire-Beitrag von The Onion herein. Und das lange vor Donald Trump und dem Aufkommen von "Fake News" als medialem Modewort.

Auch Die Tagespresse selbst wurde bereits früher für bare Bitcoins genommen: Zum Beispiel mit einem ihrer ersten Artikel im Jahr 2013, als die Seite verkündete, dass die katholische Kirche ein Maskottchen namens "Keuschi" einführen wolle.

Zuletzt wurde die Plattform im Dezember 2015 mit mangelnder Quellenkritik zur News-Website geadelt: Damals hielten Fans von Heinz-Christian Strache einen Artikel der Tagespresse mit dem Titel "Strache will Moschee am Wiener Karlsplatz abreißen" für echte Nachrichten. Und das, obwohl am Karlsplatz keine Moschee steht, sondern die knapp 300 Jahre alte Karlskirche – laut Wikipedia "einer der bedeutendsten barocken Kirchenbauten nördlich der Alpen".

Folge VICE auf Facebook, Instagram und Snapchat.