Diese genialen Spiele über Japans Unterwelt sind beim Saufen in Tokyos Rotlicht-Viertel entstanden

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Diese genialen Spiele über Japans Unterwelt sind beim Saufen in Tokyos Rotlicht-Viertel entstanden

'Yakuza Zero' ist endlich da und wir haben einiges über japanische Gangster, Hostessen-Clubs und "beschissene" Videospielzensur zu erzählen.

Alle Bilder Official Stills (c) SEGA

Mit Yakuza Zero ist Segas Kult-Gangster-Epos endlich auf der aktuellen Konsolengeneration angekommen, nachdem die Reihe vor zwölf Jahren mit Yakuza auf der PlayStation 2 ihren Einstand gefeiert hat. Wer die Yakuza-Spiele nicht kennt – und damit ganz klar ein bisher schmerzhaft unerfülltes Leben geführt hat – der hat jetzt eine perfekte Gelegenheit einzusteigen, denn Yakuza Zero ist, wie der Name schon sagt, die Vorgeschichte zu allen anderen Teilen, angesiedelt im wilden japanischen Nachtleben des Jahres 1988. Ein Rückblick auf diese schwer unterschätzte Spiele-Reihe bietet sich also mehr als an: Willkommen in einer spektakulär überdramatisierten Unterwelt voller Karaoke und Hostessen-Clubs.

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Yakuza zu erklären ist nicht ganz einfach, weil man nicht wirklich viel damit vergleichen kann. Es ist ein RPG, in dem man einerseits Haupt- und Nebenmissionen verfolgt und den Charakter mit auflevelt, aber auch ein comichaftes Prügelspiel, das an Klassiker wie Streets of Rage erinnert. Es spielt in einer detaillierten Open World, die aber nur auf ein oder mehrere überschaubare Stadtviertel beschränkt ist. Mit großen Gesten und ansprechend ausgearbeiteten Figuren erzählen diese Spiele eine verschachtelte Unterwelt-Seifenoper, sind aber gleichzeitig randvoll mit Humor und Albernheiten.

Im Wesentlichen ist es eine verspielte Wunschfantasie, ein überzeichneter Yakuza-Simulator. Es gibt eine Entstehungslegende: Die Entwickler sind auf das Konzept gekommen, nachdem sie zu Teambuilding-Zwecken nächtelang in den Rotlicht-Vierteln Tokyos gesoffen und dort neidisch die reichen, gefährlich aussehenden Männer beobachtet haben, die in den rauchigen Hinterzimmern aus- und eingehen.

Sega davon zu überzeugen, ein Spiel im Yakuza-Milieu anzusiedeln – nicht nur ein sehr "erwachsenes", sondern auch sehr japanisches Sujet, das sich im Rest der Welt wohl nicht so gut verkaufen würde – war harte Arbeit. Projektleiter Toshihiro Nagoshi konnte seine Chefs schließlich nur überzeugen, indem er seinen persönlichen Rücktritt anbot, sollte das Spiel ein Misserfolg werden. Spoiler: Das ist nicht passiert.

In der Tat hat man den ersten Teil von Yakuza sogar mit einigem Aufwand für den Westen lokalisiert und ihm prominente englische Sprecher wie Mark Hamill, Michael Madsen und Eliza Dushku verpasst. Das hat sich wirtschaftlich gesehen nicht wirklich ausgezahlt – Yakuza ist außerhalb Japans eine Nischenserie geblieben (naturgemäß mit der obligatorischen kultartigen Fangemeinde). Nach dem ersten Teil hat man auf aufwändige Neuvertonungen verzichtet und den Spielen einfach englischsprachige Untertitel verpasst, was immerhin ein erfreulicher Nebeneffekt ist, da man nun das japanische Flair voll und ganz genießen kann.

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Weniger erfreulich ist, dass Fans seitdem bei jedem einzelnen Teil zittern müssen: Kommt er zu uns? Wann kommt er zu uns? Wird es einen Release auf Disc geben oder nur einen Download? Wird etwas rausgeschnitten, das "zu japanisch" ist? Aber bis auf das eine oder andere Spin-Off und ein paar Neben-Inhalte in Yakuza 3 sind die Spiele relativ unversehrt im Westen angekommen – sogar das non-kanonische, aber extrem spaßige Yakuza: Dead Souls, in dem im Rotlicht-Viertel Kamurocho eine waschechte Zombie-Seuche ausbricht.

Die Entwickler sind auf das Konzept gekommen, nachdem sie nächtelang in den Rotlicht-Vierteln Tokyos gesoffen und dort neidisch die reichen, gefährlich aussehenden Männer beobachtet haben.

Jeder liebt Yakuza aus unterschiedlichen Gründen. Viele mögen die komplexen Stories und Figuren, andere das geile, vergessen geglaubte Beat-em-Up-Gameplay. Für mich persönlich ist es vor allem ein tolles Hangout-Spiel, in dem man Stunden nur mit optionalen Seitenaktivitäten verbringen kann. Es gibt diverse Shops, Sushi-Restaurants, Bars, Karaoke- und Hostessen-Clubs zu erkunden. Man kann sogar Spielhallen besuchen, in denen neben Slot- und Pachinko-Maschinen auch echte Arcade-Klassiker von Sega wie Out Run und Space Harrier zu finden sind.

Gerade die mit jedem Teil ausgefeilter dargestellten Hostessen-Clubs, in denen man mit bezahlten Damen ausgeht, flirtet und ihnen Geschenke macht – bis am Ende als Belohnung eine beherzte Liebeserklärung wartet – sind ein sehr ungewöhnlicher Einblick in das japanische Nachtleben. Nicht annähernd so brutal und verbrecherisch wie GTA-Spielmechaniken. Die letzten dezent verstörenden Nerd-Fantasien befriedigen dann irre Nebenmissionen, mit solchen Namen wie "Pimp My Otaku" (Otaku ist japanisch für "Nerd", nur extrem negativ konnotiert) und "How To Train Your Dominatrix".

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Fans von japanischen Gangsterfilmen muss ich Yakuza sowieso ohne mit der Wimper zu zucken ans Herz legen. Regisseur Takashi Miike hat vor zehn Jahren bereits eine Verfilmung namens Yakuza: Like A Dragon ins Kino gebracht. Und im nächsten Spiel, Yakuza 6 – dessen westlicher Release, Gott sei Dank, schon bestätigt ist – hat die japanische Film- und Entertainment-Größe Takeshi Kitano (ja, der von Takeshi's Castle) eine Rolle!

Aber wer könnte die Spiele besser beurteilen als echte Yakuza-Gangster? Das hat sich vor ein paar Jahren auch Journalist Jake Adelstein gedacht und seinen Kontakten in der Toykoer Unterwelt Yakuza 3 vorgesetzt. Das daraus resultierende Interview ist goldwert.

Unterm Strich befinden die Gangster das Spiel als authentisch in dem Sinn, dass es an die aus ihrer Sicht "guten alten Zeiten" des Yakuza-Business erinnert. Dass in der westlichen Version Mahjong, Hostessen-Clubs und Massage-Salons geschnitten wurden, wird hingegen höchst kritisch betrachtet: "Die Leute, die die amerikanische Version gekauft haben, tun mir leid. Sega USA ist beschissen." Worte, die sich Sega offenbar wirklich schwer zu Herzen genommen hat, denn nie wieder ist ein Yakuza-Spiel inhaltlich beschnitten worden. Also besten Dank an das japanische organisierte Verbrechen.

Andreas auf Twitter: @schirmsprung

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