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Die längste Wahl der Welt

"Sie betreiben Politik der verbrannten Erde" – der offene Brief einer Krankenpflegerin an Norbert Hofer

Norbert Hofer meint, er kenne "keine Muslime, die in Heimen unseren Senioren Windeln wechseln." Eine diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin antwortet ihm.
Foto: Parlamentsdirektion | Bildagentur Zolles KG | Mike Ranz

Renate Pühringer arbeitet seit 21 Jahren als diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin im stationären Altenpflegebereich und im Krankenhaus. Dieser Text ist ihre Antwort auf Norbert Hofers Aussage, er "kenne keine Muslime, die in Heimen unseren Senioren Windeln wechseln" und ist zuerst in ähnlicher Form auf ihrem Facebook-Profil erschienen.

Herr Ing. Hofer, Sie verbreiten unfundierte Informationen und nehmen in Kauf, dass diese instrumentalisiert werden. Soeben wurde in der ZIB2 ein Teil Ihrer Rede eingespielt, in der Sie behaupten, Sie würden "keine Muslime kennen, die in Heimen unseren Senioren Windeln wechseln."

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Erstens

Wir wechseln in den Heimen unseren Seniorinnen und Senioren die "Inkontinenzversorgung" kurz auch "IKV" und keine "Windeln". Mich wundert, dass Ihre Frau Sie diesbezüglich nicht sensibilisiert hat, denn sie arbeite ja mit "Herz" als "Altenpflegerin". Diese Berufsbezeichnung gibt es übrigens in Österreich nicht. Jeder und jede, die einem alten Menschen "hilft", darf sich so nennen. Weil ich vom Fach bin und mich ehrlich interessiert, welchen Beruf Ihre Gattin hat, habe ich mehrfach auf Ihrer Timeline in passenden Threads die Frage nach der genauen Berufsbezeichnung gefragt—aber nie eine Antwort erhalten.

Zweitens

Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie nach "Jahren im Krankenhaus" (als Patient meinen Sie offensichtlich) keine Menschen muslimischen Glaubens "kennen". Sie werden ja auch nicht jede Pflegeperson, die Sie nach Ihrem Unfall betreut oder gepflegt hat, nach ihrem Religionsbekenntnis gefragt haben, oder irre ich? Falls ich mich irre: Hätten Sie sich von einem Menschen muslimischen Glaubens in Ihrer akuten Krankheitsphase helfen lassen, beim WC-Gang oder bei der Körperpflege?

Drittens

Es geht mir ja gar nicht so sehr darum, ob Sie eine Pflegeperson muslimischen Glaubens kennen oder nicht. Aber Sie suggerieren, dass es keine gibt, die sich um unsere Seniorinnen und Senioren kümmern und dies auch in den intimsten Momenten wie der Ausscheidung. Was soll das? Nein, ich frage nicht. Ich weiß es. Sie betreiben Politik der verbrannten Erde. Sie wollen Menschen muslimischen Glaubens bei jeder sich bietenden Gelegenheit und auch dann, wenn es keine Gelegenheit dazu gibt (dann basteln Sie eben eine Gelegenheit), verunglimpfen.

Viertens

Wieso kennen Sie in der ZIB2 plötzlich die genauen Zahlen der Pflegekräfte und geben an, dass die, die doch muslimischen Glaubens sind, meist Frauen sind, die aus Bosnien stammen? Sie verabsäumen es nicht, auch hier die Zahlen wieder kleinzureden und die Kolleginnen und Kollegen muslimischen Glaubens quasi als "Ausnahmen" darzustellen.

Fünftens

Morgen oder übermorgen treffe ich meine Kollegin muslimischen Glaubens wieder, die übrigens keine Bosnierin ist. Ich werde ihr sagen, dass ich mich mittlerweile für sehr viele Menschen in Österreich schäme—Sie eingeschlossen. Und dann werden wir—wie immer—Seite an Seite Menschen nach Stuhlgang, in akuten Verwirrtheitszuständen, etc. fachlich kompetent und menschlich mitfühlend versorgen. Und das ohne Ansehen der Religionszugehörigkeit, der sexuellen Orientierung, der politischen Überzeugung, der ethnischen Zugehörigkeit oder ähnlichem.

Sechstens

Ich bete (mittlerweile) zu Gott, dass Sie nicht unser neuer Bundespräsident werden. Noch nie in meinem Leben habe ich das gemacht. Aber jetzt scheint es mir so, als würden wir auf einem Grat stehen. Und Gott steh uns bei!