Ein Onlineshop bietet "Arbeit macht frei"-Kaffeetassen an
Shopansicht: Screenshot | Redbubble.com | eingesehen am 6. November 2017 || Vordergrund: imago | lem

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Holocaust-Kommerz

Ein Onlineshop bietet "Arbeit macht frei"-Kaffeetassen an

Im Sortiment von Redbubble finden sich auch KZ-Kissen und Auschwitz-Jutebeutel.

Es ist ein grauer Novembermorgen, kein Sonnenstrahl dringt in dein Zimmer. Dein Kopf ruht auf zwei Kissen, beide bedruckt mit Fotos von KZ-Stacheldraht. Du schlägst die Augen auf, blickst auf deinen zerknitterten Auschwitz-Jutebeutel am Boden. An der Wand hängen die drei Kunstdrucke mit den Wachtürmen des Vernichtungslagers, den Lagertoiletten und dem Berg der zurückgelassenen Schuhe, stilecht in Schwarz-Weiß. Bei der T-Shirt-Wahl brauchst du kurz einen Moment, um dich zwischen dem Shirt mit der Außenansicht des Lagers und dem mit der alten Pistole zu entscheiden, die Hermann Göring gehört haben soll. Dann folgt das erste Highlight des Tages: Du nimmst einen Schluck schwarzen Kaffee aus deiner "Arbeit macht frei"-Tasse und notierst deine großdeutschen Träume in das Notizbuch mit dem Todestor vorne drauf.

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Was nicht nur für Überlebende des Naziterrors wie ein Albtraum klingen muss, ist eine Zimmereinrichtung, die man als Sammelbestellung beim Onlineanbieter Redbubble ordern kann. Für Stückpreise von 13 bis 18 Euro. In Auschwitz ermordeten die deutschen Besatzer allein über eine Million europäische Juden und unzählige andere Verfolgte. Aufgedeckt hat das fragwürdige Angebot das Dokumentationsarchiv Wien.

Redbubble eröffnete vor einem Jahr eine deutsche Seite und will seitdem "einzigartige Designs von unabhängigen Künstlern" an die Leute bringen. Gegründet wurde das Unternehmen vor elf Jahren in Australien. Heute bietet es ein festes Segment von T-Shirts und Miniröcken bis zu Smartphonehüllen und Postern an. Redbubble lässt diese Produkte selbst produzieren und bedruckt sie dann lediglich mit individuellen Motiven, die Nutzer hochladen. Letztere nennt Redbubble "Künstler" und porträtiert sie gerne als kreative Hunde- und Katzenliebhaber. Eine Lightversion von Etsy und Dawanda also.

Laut der Seiten-AGB erreicht das Kunstverständnis von Redbubble seine Grenze bei sogenannten "unangemessene Inhalten". Diese definieren die Australier etwa als Inhalte, die "Personen, Völker, Rassen, Religionen oder religiöse Gruppen diffamieren oder verunglimpfen", oder "obszön, pornografisch, unsittlich, schikanierend, anstößig, diskriminierend, bedrohlich, beleidigend, hetzerisch, aufrührerisch, gefährlich oder in sonstiger Weise inakzeptabel" sind. Das ganze Programm also. Man behalte sich vor, solche Inhalte zu entfernen, heißt es in den AGB weiter.

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Dennoch finden sich neben den zahlreichen Auschwitz-Produkten auch T-Shirts zu rechten Memes und Sticker, die die Rolle des Deutschen Reichs in zwei Weltkriegen verherrlichen. Die Kunden scheint es nicht zu stören: "Ich wünschte, dass das Material etwas weicher wäre und der Druck etwas brillanter", schreibt ein mutmaßlicher Käufer unter dem Angebot des "Arbeit macht frei"-Kissens. Das Problem: Einzelne Drucke lassen sich bei Redbubble nicht bewerten, man kommentiert nur das jeweilige Produkt, in dem Fall das Redbubble-Standard-Kissen. Welches Motiv das trägt, ist bei der Bewertung egal.

Die Anbieter der fragwürdigen Motive heißen "anfa77", "Peter Harpley" oder "Patrick Monnier". Laut ihren Profilen stammen sie aus den USA, Großbritannien oder der Schweiz. Manche von ihnen haben eine eigene Produktkategorie "Holocaust", andere haben ihre KZ-Fotos zusammen mit Tausenden anderen Motiven hochgeladen – vom Spaziergang mit dem eigenen Hund bis hin zum Golfturnier. Das ganze normale Leben eben, garniert mit einer Prise historischen Alzheimers.

Screenshot eines "Arbeit macht frei"-Kissens

Den Schriftzug "Arbeit macht frei" zu verwenden, ist in Deutschland nicht direkt verboten, wird er allerdings in einem den Holocaust verharmlosenden Kontext gebraucht – und das dürfte bei einer Kaffeetasse der Fall sein –, fällt das unter den Straftatbestand der Volksverhetzung. Die Auschwitz-Produkte hingegen sind nach deutschem Recht nicht strafbar, geschmacklos sind sie aber in jedem Fall. Der Gedenkaspekt eines Kissens oder Jutebeutels dürfte schließlich gegen null laufen.

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Redbubble hat am Montag auf den Tweet des Dokumentationsarchivs Wien reagiert. Man hätte die Produkte der Rechtsabteiligung gemeldet und bedankte sich in einem zweiten Tweet für den "wichtigen Hinweis". Redbubble habe Produkte, die "den Ausspruch 'Arbeit macht frei' verwenden, ohne dabei explizit in kritischem Kontext zu Nazi-Verbrechen zu stehen", aus seinem Shop entfernt. Tatsächlich sind die Motive dort und auch in der englischsprachigen Version der Seite nicht mehr verfügbar, aber über den Google-Cache weiterhin aufrufbar.

Die Auschwitz-Kissen und -Jutebeutel bietet Redbubble hingegen weiter an. VICE hat Redbubble am Montag gefragt, wie solche Produkte überhaupt dort landen können. Erklären wollte das Unternehmen das bislang nicht.

Update, 14:24 Uhr: Redbubble hat uns mittlerweile per E-Mail geantwortet. Darin bestätigt eine Sprecherin den Löschvorgang und verweist auf die Redbubble Community Guidelines und Nutzungsbedingungen. Man beziehe "klar Stellung gegen Rassismus und Gewalt", schreibt sie, das schließe auch NS-Verbrechen ein. Außerdem beschäftige Redbubble "dedizierte Teams, die Inhalte proaktiv durchsuchen und solche Inhalte entfernen". Warum diese nicht zuvor aktiv geworden waren, erklärte die Sprecherin nicht.

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