Stanic – Die Kolumne

Baba, Strache: Ein politischer Nachruf auf einen Rechtsextremen

Ich als "eine der größten Huren auf dem Planeten" habe vor Freude getanzt. Doch seine Politik wird Österreich nachhängen wie der Ratte der Schwanz.
Strache bei seiner Pressekonferenz
Foto: Imago Images | photonews.at || Bearbeitung: VICE

Bumsti ist weg. Seit dem 1. Oktober steht es fest und auf meinen Social-Media-Kanälen geht es nur noch darum: Ex-FPÖ-Chef Strache zieht sich völlig aus der Politik zurück. In dem Moment, als er seinen Rücktritt bekannt gegeben hat, hörte ich viele meiner Freundinnen und Bekannten aufatmen. Ich bin während seiner Pressekonferenz vor Freude durch die Küche getanzt.

Die Österreicherinnen bekamen mit Strache das, was sie verdient hatten: einen rechtspopulistischen Staatsmann, der keine politische Integrität hat. Das Volk entscheidet und das Volk entschied sich für einen Mann, der eng verwurzelt mit der rechtsextremen Szene ist. Egal, ist doch fein, wenn endlich mal einer auf die bösen Ausländer eindrischt, oder?

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Strache hat übrigens einen Wunsch, sagt er bei seiner Verabschiedung, nämlich dass es er nicht vorverurteilt wird. Da kann ich nur laut und herzlich lachen. Wie kann sich ein Politiker, der Muslime und Musliminnen jahrelang gezielt angegriffen und diffamiert hat, Verständnis wünschen? Mein Mitgefühl mit Strache, der sich jetzt, nach drei Jahrzehnten Politik, auf seine Familie konzentrieren möchte, hält sich in Grenzen. Als eine "der größten Huren des Planeten", wie Strache Journalistinnen im Ibiza-Video nennt, fühle ich keine Empathie für einen Mann, unter dessen Führung so viel Ungerechtigkeit passiert ist.

Strache ist der Inbegriff dessen, was in Österreichs Politik seit Jahren falsch läuft. Er ist einer der vielen Gründe, warum ich mich in Österreich nie zu Hause gefühlt habe. Er trägt Schuld an dem antimuslimischen Rassismus, der in der österreichischen Gesellschaft stärker geworden ist. Dabei wollte er dieses Land und seine Grenzen doch nur schützen; zumindest hat er das "dem kleinen Mann" so verkauft. Er war es, der zusammen mit anderen FPÖ-Politikern wie etwa Herbert Kickl Wahlsprüche wie "Daham statt Islam" oder "Deutsch statt 'Nix verstehn'" gesellschaftstauglich gemacht hat. Er war maßgeblich an dem Rechtsruck in der österreichischen Bevölkerung beteiligt.

Strache hat mit seinen Angriffen auf Migrantinnen, Musliminnen und alle anderen, die ihm wegen seiner rechten Gesinnung nicht passen, unfassbar großen Schaden angerichtet. Sein politischer Erfolg basiert auf nichts weiter als Hass und sein Rücktritt zügelt diesen Hass nicht. Straches Politik wird Österreich nachhängen wie der Ratte ihr Schwanz. Apropos Ratten: Könnt ihr euch noch an das Rattengedicht erinnern, das in einem FPÖ-Parteiblatt abgedruckt wurde? Darin vergleicht die FPÖ Braunau Ratten mit Menschen. Nur einer von vielen "Einzelfällen".

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Als die schwarzblaue Regierung mitteilt, dass sie die Mindestsicherung kürzen will, waren ein paar FPÖ-Wähler wohl überrascht, dass diese Kürzung auch autochthon-österreichische Familien trifft. Anders als es die FPÖ ihrer Wählerschaft verkauft hat, ist sie keine "soziale Heimatpartei". Die würde sich nämlich nicht für den 12-Stunden-Tag stark machen und die würde auch nicht behaupten, Frauenhäuser zerstörten Ehen.

Treu sind der FPÖ trotzdem viele geblieben. Vorübergehend. Denn die Skandale und Einzelfälle häuften sich. Die Ibiza-Affäre haben ihm viele noch verziehen, nicht umsonst hat er unmittelbar danach bei der EU-Wahl 40.000 Vorzugsstimmen erhalten. Strache hat sich groß auf die Fahnen geschrieben, dass er sich für den "kleinen Mann" einsetzt. Vielleicht konnte sich der ein oder andere kleine Mann namens Johannes oder Wolfgang mit Straches Verhalten in dem Ibiza-Video identifizieren. Volksnah, aber zugekokst, so hat er sich inszeniert. Ob das Volk nachvollziehen kann, dass er bis zu 10.000 Euro Spesen monatlich für private Zwecke an die Partei verrechnet hat? Seine Fanbase hat das sicher mehr erschüttert, als dass er in seiner Jugend an Wehrsportübungen im Wald teilgenommen hat.

Ein rechter Politiker an der Spitze Österreichs – ein rechter Politiker mit Neonazi-Vergangenheit – hat es 2017 geschafft, die FPÖ zur drittstärksten Partei zu machen. Bei den letzten Nationalratswahlen Ende September schafft die FPÖ nur noch 16 Prozent. Damit liegt sie nur knapp über der Marke, bei der Strache die FPÖ damals abgeholt hat. Dass die FPÖ mit minus zehn Prozent tief gefallen ist, liegt auch an Strache und seinen Skandalen. Was für eine Ironie.

FPÖ-Politiker Norbert Hofer sagte einmal, wir würden uns noch wundern, was alles möglich sei. Ich wundere mich auch, denn ich frage mich jetzt, ob Straches Abschied aus der Politik ein Abschied für immer ist. Die Website liste-strache.at wäre ja schon reserviert. Medien fragen sich zu Recht, ob Strache dahintersteckt. Und dann wäre da ja noch Philippa Strache, seine Ehefrau, bei der noch nicht klar ist, ob sie ihren Sitz im Nationalrat annimmt.

Ob Strache das schlechte Gewissen plagt, weil er jahrzehntelang Politik auf dem Rücken marginalisierter Menschen betrieben hat? Kommt mit dem Rücktritt die Einsicht? Nein, dafür ist seine Liebe zum Abendland wohl zu groß. Viel kaufe ich Strache nicht ab, aber er hat die letzten Jahrzehnte glaubwürdig kommuniziert, dass er seine politischen Werte todernst meint. Die legt einer nicht einfach so ab, da kann er die Partei noch drei Mal verlassen. Strache ist ein Spiegelbild der österreichischen Gesellschaft. Die Erinnerung an seine tiefsitzende Abneigung gegen marginalisierte Gruppen bleibt; die Folgen seiner Politik auch.

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