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Der Möchtegern-Milliardär, der Wall Street und Hollywood verarschte – und verschwand

Jho Low lud Kate Upton auf seine Jacht ein und finanzierte Leo DiCaprios 'The Wolf of Wall Street'. Heute ist er untergetaucht.
Links: Leonardo DiCaprio und Jho Low 2013 | Foto: Bertrand Rindoff | Getty Images || Rechts: Jho Low und Ludacris 2014 | Foto: Dimitrios Kambouris | Getty Images for Gabrielle's Angel Foundation

Seine Partys waren legendär. Wenn Jho Low feierte, sollte es an nichts fehlen. 60.000 US-Dollar pro Abend waren Standard für den Malaysier, aber wenn er Stars wie Paris Hilton, Lindsay Lohan oder Miranda Kerr beeindrucken wollte, durften es auch mal mehrere Hunderttausende oder gar Millionen sein. Wenn ihm gerade danach war, nahm er acht Kellnerinnen einer New Yorker Nobelbar mit ins Flugzeug nach Malaysia, um dort weiter zu feiern.

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Amerikanische Casino- und Clubbetreiber haben eine spezielle Bezeichnung für besonders spendable Gäste: Wal. Und Jho Low war der größte Wal, den Las Vegas, Saint-Tropez und New York je gesehen hatten.

Aber nicht nur beim Feiern saß Low das Geld locker. In Kunstauktionen kaufte er Gemälde von van Gogh, Basquiat, Monet und anderen für insgesamt über eine Viertelmilliarde US-Dollar, Anteile an Musiklabels wie EMI, ein üppiges Penthouse in New York und eine Megajacht für 250 Millionen US-Dollar. Über die Produktionsfirma Red Granite Pictures übernahm er maßgeblich die Finanzierung des Leonardo-DiCaprio-Streifens The Wolf of Wall Street.

Heute ist Low, Jahrgang 1981, vor allem berühmt für seine Rolle in einem der größten Finanzskandale Malaysias. Über Jahre hinweg soll er unter anderem mit dem damaligen Premier Najib Razak den malaysischen Staats-Fond 1Malaysia Development Bhd (1MDB) geplündert und mehrere Milliarden US-Dollar Steuergelder abgezweigt haben. Vor allem die Rekordsummen bei Kunstauktionen dürften der Geldwäsche gedient haben. Die USA fordern Lows Auslieferung, auch in Malaysia erwartet den Finanzier ein Gerichtstermin. Low aber beteuert seine Unschuld und ist untergetaucht, mutmaßlich in China. Er hat sogar eine Website erstellt, auf der er sich verteidigt.

Zwei Journalisten des Wall Street Journals, Tom Wright und Bradley Hope, haben ein Buch über das Leben, die Geschäfte und die Partys von Jho Low geschrieben. In Billion Dollar Whale: The Man Who Fooled Wall Street, Hollywood, and the World zeichnen die Autoren ein Bild vom extravaganten Lebensstil des Möchtegern-Milliardärs und zeigen nebenbei auf, was der Fall über das globale Finanzsystem, Hollywood und die oberen 0,1 Prozent aussagt.

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Low hatte über seine Anwälte noch versucht, die Veröffentlichung des Buchs zu verhindern. VICE hat mit den Autoren gesprochen, um zu erfahren, wie Low sein Milliardärs-Image kultivieren und sich in die Reihen der Wirtschaftselite schummeln konnte.


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VICE: Welche Rolle spielt Jho Lows Herkunft bei der ganzen Sache?
Tom Wright: Er stammt aus einer wohlhabenden Familie: eindeutig Millionäre, aber dann doch viel ärmer als die Milliardärs-Klasse, der Low unbedingt angehören wollte. Sein Vater Larry hatte Anteile an einer Bekleidungsfirma, aber war in Malaysia als Betrüger bekannt. Low wuchs in einem üppigen Anwesen auf und erlebte die protzigen Partys seines Vaters, der auch mal schwedische Models für eine Feier auf einer Jacht einfliegen ließ.

Von seinem Vater lernte Low auch einiges über Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen. Larry hatte hohe Ziele für seine Familie. Er schickte Low, das jüngste seiner drei Kinder, auf das renommierte Londoner Internat Harrow, wo dieser mit dem Elitenachwuchs aus Asien und dem Nahen Osten in Kontakt kam. Dort lernte Low auch den Stiefsohn des zukünftigen malaysischen Premierministers Najib Razak kennen. Er sehnte sich danach, ein Mitglied dieser elitären Schicht zu werden. Was er auch später schaffen sollte.

Sein Erfolg bestand allerdings mehr darin, das Image eines Milliardärs zu kultivieren als tatsächlich einer zu sein, oder?
Bradley Hope: Es war ein wichtiger Bestandteil von Lows Geschäftstaktik, den Eindruck zu vermitteln, reich zu sein, einen Haufen reicher Freunde zu haben und potenziell auch dich reich machen zu können. Schon früh unternahm er einiges, um reicher auszusehen als er war. Als ihn in den Sommerferien seine Schulfreunde von Harrow besuchten, lieh er sich eine große Jacht von einem Freund seines Vaters und tauschte dort alle Bilder mit denen seiner Familie aus, damit sie so aussah wie die Low-Familienjacht.

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Während seiner College-Zeit an der renommierten Wharton Business School schmiss er eine sensationelle Party in einem Club. Die Gäste hatten allerdings keine Ahnung, dass er den Clubbetreiber monatelang mit der Rechnung hinhielt und am Ende nur einen Bruchteil des Betrags beglich. In unseren Augen ist Low der ultimative Bühnenbildner. Er denkt an absolut alles: von der Blumendekoration bis hin zu den Gläsern, aus denen getrunken wird.

Was sagt uns Lows Story über die High Society und die Eliten in der Welt nach dem Finanzcrash?
Wright: Alles und jeder ist käuflich! Schauspieler, Models, sogar Banker und Geschäftsmänner, die selbst Hunderte Millionen Dollar haben – sie alle brauchen oder wollen mehr Geld.

Miranda Kerr hatte zum Beispiel sieben Millionen US-Dollar in dem Jahr verdient, bevor sie begann Low zu daten. Sieben Millionen reichen aber nicht, um auf einer 250 Millionen US-Dollar Jacht zu leben und den Champagner an der französischen Riviera fließen zu lassen. Auch DiCaprio ist unfassbar reich, trotzdem lockte ihn Lows Versprechen von 400 Millionen US-Dollar Filmfinanzierung, darunter auch für The Wolf of Wall Street. Insbesondere weil Warner Brothers damals kein Geld dafür bereitstellen wollte.

Die Welt der 0,1 Prozent ist extrem klein. Als Low einmal drin war, konnte er von einer Person zur anderen gehen. Tatsächlich ist er einer der begnadetsten Netzwerker, die die Welt je gesehen hat. Er schätzte ab, welchen Nutzen andere Leute für ihn hatten, und setzte sie strategisch ein. Seine Freundschaft zu Hollywoodstars benutzte er zum Beispiel, um Deals mit arabischen Geschäftsmännern zu machen. Sobald sie Kate Upton auf seinem Boot sahen, waren sie von Low begeistert.

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Wie konnte er sich allein mit dieser Fassade in diesen extrem geschlossenen Kreisen bewegen?
Hope: Promis und Musikern ging es ums Geld. Er hatte auch Freunde in der Clubwelt, die "arrangieren konnten", dass Promis mit ihm abhängen oder umsonst seine Partys besuchen. Einige von ihnen wurden seine Freunde oder sogar Geschäftspartner. Produzent Swizz Beatz zum Beispiel sah in Low einen lukrativen Partner und ermutigte ihn dazu, Reebok von Adidas zurückzukaufen. Der Deal war schon recht weit fortgeschritten, scheiterte aber schließlich am Skandal.

Auch die Banker waren an Low wegen des Geldes interessiert. Sie verdienten durch Honorare an seinen Transaktionen und Deals mit. Viele seiner Freunde aus dem Nahen Osten machten ebenfalls gerne Geschäfte mit ihm, aber sie liebten auch Lows Lifestyle, der ständig von Celebrities und Supermodels umgeben war.

Und niemandem fiel auf, dass alles nur eine Täuschung war?
Als der Betrugsskandal 2015 aufflog, sprachen viele Menschen in Lows Umfeld zum ersten Mal miteinander. Sie stellten fest, dass er ihnen allen eine andere Story erzählt hatte. Wie die Gerichtsunterlagen zeigen, gab Low manchmal sogar in E-Mails vor, eine andere Person zu sein. Das soll nicht heißen, dass er nicht auch eine ehrliche Seite hatte. Es liegt aber auf der Hand, dass er ein Mann vieler Pläne war und immer an ihnen arbeitete. Selbst in seiner Partyphase stand Low oft in den Ecken der Clubs und telefonierte. Heute reist er mit sieben oder acht Handys durch die Gegend und schreibt von ihnen Nachrichten, als würde er Klavier spielen. Es ist schwer, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu kriegen.

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Wann wurde Low zum letzten Mal gesehen?
Wright: Malaysias Regierung ist sich sicher, dass Low in China ist. Er soll vor Kurzem erst beim Weintrinken in Hongkong gesehen worden sein. Nachweislich wurde er zum letzten Mal im Juli gesehen, als er zwischen Macau, Hongkong und Shenzhen hin und her reiste. Er hat versucht, eine Jacht zu kaufen und sie im Royal Hong Kong Jacht Club anzumelden. Seine Frau ist dem Club vor Kurzem beigetreten. Seine 250 Millionen US-Dollar Superjacht Equanimity wurde von indonesischen Behörden beschlagnahmt. Das neue, kleinere Schiff ist vielleicht auch als letzte Fluchtmöglichkeit gedacht.

Warum wurde er noch nicht verhaftet?
Wright: Malaysia verhandelt mit China über eine Auslieferung, aber Low scheint unter Pekings Schutz zu stehen. Er hat dabei geholfen, ein paar krumme Infrastrukturgeschäfte zwischen China und Malaysia in die Wege zu leiten, bei denen ebenfalls Geld verschwunden sein soll. Im Mai dieses Jahres wurde überraschend Lows Patron, der malaysische Premierminister Najib Razak, abgewählt und anschließend festgenommen, sein Vermögen beschlagnahmt.

Die neue Regierung will die Infrastrukturprojekte mit China aufheben und hat Low in dessen Abwesenheit wegen Geldwäsche angeklagt. Man vermutet, dass Peking Angst hat, weil Low zu viel über einige hochrangige chinesische Politiker weiß. Deswegen kann er bislang ungestört dort leben.

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